„Quo vadis nachhaltige Wirtschaft?“ – Zukunftsperspektiven auf dem Forum ö 2024
Zum 35. Mal versammelte der Verband öbu am 23. Oktober in Zürich Fachleute aus Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft, um über die Herausforderungen nachhaltigen Wirtschaftens zu diskutieren.
Den Auftakt des diesjährigen Forums ö machten Marina Hasler, Managing Partnerin des Impact Hub, und Olmar Albers, Geschäftsleiter der öbu, mit einer interaktiven Fragerunde. Die Teilnehmenden wurden dazu animiert, bei „Ja“-Antworten aufzustehen, um ein Gefühl für die eigene Vertrautheit mit dem Thema zu bekommen. Dieses Warm-up sollte das Publikum auf das diesjährige Motto „Quo vadis nachhaltige Wirtschaft?“ einstimmen. Unter diesem Leitgedanken rückten die Themen ins Zentrum, die oft am Rand des nachhaltigen Wirtschaftens stehen, und zeigten die Chancen auf, die Nachhaltigkeit für Umwelt, Unternehmen und Mitarbeitende bietet.
Die Veranstaltung, die jährlich rund 200 Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Innovation und Gesellschaft zusammenbringt, dient als Plattform für den Austausch über zukunftsorientierte Geschäftsmodelle, die die Potenziale einer nachhaltigen Ausrichtung aufzeigen. Mit abwechslungsreichen Breakout-Sessions und Keynotes, unter anderem zu den Themen „Stärkung von Unternehmen durch eine Biodiversitätsstrategie“ und „Die Rolle von Climate Design in Unternehmen“, beleuchtete das Forum neue Perspektiven und Lösungsansätze für nachhaltiges Wirtschaften.
Die Rolle von ESG-Daten in Geschäftsprozessen und Unternehmenskultur
In der Eröffnungskeynote „Datengetriebene Einblicke in die Chancen der nachhaltigen Wirtschaft“ beleuchteten Stefanie Egger, Mitglied der Geschäftsleitung der Crif AG, und Prof. Dr. Justus Julius Kunz von der Fachhochschule Nordwestschweiz die Zukunft der nachhaltigen Wirtschaft in der Schweiz. Zentrale Fragen waren dabei: Wohin bewegt sich die Schweizer Wirtschaft? Wo stehen wir heute? Wie rücken wir die Nachhaltigkeit aus der Ecke der reinen Pflichterfüllung?
Stefanie Egger wies auf die zentrale Rolle hin, die ESG-Daten für eine nachhaltige Unternehmensführung spielen. Die Crif AG bewertet Unternehmen auf dem Schweizer Markt anhand von Sekundär- und Primärdaten, wobei die Synesgy-Plattform insbesondere die primären ESG-Daten der Kunden bereitstellt. Dabei basieren Sekundärdaten auf öffentlich zugänglichen Informationen und Branchendurchschnitten, während Primärdaten direkt von Gegenparteien oder Lieferanten erhoben werden. Sie fügte an, dass das blosse Sammeln von ESG-Daten nicht genügt. Unternehmen müssen sie gezielt in ihre Geschäftsprozesse integrieren, um von nachhaltigen Strategien zu profitieren. Regelmässige Zertifizierungen fördern zudem langfristige Verbesserungen, da sich die Unternehmen intensiv mit Nachhaltigkeitsfragen auseinandersetzen. Unternehmen mit guten ESG-Werten, wie z.B. einem geringeren CO₂-Ausstoss, profitieren oft auch von besseren finanziellen Konditionen, wie z.B. günstigeren Kreditzinsen.
Nach Stefanie Eggers Vortrag legte Justus Julius Kunz den Fokus auf die Rolle der Unternehmenskultur bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit. Er betonte, dass ESG-Nachhaltigkeit nicht nur in Geschäftsprozesse integriert, sondern in der Unternehmenskultur verankert werden müssen, um langfristige Wettbewerbsvorteile zu sichern. Ein aktives CO₂-Management sei dabei zentral für den wirtschaftlichen ESG Erfolg. Benchmarks helfen, den eigenen Fortschritt zu messen und Verbesserungsmöglichkeiten zu erkennen. Entscheidend für eine nachhaltige Marktposition sei jedoch eine umfassende Transformation auf allen Unternehmensebenen mit aktiver Einbindung der Mitarbeitenden. Unternehmen, die diesen Ansatz verfolgen, profitieren nicht nur von Innovationskraft, sondern auch von einer stärkeren Positionierung auf dem Arbeitsmarkt, da besonders die jüngere Generation Wert auf authentische Nachhaltigkeit legt.
Nachhaltige Wertschöpfung – eine globale Perspektive
In der abschliessenden Keynote am Forum ö 2024 diskutierten Dr. Stefan Gara, Senior Advisor bei Sustainserv und Abgeordneter des Wiener Landtags, und Dr. Matthew Gardner, Mitgründer und Managing Partner von Sustainserv, unter der Moderation von Dr. Stephan Lienin, ebenfalls Mitgründer und Managing Partner von Sustainserv, über verschiedene Ansätze und aktuelle Entwicklungen in den USA und der EU. Gardner kritisierte die zunehmende Politisierung von Nachhaltigkeitskonzepten in den USA, wo ESG oft als „woke“ bezeichnet wird – eine Haltung, die er als hinderlich für Risikomanagement und Wettbewerbsstrategien sieht. Gardner erklärte, dass ESG für Unternehmen eine strategische Notwendigkeit sei, um Risiken zu minimieren und Chancen zu maximieren, unabhängig von politischen Begriffen.
Gara wies auf die Bedeutung der Planungssicherheit durch europäische Regulierungen wie den Green Deal hin, die auch Schweizer Unternehmen zur Anpassung an Nachhaltigkeitsstandards bewegen. Die Diskussion verdeutlichte, dass für erfolgreiche nachhaltige Wertschöpfung enge Kooperationen zwischen Unternehmen und lokalen Verwaltungen erforderlich sind, wie z. B. durch „Klimabündnisse“ der Stadt Wien. Diese fördern Partnerschaften, die zur Dekarbonisierung und Effizienzsteigerung beitragen. Beide Experten betonten, dass solche Kooperationen und eine klare Orientierung essenziell sind, um nachhaltige Wertschöpfung langfristig zu sichern und Unternehmen wettbewerbsfähig zu halten.
Weitere Informationen: www.oebu.ch
Von Klimarisiken bis hin zu Kreislaufwirtschaft
Einen gewichtigen Teil nehmen am Forum ö jeweils die Breakout-Sessions ein. Auch dieses Mal fanden wiederum fünf solche Workshops statt, wo in Kleingruppen verschiedene Themen erörtert wurden.
Es waren vier Themenkreise, mit denen sich die Breakout-Sessions am Forum ö 2024 befassten: Biodiversität, Green Communication, Datenmanagement und Klimarisiken. Um Letzteres ging es gleich an zwei Workshops. Denn Klimarisiken müssen wohl in Zukunft von allen Unternehmen immer mehr in Betracht gezogen werden, denn sie können sich mannigfaltig auswirken – wenn nicht direkt auf ein Unternehmen selbst, dann am ehesten auf die Lieferketten. Denn wenn Wetter-Grossereignisse ganze Landstriche betreffen, steht dort die Produktion für längere Zeit still. In den Jahren 2015 bis 2023 befasste sich die Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TFCD) mit solchen Fragen und informierte darüber, was Unternehmen tun sollten, um die Risiken des Klimawandels zu mindern. Zudem sollten sie dies in klimabezogenen Finanzinformationen transparent machen. Auf Basis der Arbeiten dieser Task Force entstand das Konzept «Climate Design», das von Stephan Lienin, Dr. Stefan Gara und Dr. Matthew Garnder von Sustainserv GmbH erläutert wurde. Climate Design ist ein innovationsorientierter Ansatz für Unternehmen, der sich darauf konzentriert, die Auswirkungen auf das Klima zu minimieren und gleichzeitig die Unternehmensleistung zu optimieren. Durch strategisches Management der intelligenten Nutzung aller Ressourcen – wie Energie, Materialien, Menschen und Partnerschaften – entlang der Wertschöpfungskette geht das Konzept von Climate Design auf ökologische und soziale Herausforderungen ein, erhöht die Widerstandsfähigkeit und bietet Wettbewerbsvorteile, indem es wirtschaftliche Ziele mit Klimaverantwortung in Einklang bringt.
GS1 Switzerland hostete eine Breakout-Session zum Thema Kreislaufwirtschaft und wie Datenmanagement zu einem Treiber derselben werden kann. Die Organisation, die u.a. auch den bekannten Barcode (auch EAN-Code genannt) entwickelt und zu einem globalen Standard erhoben hat, propagiert auch für die Kreislaufwirtschaft einen digitalen Produktepass (DPP). Über diesen können wichtige Produktdaten über den gesamten Lebenszyklus, aber auch für die Wiederverwendung eines Produkts, zurückverfolgt oder auch ergänzt werden. «Erst maschinenlesbare Daten machen eine funktionierende Kreislaufwirtschaft möglich», so Dominik Halbeisen, Solutions Expert bei GS1 Switzerland. Eine eindeutige Produkt-ID erlaubt die Rückverfolgbarkeit von Gütern entlang der gesamten Wertschöpfungskette und beinhaltet gleichsam die gesamte History eines Produkts. Die EU macht diesbezüglich vorwärts: Bis Mitte 2027 sollen DPP für Textilien, Stahl oder Batterien implementiert werden. Weitere Bereiche dürften – oder müssen – folgen, denn im Prinzip ist jedes Produkt DPP-fàhig. In diesem Zusammenhang zeigten die GS1-Experten den Teilnehmenden auf, wie ein einfacher DPP selbst erstellt werden kann.