Nachhaltigkeit: Viele Unternehmen noch mit angezogener Handbremse unterwegs

Schweizer Unternehmen haben die Relevanz von Nachhaltigkeit für den langfristigen Unternehmenserfolg erkannt. Viele Unternehmen haben bereits erste Nachhaltigkeitsmassnahmen ergriffen, kommunizieren aber nur einen Bruchteil davon. Das zeigt die Swiss Sustainability Benchmark-Studie 2023 der ZHAW zum Status-quo von Nachhaltigkeit mit 361 Schweizer Unternehmen.

Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit starten die meisten Unternehmen gemäss einer Studie immer noch mit den «low-hanging fruits», also in der Regel schnell umsetzbaren Massnahmen. (Bild: Pixabay.com)

Schweizer Unternehmen haben die Relevanz von Nachhaltigkeit erkannt und schätzen, dass Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökonomie, Ökologie sowie Gesellschaft und Soziales in den nächsten zehn Jahren weiter an Bedeutung gewinnen wird. Möchte ein Unternehmen auch in Zukunft erfolgreich sein, muss es seine Geschäftsprozesse und -strategien auf Nachhaltigkeit umstellen – dem stimmten 79 Prozent der befragten Unternehmen zu. Trotz der hohen Relevanz, die dem Thema Nachhaltigkeit allgemein zugesprochen wird, haben immer noch knapp ein Drittel der Befragten keine Nachhaltigkeitsstrategie für ihr Unternehmen festgelegt. Ein Viertel der befragten Unternehmen hat eine Nachhaltigkeitsstrategie, die allerdings parallel zur Geschäftsstrategie läuft. Erfreulicherweise ist bei 45 Prozent der Unternehmen die Nachhaltigkeitsstrategie bereits integraler Bestandteil der Geschäftsstrategie. «Wir sehen, dass sich viele Unternehmen mitten im Transformationsprozess befinden. Das ist ein gutes Zeichen. Aber es gibt auch noch viel zu tun.», so Prof. Dr. Brian Rüeger, Leiter des Instituts für Marketing Management der ZHAW.

Klassische Unternehmensziele und Nachhaltigkeitsziele im Zielkonflikt

Der Grossteil der Unternehmen (85 Prozent) hat Nachhaltigkeitsziele definiert, jedoch sind diese nur bei 38 Prozent der Unternehmen auch in der Geschäftsstrategie verankert. Für viele Unternehmen dienen Nachhaltigkeitsziele nur als Orientierung oder sind nicht mit den unternehmerischen Zielen vereinbar. Diese Problematik wird noch deutlicher, wenn es um die Kontrolle der erreichten Ziele geht. «Viele Unternehmen tun sich noch schwer damit, den Erfolg ihrer Nachhaltigkeitsbemühungen zu messen und diese Zahlen auch in zukünftige Entscheidungen einfliessen zu lassen. In 66 Prozent der Fälle hat das Erreichen oder Nicht-Erreichen der Ziele keinerlei Konsequenz, was im Fall von Zielkonflikten besonders problematisch sein kann.», sagt Dr. Pia Furchheim, Co-Leiterin des Sustainability Labs am Institut für Marketing Management.

Sind die Nachhaltigkeitsziele (z.B. ESG oder SDG) in Ihrer Unternehmensstrategie verankert? (Grafik: ZHAW)

Die Kundschaft als grösster Treiber und gleichzeitig grösste Barriere von Nachhaltigkeit

Eine spannende Erkenntnis sei aus Sicht der Studienautor:innen das Spannungsfeld, in dem sich Unternehmen heutzutage befinden. So würden Anforderungen und Erwartungen der Kundschaft zu den stärksten Treibern hinter Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen gelten. Gleichzeitig sehen mehr als 60 Prozent der Unternehmen die Kundinnen und Kunden auch als grösste Barriere für Nachhaltigkeit. Es zeigte sich, dass die Kundschaft noch zu wenig für Nachhaltigkeit sensibilisiert und in der Regel nicht bereit ist, die Mehrkosten für nachhaltige Alternativen zu tragen. Für Dr. Pia Furchheim handelt es sich dabei um «eine Pattsituation zwischen Unternehmen und Kundschaft: Beide Seiten wollen nachhaltiger sein, scheitern aber am Entgegenkommen des jeweils anderen».

Nachhaltigkeitskommunikation mit angezogener Handbremse

Obwohl viele Unternehmen bereits erste Meilensteine erreicht haben, wird nur ein Bruchteil davon an die Öffentlichkeit kommuniziert. Einerseits möchten Unternehmen als nachhaltig wahrgenommen werden, andererseits hängt die Angst vor «Greenwashing»-Vorwürfen wie ein Damoklesschwert über den Unternehmen. Als Folge verschweigen viele Unternehmen ihre Erfolge und Massnahmen in Bezug auf Nachhaltigkeit – ein Vorgehen, das auch als «Greenhushing» bezeichnet wird. «Problematisch an dieser Vorgehensweise ist, dass Unternehmen ungenutztes Potenzial verschenken. Ausserdem werden dadurch Sensibilisierungs- und Transformationsprozesse branchenweit verlangsamt. Wenn jeder nur für sich im Stillen arbeitet, wie können wir dann voneinander lernen?», so Prof. Dr. Brian Rüeger.

Nachhaltigkeitsbemühungen und öffentliche Nachhaltigkeitskommunikation. (Grafik: ZHAW)

Die Glaubwürdigkeit von Nachhaltigkeitsbemühungen hängt von unterschiedlichen Faktoren ab. An oberster Stelle steht die Kongruenz zwischen unternehmerischem Handeln und Kommunikation. Nachhaltigkeit sollte nicht nur ein Lippenbekenntnis sein. Ein Must-Have ist die Belegbarkeit der gemachten Aussagen. Zudem sei es wichtig, dass Nachhaltigkeit von Mitarbeitenden gelebt und nach aussen getragen wird. Nachhaltigkeit ist kein einmaliges Projekt, sondern ein kontinuierlicher Prozess, der ständiger Anpassungen und Überprüfungen bedarf. Die interne und externe Kommunikation sollte kontinuierlich und transparent erfolgen, auch Misserfolge und Rückschläge dürfen kommuniziert werden.

Von «low-hanging fruits» zur langfristigen Vision

Auf dem Weg zur Nachhaltigkeit starten die meisten Unternehmen mit den «low-hanging fruits», also in der Regel schnell umsetzbaren Massnahmen. So ergreifen 45 Prozent der befragten Unternehmen Massnahmen im Bereich der Infrastruktur und des Mobiliars (z.B. Umstellung auf Energieeffizienz), während 43 Prozent Massnahmen im Bereich Human Resources (z.B. Lohngleichheit) unternehmen. Komplexere Massnahmen, die sich weg von einer linearen Wirtschaft hin zur Kreislaufwirtschaft bewegen (z.B. neue Geschäftsmodelle wie Product as a Service, Circular by Design, Reverse Logistics etc.), stecken noch in den Kinderschuhen. «Die Zukunft liegt in der Kreislaufwirtschaft. Auch wenn die Umstellung auf Nachhaltigkeit herausfordern klingt, sollten Unternehmen den Weg nicht scheuen und frühzeitig die notwendigen Weichen stellen. Nachhaltigkeit muss langfristig in der Unternehmensstrategie und -kultur verankert sein.», so das Fazit zur Studie von Dr. Pia Furchheim.

Quelle: ZHAW

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