COP27 – Mind the gap!
In wenigen Tagen findet die 27. Konferenz der UNO zum Klimawandel in Sharm-el-Sheikh, Ägypten, statt. Die COP27 gilt als die "Umsetzungs-COP", doch angesichts der Aufmerksamkeit, die das derzeitige globale wirtschaftliche und politische Umfeld auf sich zieht, ist es derzeit unwahrscheinlich, dass die kritischen Lücken zwischen Versprechen und glaubwürdigen Massnahmen geschlossen werden. Eva Cairns, Head of Sustainability Insights & Climate Strategy und Jeremy Lawson, Chefökonom & Head of Research Institute bei abrdn geben eine Einschätzung.
Die COP26 war geprägt von einer Reihe von Zusagen, die das globale Netto-Null-Ziel für 2050 in Reichweite halten sollen. Die COP27 ist entscheidend, um sicherzustellen, dass diese Zusagen aktualisiert und in glaubwürdige Massnahmen umgesetzt werden, um den Temperaturanstieg bis zum Ende des Jahrhunderts auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen. Mit jedem Jahr, in dem die Zusagen und Massnahmen hinter dem Notwendigen zurückbleiben, vergrössert sich die Kluft, und das Erreichen der Ziele von Paris wird unwahrscheinlicher. Für Investoren ist es von entscheidender Bedeutung, dass die politischen Entscheidungsträger die richtigen Signale und Anreize setzen, um eine Kapitalallokation im Einklang mit dem Netto-Null-Ziel zu ermöglichen. Auf der COP27 muss auch eine Einigung darüber erzielt werden, wer für die Verluste und Schäden aufkommt, die durch die physischen Klimaauswirkungen verursacht werden, die heute auf der ganzen Welt grassieren. Dazu gehören Dürren, Hitzewellen und Überschwemmungen, von denen oft die am stärksten gefährdeten Entwicklungsländer auf tragische Weise betroffen sind.
Fortschritte seit der COP26
Bei der Umsetzung der auf der COP26 gemachten Zusagen und Versprechen sind kaum Fortschritte zu verzeichnen. Viele der Zusagen können nur als „Pläne für Pläne“ bezeichnet werden:
- Die Industrieländer haben weder ihre Zusagen für 2030 ausreichend aktualisiert, noch haben sie die Klimafinanzierung für den globalen Süden aufgestockt;
- Es gibt immer noch keine ausreichenden Angaben darüber, wie die Zusagen erreicht oder finanziert werden sollen, und zu viel Vertrauen in noch nicht entwickelte Technologien;
- Die Bepreisung von Kohlenstoff ist nach wie vor eine Seltenheit und deckt etwa 20 % der weltweiten Emissionen ab. Wo es sie gibt, sind sie oft viel zu niedrig, um Anreize zur Dekarbonisierung zu schaffen;
- Klimamassnahmen wurden aufgrund des grossen globalen Drucks – Ukraine-Krieg, Lebenshaltungskostenkrise und Rezession – auf die lange Bank geschoben.
- Gleichzeitig sind weltweit noch nie dagewesene Klimagefahren aufgetreten.
Wie sieht Erfolg an der COP27 aus?
Hervorzuheben sind vier miteinander verbundene Lücken, die auf der COP27 angegangen werden müssen:
Die Ambitionslücke schliessen: Fast ein Jahr nach Glasgow und den Nationally Determined Contributions (NDCs) der Länder wird die Erwärmung laut Climate Action Tracker immer noch nur auf 2,4°C begrenzt. Mit Ausnahme von Indien und Australien haben nur wenige Länder ihre NDCs sinnvoll aktualisiert. Nichts Geringeres als NDCs, die 1,8°C erreichen, vorzugsweise sogar weniger, wäre nötig, um die Ambitionslücke ausreichend zu verringern und als Erfolg zu werten.
Die Glaubwürdigkeitslücke schliessen: Die Glaubwürdigkeitslücke zwischen Zusagen und verbindlichen Massnahmen schafft keine Anreize für die Dekarbonisierung von Unternehmen und für Investitionen. Über 90 % des BIP werden durch Netto-Null-Ziele und 83 % der Emissionen abgedeckt, aber die Realität sieht ganz anders aus:
- Die Emissionen nehmen weiter zu und stiegen im Jahr 2021 um 6 %;
- Die Entwaldung im Amazonasgebiet erreichte 2022 ein Rekordniveau; und
- Subventionen für fossile Brennstoffe belaufen sich laut einem UN-Bericht aus dem Jahr 2021 auf 420 Mrd. Dollar.
Ein mehrstufiger globaler Kohlenstoffpreismechanismus wäre ideal, um die Lücke zu schliessen, aber wir bezweifeln, dass man sich darauf einigen kann, insbesondere wenn die geopolitischen Spannungen zwischen den grössten Emittenten der Welt so gross sind. Ein realistischeres Ziel für die COP27 wären detaillierte Angaben darüber, wie die NDCs realistischerweise erreicht werden sollen, begleitet von glaubwürdigen nationalen Massnahmen.
Die Gerechtigkeitslücke schliessen: Der Kern der Klimagerechtigkeitslücke ist die Tatsache, dass diejenigen, die am wenigsten zu den globalen Emissionen beigetragen haben, vor allem im globalen Süden, oft am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind. Die Industrieländer haben den Entwicklungsländern bis 2020 eine Klimafinanzierung in Höhe von 100 Milliarden Dollar pro Jahr versprochen – diese Zusage wurde bisher nicht eingehalten. Die Industrieländer müssen mehr Verantwortung übernehmen und die notwendige Klimafinanzierung bereitstellen, um diese Lücke auf der COP27 zu schliessen, einschliesslich:
- Eine verbindliche Verpflichtung zur Klimafinanzierung, die sich ab 2023 auf mindestens 100 Mrd. USD beläuft
- Eine spezielle Fazilität zur Finanzierung von Verlusten und Schäden zur Unterstützung der am meisten gefährdeten Länder
Die Anpassungslücke schliessen: Die Verluste und Schäden aufgrund der Klimaauswirkungen, die bereits auf der ganzen Welt zu spüren sind, unterstreichen die Notwendigkeit, die Finanzierung auf die Schliessung der Anpassungslücke auszurichten, um sich gegen die physischen Auswirkungen des Klimawandels zu schützen. Selbst wenn die globale Erwärmung auf unter 2°C begrenzt werden kann, ist es zu spät, sich allein auf die Eindämmung des Klimawandels zu konzentrieren. Eine verbindliche Verpflichtung zur Erhöhung der Anpassungsfinanzierung würde die notwendigen Anreize schaffen, damit auch private Finanzmittel in Anpassungsprojekte fliessen.
Wie wahrscheinlich ist es, dass diese Lücken geschlossen werden?
Leider sind die Hoffnungen gering. Nur wenige Länder scheinen bereit zu sein, ihre Verpflichtungen zu erhöhen, und die internationale Zusammenarbeit wird angesichts des derzeitigen globalen wirtschaftlichen und politischen Umfelds schwieriger zu vereinbaren sein. Es wird also wahrscheinlich ein weiterer Aufruf zum Handeln sein, aber wahrscheinlich ein schwacher Aufruf mit zu wenig Zuckerbrot und Peitsche, um ein positives Ergebnis zu gewährleisten. Während man sich vielleicht sträubt, offiziell anzuerkennen, dass eine Angleichung auf 1,5°C nun unerreichbar ist, werden die Kommentare nach der Konferenz wahrscheinlich von der Grösse der Lücke zwischen dem, was nötig ist, und dem, was getan wird, dominiert werden. Dies wird eine Debatte über die Auswirkungen auf die Klimaverpflichtungen und die noch grössere Bedeutung der Anpassungsfinanzierung auslösen.
Autorin und Autor:
Eva Cairns ist Head of Sustainability Insights & Climate Strategy bei abrdn, einer global tätigen Investment-Firma mit einem Schwerpunkt auf ESG-Aspekte. Jeremy Lawson ist Chefökonom & Head of Research Institute von abrdn.