Business Day Swissmechanic 2022: Lösungswege gefragt, nicht Schlagwörter

Erwartet uns im Winter eine Mangellage? Droht ein Blackout? Brechen astronomische Energiepreise unseren KMU das Genick und leiten eine Rezession ein? Wie bereitet sich die Schweiz vor? Die Unsicherheit ist gross, die Fragen zahlreich.

Thierry Burkart im Polit-Talk mit Claudia Steinmann am Swissmechanic Business Day: «Ihr Swissmechaniker seid systemrelevant, Ihr seid too many to fail!» (Bild: Swissmechanic)

Swissmechanic, der Arbeitgeberverband der KMU in der Maschinen-, Elektro- und Metall-Industrie, ging am 6. September am traditionellen Business Day vertieft aufs topaktuelle Thema «ENERGIE – Geht der Schweiz der Strom aus?» ein. Hochkarätige Fachleute – erfahrene Koryphäen auf ihrem Gebiet – nahmen das Thema Energie und Umwelt aus ihrem ganz spezifischen Blickwinkel unter die Lupe. «Im Moment überhäufen sich Politik, Parteien und Verbände mit Vorwürfen, Schuldzuweisungen und wilden Forderungen. Es wird heiss gestritten, wer zu opportunistisch oder allzu leichtfertig gewesen ist und wem der Sündenbock zugewiesen werden kann. Wir brauchen jetzt aber keine Schlagwörter, die zwar ein mediales Echo auslösen, aber kaum Wissen vermitteln und kaum Lösungswege aufzeigen. Wir brauchen klare Fakten, damit wir Lösungen finden, die in der Realität funktionieren», monierte Jürg Marti, Direktor von Swissmechanic, in seiner Begrüssungsrede.

Kritik an Europas Klimapolitik

Nationalökonom und Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Hans-Werner Sinn, einer der wichtigsten Köpfe Deutschlands und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, referierte über das Klimaproblem und die Schweizer Energiewende. Sein Fazit: «Das Klima kann man nicht schützen, ohne bindende weltweite Abkommen zu schliessen und zu kontrollieren. Europas Unilateralismus bei der Klimapolitik wird die Wettbewerbsfähigkeit seiner Industrien unterminieren, den wirtschaftlichen Niedergang einleiten und andere Länder abhalten, dem europäischen, speziell dem deutschen Weg zu folgen.»

Prof. Dr. Hans-Werner Sinn: «Das Klima kann man nicht schützen, ohne bindende weltweite Abkommen zu schliessen und zu kontrollieren.» (Bild: Swissmechanic)

Was im Krisenfall geschehen soll

Werner Meier, diplomierter Elektroingenieur ETH, schon für mehrere Unternehmungen im Energiebereich tätig und seit 2016 Delegierter für wirtschaftliche Landesversorgung, erläuterte, bei welchen Gefährdungen und auf welche Weise die wirtschaftliche Landesversorgung einschreitet.

Dr. Suzanne Thoma, diplomierte Chemieingenieurin (ETH Zürich), Doktorin der technischen Wissenschaften, Verwaltungsratspräsidentin der Sulzer AG und zuvor neun Jahre CEO der BKW AG mahnte: Die Energieversorgung der Schweiz sei zu mehr als 60 Prozent vom Ausland abhängig (Erdöl und Gas), die Abkehr von fossilen Energieträgern führe zu weiterem Bedarf an Elektrizität. Jederzeit genügend Strom über den Tagesverlauf benötige weitere Stromquellen bzw. Stromimport. Zeitweise bestünden bis zu 7 GW Unterdeckung. Thoma sprach von einem «Trilemma» der Schweizer Strompolitik. Diese habe drei Hauptprobleme: einen limitierten Import (stark reduzierte Kapazität Frankreichs, Gasmangel für deutsche Gaskraftwerke, kein EU-Stromabkommen), den steigenden Stromverbrauch und begrenzte Ausbaumöglichkeiten. Ein massiver Ausbau der Solarenergie löse das Problem nicht genügend. Steuerbare Gaskraftwerke als Übergangslösung seien ein «must». Man müsse Investitionsanreize setzen, die Blockade-Mentalität für Ausbauprojekte überwinden und die Situation mit Europa klären, denn Energie sei sicherheitsrelevant. «Den Fünfer und das Weggli gibt es mit keiner Energiestrategie», erklärte Thoma in der Diskussionsrunde.

Polit-Talk am Business Day von Swissmechanic

Die Sichtweise einer liberalen Energiepolitik vertrat Thierry Burkart, Rechtsanwalt und Parteipräsident der FDP, an einem Polit-Talk mit Moderatorin Claudia Steinmann, Chefredaktorin von Tele Z. Im Hinblick auf einen allfälligen Ausstieg aus der Atomenergie propagierte Burkart ein sequenzielles Vorgehen: zuerst die Gewährleistung der kurzfristigen Stromversorgungssicherheit, mittelfristig eine Dekarbonisierung und erst langfristig die Atomenergie-Diskussion. Weiter gab Burkart zu bedenken, dass die Schweiz ihre eigenen Hausaufgaben erledigen müsse, im Sinn einer vollständigen Liberalisierung des Strommarktes, bevor an ein Stromabkommen mit der EU zu denken sei. Burkart schloss die anschliessende Diskussion mit dem Swissmechanic-Publikum mit der Aussage: «Ihr seid systemrelevant, Ihr seid too many to fail!»

Sichere moderne Kernkraftwerke

Dr. Marc Kenzelmann, seit 2020 Direktor des Eidgenössischen Nuklearsicherheitsinspektorats (ENSI), stellte den Anwesenden die Kernkraftwerke der aktuell vier Generationen und ihre Sicherheitssysteme vor. Während bei Kraftwerken der aktuell vorherrschenden Generation zwei (bei 500 Reaktoren weltweit) ein schwerer Unfall statistisch alle 200 bis 2’000 Jahre eintritt, sind Reaktoren der Generation drei vor allem dank passiver Sicherheitssysteme zehnmal sicherer (ein schwerer Unfall alle 20’000 Jahre). Angesprochen auf die Strahlenbelastung, erklärte Kenzelmann als Walliser, dass die natürliche Strahlung in seinem Heimatkanton gleich hoch sei wie die aktuelle Strahlenbelastung in heute noch gesperrten Gebieten um Fukushima.

Internationale Abstimmung fehlt

Daniel Büchel, Vizedirektor des Bundesamtes für Energie (BFE) und Programmleiter von EnergieSchweiz, gab einen Überblick über die aktuelle Energiesituation und kurz- und längerfristige Massnahmen für die Bewältigung einer Strom- und Gasmangellage. Die Herausforderung in Europa sei, so Büchel, dass sich zwar alle Länder gleichzeitig in der Energiewende befinden, aber sich dabei untereinander nicht abstimmen. Abschliessend ging Büchel auf Energiethemen ein, die KMU der MEM-Branche betreffen, und zeigte auf, in welchen Bereichen der Bund die Betriebe bei der Umsetzung von Energiesparmassnahmen unterstützt.

Umrahmt wurde der Business Day von zahlreichen Ausstellern, die ihre neuesten Entwicklungen präsentierten, vorab zum Thema Energie. Die anwesenden Unternehmer nutzten die Gelegenheit, sich untereinander auszutauschen und den Referenten kritische Fragen zu stellen.

Quelle und weitere Informationen: Swissmechanic

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