ESG-Standards fehlen in vielen Unternehmen
Unternehmen weltweit engagieren sich für Nachhaltigkeit und halten das Thema für überlebenswichtig. Es mangelt aber an einheitlichen Standards und Methoden, um ihre Bemühungen messen und mit anderen vergleichen zu können.
Das Beratungsunternehmen Egon Zehnder hat eine Studie veröffentlicht, welche die Präsenz von ESG-Themen in Unternehmen untersucht hat. Dabei ging es auch um die Frage nach ESG-Standards. Zu diesem Zweck wurden 329 Führungskräfte in 53 Ländern interviewt. Unter anderem ging es um die Ziele, die sich die Unternehmen und Organisationen in den Bereichen Umwelt, Soziales und Governance selbst gesetzt haben (environmental, social, governance, kurz ESG), und um Massnahmen, die sie gesamtgesellschaftlich für wesentlich halten. Ausserdem wollte Egon Zehnder wissen, welchen Herausforderungen Führungskräfte beim Thema Nachhaltigkeit gegenüberstehen und welche Rollen CEOs, andere Führungspersönlichkeiten sowie Führungsteams bei der Umsetzung einer Nachhaltigkeitsagenda spielen. Die Studie entstand in Kooperation mit Sustainable Views, einem Newsletter der Financial Times.
CEOs überdenken ihre Rolle
Zwei Veränderungen prägen dabei die Unternehmenskultur: wachsende Anforderung an Gleichberechtigung am Arbeitsplatz und die Forderung nach flexibleren, hybriden Arbeitsformen. CEOs auf der ganzen Welt überdenken daher ihre Rolle. Wie wollen sie künftig mit ihren Teams zusammenarbeiten? Auf welche Weise wollen sie das Unternehmen – und sich selbst – weiterentwickeln? Wie stellen sie das Unternehmen auch langfristig zukunftsfähig auf? Im aktuellen komplexen Geschäftsumfeld ist es für CEOs entscheidend, ihrer eigenen Entwicklung Priorität einzuräumen und zugleich zu lernen, die Potenziale ihrer eigenen Organisation besser zu nutzen.
C-Level zeigt sich für die Nachhaltigkeitsagenda verantwortlich
Wer ist in Unternehmen überhaupt für ESG-Standards zuständig? Die meisten der Befragten (68 %) geben an, dass eine einzelne Person für die Nachhaltigkeitsagenda in ihrem Unternehmen verantwortlich ist. 66 Prozent von ihnen sagen, dass es der CEO ist, während 9 Prozent sagen, dass es der Chief Sustainability Officer ist. Etwa 27 Prozent der Befragten gaben an, dass die Verantwortung vom Top-Team getragen wird: C-Suite oder Vorstand, während 3 Prozent die Verantwortung auf alle Mitarbeiter des Unternehmens übertragen. Auf der Ebene der Unternehmensführung sind 82 Prozent der Meinung, dass ihre Vorstände gut gerüstet sind, um die Bedrohungen und Chancen der Nachhaltigkeit zu überwachen, aber es gibt Bedenken hinsichtlich der Bereitschaft, widersprüchlicher Prioritäten und des Mangels an ausreichenden oder ausreichend guten Daten, um Fortschritte zu erzielen.
Auf dem Weg zu einer neuen Unternehmenskultur
Ein weiterer Befund der Studie: Um ein nachhaltigeres Unternehmen zu werden, müssen sich die derzeitige Kultur und die Zielsetzung möglicherweise ändern. Mehr als die Hälfte der Befragten (56 %) gibt denn auch an, dass ihre Unternehmen ihre kollektive Denkweise ändern müssen, um ihre Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Die Erkenntnis, dass ein Umdenken notwendig ist, ist entscheidend, aber die eigentliche Herausforderung besteht darin, Nachhaltigkeit im Kern des Unternehmens zu verankern. Das bedeutet für viele eine grosse Abkehr von traditionellen Geschäftsmodellen. Einige Unternehmen sind bereits auf diesem Weg: Ganze 37 Prozent der Befragten bezeichnen den Nachhaltigkeitsansatz ihres Unternehmens als „transformativ“, während die nächstgrößere Gruppe (27 %) ihn als „innovativ“ bezeichnet.
Thema auf der Agenda, aber es fehlen einheitliche ESG-Standards
Weiter stellen die Studienautoren fest, dass das Fehlen allgemeingültiger Massstäbe für die meisten Unternehmen eine ständige Herausforderung sei. Nicht alle Unternehmen definieren Nachhaltigkeit mit den gleichen Begriffen, und sie verwenden oft unterschiedliche Rahmen und Systeme, um Fortschritte zu messen. Aber selbst für Unternehmen, die Nachhaltigkeit in ihrem Kerngeschäft verankert haben, stellt sich die Frage nach messbaren ESG-Standards zur Eruierung von Fortschritten. Die Verpflichtung zu spezifischen ESG-Zielen ist eine häufig eingesetzte Möglichkeit der Messung: Etwa 86 Prozent der Unternehmen, die an dieser Umfrage teilgenommen haben, haben sich zu ESG-Zielen verpflichtet. Jene Befragten, die dies noch nicht getan haben, gaben an, dass sie dabei sind, dies zu tun. Dieses hohe Mass an Engagement wird als ein deutliches Zeichen dafür gewertet, dass das Thema Nachhaltigkeit an Dynamik gewinnt. Es bleibe aber noch viel zu tun, um wirksame Massnahmen zu ergreifen.
Ein CSO sollte kein „nice to have“ mehr sein
Während die meisten Befragten der Meinung sind, dass die Nachhaltigkeitsagenda in den Händen der CEOs liegt, sind 60 Prozent der Meinung, dass CSOs sie anführen. Die Studie fand auch heraus, dass es für die meisten Befragten eine Herausforderung ist, Nachhaltigkeit mit der allgemeinen Geschäftsstrategie zu verbinden, und dass CSOs oft das fehlende Bindeglied für Organisationen sind, wenn es darum geht, Geschäfts- und Nachhaltigkeitsziele zu verknüpfen. Für sie gibt es vier vorrangige Bereiche, die in den nächsten 12 Monaten angegangen werden sollten: Anreizstrukturen und -kultur, mehr Ressourcen für die Personal- und Berufsentwicklung, Kohlendioxidemissionen und internes Bewusstsein für die Arbeit sowie Ausrichtung auf dieselben Ziele und verstärkte Zusammenarbeit.
Vom „Engagement im Ungefähren“ zu einheitlichen ESG-Standards
In der Studie werden auch Einblicke von Vordenkern aus verschiedenen Branchen zur Rolle der Führung bei der Förderung der Nachhaltigkeit, zu Herausforderungen, Strategien, Erfolgsgeschichten und Erfahrungen gegeben. Die Umfrage zeigt, dass die Förderung einer Nachhaltigkeitsagenda ein erreichbares Ziel ist. Letztlich gehe es um Konsequenz und Beharrlichkeit, so die Autorinnen der Studie. Die Studie zeige, so Elena Rittstieg, von Egon Zehnder Schweiz, dass das Engagement für Nachhaltigkeit einer entschiedenen Führung, einer klaren Vision und einer soliden, in die übergreifende Geschäftsstrategie eingebetteten Strategie bedürfe. Es gehe darum, Versprechen einzulösen, die man sich selbst, dem Verwaltungsrat, den Investorinnen und Investoren, den Mitarbeitenden und Stakeholdern ausserhalb des Unternehmens gebe. Dazu seien Führungskräfte gefragt, die das Thema Nachhaltigkeit wahrhaft verinnerlichen.
Für Interessierte ist die Studie hier einsehbar: https://www.egonzehnder.com/sustainability-survey