Wohnungen mit der Abwärme des Rechenzentrums heizen

Rechenzentren benötigen viel Energie für die Kühlung der Serverräume. Nur gut, dass ab und zu die Abwärme genutzt wird, wie im Falle des Datacenters Zürich 3 in Rümlang. Es geht im nächsten Jahr in Betrieb und versorgt ab 2024 den neuen Energieverbund Airport City.

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Hans Jörg Denzler: «Wir Betreiber von Hochleistungsrechenzentren substituieren Rechenleistung vieler Unternehmen, die mit einem schlechten PUE-Wert arbeiten.» Foto: R. Strässle

Die Interxion betreibt in Europa über 100 Rechenzentren. Können Sie etwas zum Energiekonzept sagen?

Hans Jörg Denzler, Managing Director, Interxion (Schweiz) GmbH: In der Europäischen Union laufen relativ viele Initiativen, um die Datacenter zu optimieren. Wir betreiben unsere Rechenzentren in Europa vollumfänglich mit erneuerbarer Energie, in der Schweiz seit dem Jahr 2011 mit solcher aus Wasserkraft. Hochleistungsrechenzentren bringen sehr viel Leistung auf engstem Raum und sind konstant in Betrieb. Deshalb kann man sie sehr effizient betreiben.

Von welchem PUE-Wert (Power Usage Effectiveness) sprechen wir da?

Kleine Rechenzentren von einzelnen Firmen weisen einen schlechten PUE-Wert von meist 2 und mehr auf. Unser neues Rechenzentrum in Rümlang, das 2022 in Betrieb geht, wird einen Wert von rund 1,25 aufweisen; je tiefer der Wert, desto besser.

Das sich im Bau befindende Rechenzentrum Zürich 3 ist mit 24 Megawatt Kapazität und über 11’000 m² Fläche ihr grösstes. Wie sieht das Energiekonzept aus?

Vom Grundsatz her sehen unsere Konzepte immer ähnlich aus, doch wir optimieren stetig. Zürich 1 und Zürich 2 sind komplett verschieden, da 20 Jahre dazwischen liegen: Das Konzept der Stromeinspeisung ist sehr unterschiedlich, auch dasjenige der Kühlung. Zürich 2 und Zürich 3 sind praktisch gleich – ausser dass wir in Zukunft die Abwärme verwerten können. Dies ist der Vorteil von grossen Datacentern, da man die Abwärme bündeln und wie im vorliegenden Fall in die Fernwärme einspeisen kann (vgl. Box unten).

Der Energiedienstleister EBL tätigt die Investitionen und wird den Energieverbund Airport City betreiben. Sie tragen kein unternehmerisches Risiko, verdienen aber daran.

Nein, daran verdienen wir nichts, denn wir geben die Wärme gratis ab. Die einzige Entschädigung erhalten wir in Form von gekühltem Wasser zwecks Kühlung unseres Systems. Wie gesagt, wir wollen möglichst umweltfreundlich wirtschaften, denn unsere Kunden wünschen das so. Nachhaltigkeit und Klimamanagement wird ein immer wichtigeres Thema. Ich möchte noch Folgendes ergänzen: Unser neues Hochleistungsrechenzentrum wird eine Leistung von 24 MW haben. Uns ärgert, dass jeweils die Rede von «Stromfressern» ist. Bei uns sind und werden sich viele Cloud-Anbieter einmieten. Das heisst, deren Kunden wiederum sind Firmen, die ihre teilweise ineffiziente IT-Infrastruktur zurückfahren, weil sie ihre Daten in die Cloud auslagern.
Internationale Studien belegen dies auch: Die Rechenleistung nimmt zwar stark zu, doch der Strombedarf dafür bleibt insgesamt stabil. Wir Betreiber von Hochleistungsrechenzentren substituieren also nur Rechenleistung vieler Unternehmen,
die mit einem schlechten PUE-Wert arbeiten.

Kommen beim neuen Rechenzentrum Solarzellen zum Zug?

Das würden wir gerne, doch die Dächer sind jeweils voll mit den Rückkühlungsanlagen. Da ist also kein Platz vorhanden – leider. Solarzellen wären ideal, da sie Energie bringen, wenn wir viel Leistung benötigen, also auch im Sommer zur Kühlung der Serverräume. Wir haben auch das Thema Solarfassaden geprüft, doch die Effizienz ist zu tief. Wie sieht es mit der Kühltechnik aus? Die Kühlung der Serverräume schlägt massgeblich auf den PUE-Wert. Deshalb versuchen wir, die Rechenzentren effizient zu betreiben. Wasserkühlung wäre das ideale Konzept, doch das liess sich mangels Fluss oder See an unserem Standort nicht umsetzen.

Wir arbeiten mit sogenanntem Free Cooling: Die Serverkühlung allein mit der Aussenluft funktioniert heutzutage auch noch bei etwa 18 Grad Celsius. Wir decken somit rund 70 Prozent auf diese Weise ab. Für den restlichen Teil kommt das energieintensive, aber inzwischen mit umweltfreundlichem Kältemittel betriebene Kühlungssystem zum Einsatz. Doch sobald das Fernwärmenetz des Energieverbunds Airport City 2024 in Betrieb geht, wird uns der Energiedienstleister EBL via Fernwärmeprozess gekühltes Wasser zur Verfügung stellen. Das gestaltet unsere Kühlung nochmals umweltfreundlicher.

EBL sichert seinen Wärmeabnehmern durch langjährige Verträge Fernwärme zu. Was, wenn die Interxion aus irgendwelchen Gründen den Rechenzentrumsstandort in ein paar Jahren schliesst? Wird es dann in den ans Fernwärmenetz angeschlossenen Häusern kalt?

Wir sind zwar die Einzigen, die das Fernwärmenetz speisen. Doch wir investieren einen dreistelligen Millionenbetrag in Zürich 3. Wer so viel Geld in ein Rechenzentrum steckt, schreibt es nicht in zehn Jahren ab. Wir bleiben also lange an diesem Standort; das ist der EBL gegenüber vertraglich zugesichert. Wird das Rechenzentrum nach ISO 14001 zertifiziert? Wir überlegen uns das. Aber wie gesagt, unabhängig davon setzen wir auf umweltfreundliches Wirtschaften. Mittel- bis langfristig werden die Vorschriften strenger, dem greifen wir möglichst vor. Dass mit unserer ins Fernwärmenetz eingespeisten Abwärme rund 15’000 Tonnen CO2 pro Jahr eingespart werden können, zeigt, dass wir auf dem richtigen «Klimaweg» sind.

 

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Schema des Energieverbundes, der vom Rechenzentrum gespiesen wird. © EBL

Der geplante Energieverbund

Der Energieverbund Airport City wird die Zürcher Flughafengemeinden Opfikon und Teile von Rümlang mit Fernwärme und -kälte versorgen. Gespiesen werden die Netze dereinst allein von der Abwärme des Rechenzentrums Zürich 3 der Interxion (Schweiz) GmbH, das im Laufe des nächsten Jahres den Betrieb aufnimmt und seine Leistung sukzessive erhöht.

Die Abwärme wird in die unterirdische Wärme- und Kältezentrale des Energieverbundes geführt und von dort über die Wärme- und Kältenetze in die angeschlossenen Liegenschaften verteilt. Geplant ist, dass der Energieverbund 2024 startbereit ist. Die Abwärme des Rechenzentrums stehe als Energiequelle ganzjährig und stabil zur Verfügung, betont die EBL als Betreiberin des Energieverbundes. Es sei so viel Abwärme vorhanden, dass noch deutlich mehr davon anderweitig genutzt werden könnte, so das Energieversorgungsunternehmen.

Die Kälte wird mittels Kältemaschinen erzeugt, deren Abwärme wiederum dem Energieverbund zugutekommt. Liegenschaftseigentümern stellt die EBL also auch regenerative Energie in Form von Kälte zur Verfügung.

Die Kennzahlen zum Energieverbund Airport City
Wärme:
Wärmeleistungsbedarf: 18,5 MW
Wärmeenergiebedarf: 50’600 MWh pro Jahr
Vorlauftemperaturen: 62–80°C
Länge Fernwärmeleitungsnetz: 7,7 km

Kälte:
Kälteleistungsbedarf: 14,8 MW
Kälteenergiebedarf: 33’700 MWh pro Jahr
Vorlauftemperaturen: 10–14°C
Länge Fernkälteleitungsnetz: 3 km

Für weitere Informationen zum Energieverbund Airport City

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