Transformation des Strommarkts: Schweiz nur im Mittelfeld

Die Schweiz erreicht in neuer Studie zur Transformation des Strommarkts im Rahmen der Energiewende nur einen mittleren Platz. Damit der Stromverbrauch bis 2030 ausschliesslich aus erneuerbaren Energien stammt, muss die Flexibilität des Strommarkts durch weitere Energieträger und dezentrale Technologien steigen.

Strommarkt
© Depositphotos, Sergey Nivens

 

Zwar stammt ein beachtlicher Anteil des Stroms in der Schweiz bereits aus erneuerbaren Energien, um dabei aber 100 Prozent zu erreichen, muss sie die Flexibilität des Strommarkts stärker zentral angehen, so das Ergebnis des zweiten Energy Transition Readiness Index (ETRI). Dieser wird von der britischen Association for Renewable Energy and Clean Technology (REA) in Zusammenarbeit mit dem Energiemanagementunternehmen Eaton veröffentlicht und untersucht in zwölf europäischen Ländern, wie weit die Transformation ihres Strommarkts fortgeschritten ist. Die Schweiz erhält auf der Skala von eins bis fünf lediglich eine drei, während die drei nordischen Länder Finnland, Norwegen und Schweden mit einer fünf an der Spitze stehen.

Wasserkraft alleine kann den zusätzlichen Strombedarf nicht decken

Der Report verdeutlicht, dass die Schweiz bereits einen Grossteil ihres Stromverbrauchs (74%) aus erneuerbaren Energien bezieht. Damit erreicht sie hinter Norwegen den prozentual höchsten Anteil, das sogar bereits mehr Strom als benötigt produziert. Zudem setzt die Schweiz stark auf Wasserkraft zur Stromerzeugung und damit auf eine Energiequelle, die im Gegensatz zu Solar- und Windenergie nicht von den Wetterverhältnissen abhängt. Dadurch sind die Elektrizitätssysteme in der Lage, flexibel auf den mitunter minütlich schwankenden Bedarf zu reagieren und jederzeit ausreichend Strom bereitzustellen.

Aufgrund von erschöpften Ressourcen und aus Umweltschutzgründen wird es allerdings schwierig sein, den Anteil des Stroms aus Wasserkraft weiter zu erhöhen, um bis 2030 Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen zu produzieren, wie die Eaton schreibt. Entsprechend müsse der Anteil aus Wind- und Solarenergie steigen, bislang betrage dieser am gesamten Stromverbrauch jedoch lediglich vier Prozent. Um das gesetzte Ziel zu erreichen, müsste die Schweiz daher 15 Terrawattstunden (TWh) zusätzlich aus Solar- und Windenergie gewinnen, was einer Wachstumsrate von 645 Prozent entspricht, wie es ferner heisst.

Konsumenten müssen am Strommarkt teilnehmen können

Die Flexibilität des Strommarkts lässt sich laut Eaton aber auch dadurch steigern, indem Konsumenten mithilfe dezentraler Flexibilitätstechnologien Zugang zu diesem gewährt wird. Smart Meter sei ein entscheidendes Mittel hierfür: Sie würden es ermöglichen, die Stromproduktion aus Behind-the-Meter (BTM)-Energieressourcen wie Solardächern zu überwachen und vereinfachen die genaue Abrechnung der Stromeinnahmen und -kosten. Doch obwohl Smart Meter als Schlüsselkomponente gelten, seien sie noch nicht mal bei einem Fünftel der Bevölkerung (17%) installiert. Von den weiteren untersuchten Ländern weist nur Irland mit vier Prozent einen niedrigeren Wert auf, während Schweden und Spanien sogar bereits alle Haushalte mit Smart Metern ausgestattet haben, wie es gestützt auf die Studie heisst.

Auch Elektroautos können Konsumenten in Zukunft die Möglichkeit bieten, Strom aus ihren Antriebsakkus in das öffentliche Netz einzuspeisen. Das vorhandene Netz sei zwar in der Lage, bidirektionale Stromflüsse zu ermöglichen, aber Konzepte wie Vehicle-to-Grid (V2G) befänden sich noch am Anfang. Darüber hinaus seien bislang nur 0,9 Prozent der in der Schweiz zugelassenen Fahrzeuge elektrisch und unter den Neuzulassungen würden sie lediglich etwa acht Prozent ausmachen.

Die Energiewende verläuft in den Kantonen unterschiedlich schnell

Grundsätzlich sieht die Studie in der Schweiz eine breite gesellschaftliche Unterstützung für die Energiewende. Da Entscheidungen häufig auf Ebene der Kantone getroffen würden, erfolge dieser Prozess bislang von Region zu Region mit unterschiedlicher Geschwindigkeit. Zudem sorge der rasche Wandel der Energiebranche dafür, dass das regulatorische Umfeld derzeit unsicher sei. Ein zentralisierterer Ansatz könnte dagegen zu mehr Stabilität und einer schnelleren Transformation beitragen. Um neue Innovationen zu fördern und neue Flexibilitätsoptionen zu schaffen, sollte die Politik ausserdem darüber nachdenken, Anreize für bestehende und neue Marktteilnehmer zu schaffen, wie betont wird.

„Der Wille zur Energiewende ist in der Schweiz grundsätzlich gegeben, jedoch brauchen wir mehr Flexibilität am Strommarkt, um unsere Ziele erreichen zu können“, erklärt Kimberly Schweizer, Business Development und Marketing Manager bei Eaton in Österreich und der Schweiz. „Wir haben dafür bereits ein gutes Fundament geschaffen, müssen aber jetzt weitere erneuerbare Energieträger ausbauen, weil nur durch Wasserkraft alleine können wir den Bedarf nicht decken. Darüber hinaus werden dezentrale Flexibilitätstechnologien in Zukunft eine wichtige Rolle spielen, um den Strommarkt aus vielen verschiedenen Quellen, auch von der Konsumentenseite, zu bedienen. Damit das gelingt, brauchen wir jedoch klare Vorgaben aus der Politik, die die Energiewende zentral steuern.“

Quelle: Eaton

Über die Studie

Der Energy Transition Readiness Index der Association for Renewable Energy and Clean Technology (REA) aus Grossbritannien in Zusammenarbeit mit Eaton untersucht in zwölf europäischen Ländern (in der ersten Ausgabe noch neun Ländern), inwieweit die Transformation ihres Strommarkts fortgeschritten ist, um ihre Klimaziele bis zum Jahr 2030 zu erreichen. Dabei werden drei Aspekte untersucht: Sozio-politische Faktoren, der Marktzugang sowie Innovationskraft und technologische Faktoren. Die untersuchten Länder sind: Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Grossbritannien, Irland, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Schweiz und Spanien.

Den vollständigen Report finden Sie hier: www.eaton.ch/ETRI

 

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