Wieviel Energieholz liefert der Wald?

Die Eidg. Forschungsanstalt WSL hat eine interaktive Karte zu den ökologisch nachhaltigen Waldenergieholzpotenzialen in den Schweizer Kantonen entwickelt. Damit lässt sich die Verfügbarkeit der heimischen Bioenergie-Ressourcen auch für die Zukunft analysieren.

Energieholz
Wieviel Energieholz lässt sich in den Schweizer Wäldern nachhaltig nutzen? Eine interaktive Online-Karte zeigt es. Foto: Thomas Reich, WSL

Im Zusammenhang mit dem Klimawandel werden Forderungen nach einer intensiveren Bewirtschaftung von Wäldern und einer stärkeren Nutzung von Waldbiomasse laut. Einerseits soll vermehrt Holz anstelle von anderen Bau- und Werkstoffen zum Einsatz kommen, andererseits soll Holz fossile Brennstoffe als Energieträger ersetzen.

Doch wieviel Waldenergieholz steht zur Nutzung überhaupt zur Verfügung?

Eine interaktive Karte der Eidgenössischen Forschungsanstalt WSL gibt darauf Antwort. Sie zeigt die ökologisch nachhaltigen Waldenergieholzpotenziale ESP (vom englischen Ecological Sustainable Potential). Das ESP stellt die obere Grenze der verfügbaren Waldenergieholzmengen dar. Es bezeichnet die Holzmenge, die unter Wahrung ökologischer Aspekte für die energetische Nutzung zur Verfügung steht. Das heisst, Schutzgebiete wie Waldreservate, aber auch Ernteverluste und Totholz sowie das stofflich genutzte Holz wurden zuvor in Abzug gebracht. Unsere Webkarte zeigt nun zeitlich und räumlich aufgelöst, zu welchen Bereitstellungskosten das ESP genutzt werden kann.

Die interaktive Webkarte ermöglicht Abfragen und Vergleiche zum ESP nach drei unterschiedlich intensiven Bewirtschaftungsszenarien:

  1. weiter wie bisher (Vorratsanstieg)
  2. stärkere Nutzung (moderater Vorratsabbau)
  3. viel stärkere Nutzung (starker Vorratsabbau)

Zudem lassen sich folgende Variablen anpassen:

  1. Holzart: Laub- oder Nadelholz
  2. Holzmarktsituation: energieholzfreundlich oder weniger energieholzfreundlich
  3. vier Zeitperioden: 2017-2026, 2027-2036, 2037-2046 oder 2047-2056

Daraus resultieren die potenziellen Energieholzmengen in den Kantonen, aufgeschlüsselt nach sieben Kostenklassen. Die Kosten beinhalten die Prozesse der Holzernte inklusive Hackung und Transport bis zur Energieholzanlage. Zudem können die Potenziale nach Dimensionen der Holzsortimente (Stärkeklassen, R1 bis R6) und nach weiteren Baumkompartimenten (Reisig, Rinde und Restderbholz) abgerufen werden. Die Ergebnisse erscheinen in Form von Histogrammen und als exportierbare Dateien (.csv).

Methodisches

Die Berechnungen basieren auf Daten des Landesforstinventars LFI. Sie folgen einem hierarchischen Ansatz, bei welchem die oben erwähnten Restriktionen (z. B. Schutzgebiete, Ernteverluste, Totholz) nacheinander vom theoretisch nutzbaren Waldenergieholzpotenzial abgezogen werden. Dies ermöglicht die Quantifizierung der Auswirkungen ökologischer und wirtschaftlicher Restriktionen auf die räumliche und zeitliche Verfügbarkeit von Waldenergieholz.

Ausgangspunkt der Berechnungen bildet das theoretische Potenzial (TP), welches die maximale Menge des jährlich nutzbaren Holzes in einer Region bezeichnet. Es umfasst den jährlichen Zuwachs, die Mortalität und – je nach Bewirtschaftungsszenario – die Mengen eines Vorratsabbaus. In der Realität beschränken ökologische und ökonomische Restriktionen die Nutzung des Holzes, weshalb diese bei der Ermittlung seiner Verfügbarkeit zu berücksichtigen sind. Entsprechend leitet sich das ESP vom theoretischen Potenzial durch Subtraktion der nachstehenden Restriktionen ab:

  1. Mortalität, d.h. abgestorbenes Holz (abhängig von der Bewirtschaftung 10-15% des Zuwachses)
  2. Holz aus Naturwaldreservaten, in denen keine Nutzung erfolgt (0,3-25% der Waldfläche pro Region)
  3. Ernteverluste, die aufgrund unvollständiger Nutzung während der Fällung und Verarbeitung sowie des Transports im Wald entstehen (8% des Nadel- und 13% des Laubderbholzes, 50% bzw. 58% des Holzes mit einem Durchmesser kleiner 7 cm)
  4. Anteil des Waldholzes, welcher für wertvollere stoffliche Nutzungen (Bauholz, Möbel, Papier, etc.) verwendet werden kann. Dazu werden zwei Holzmarktsituationen unterschieden:  energieholzfreundlich oder weniger energieholzfreundlich.

Das ESP stellt eine realistischere obere Grenze der Verfügbarkeit des Waldenergieholzes als das TP dar (für detaillierte Informationen zur Berechnung vgl. Thees et al. 2020).

Drei Waldbewirtschaftungsszenarien

Die Behandlung der Waldbestände bestimmt massgeblich die resultierenden Energieholzpotenziale. Die Ergebnisse der Potenzialanalysen basieren auf drei Bewirtschaftungsszenarien, welche unterschiedlich intensive Eingriffe in die Waldbestände abbilden:

  1. Weiter wie bisher: Entspricht einem kontinuierlichen Vorratsanstieg und widerspiegelt die aktuelle Holzernte- und Bewirtschaftungspraxis in der Schweiz, weshalb es als Referenzszenario betrachtet werden kann.
  2. Stärkere Nutzung, die einen moderaten Vorratsabbau darstellt: Die Bewirtschaftung reduziert die Vorräte in den Beständen auf ~300 m3/ha bis 2046 und soll dadurch das Wachstum des Vorrats beschleunigen.
  3. Viel stärkere Nutzung, die einen starken Vorratsabbau auf ~250 m3/ha bis 2046 mit häufigeren Durchforstungen und um 40% kürzere Umtriebszeiten darstellt.

Die drei Szenarien wurden mit dem Simulationsmodell MASSIMO (Stadelmann et al. 2019) berechnet. Dieses Modell simuliert das Wachstum und die Bewirtschaftung des Waldes und basiert auf Daten des Schweizer Landesforstinventars. Die Verknüpfung mit den Holzernteproduktivitätsmodellen HeProMo (Holm et al. 2020) erlaubte es, die zu erwartenden Erntekosten abzuschätzen. Gerechnet wurde für 5086 LFI-Stichprobenparzellen mit produktiven Wäldern, die auf Erhebungen des LFI2 (1983-1985) und des LFI3 (2004-2006) basieren.

Zwei Holzmarktsituationen 

Die Holzmarktsituation entscheidet massgeblich über den Anteil und die Menge des Waldholzes, das energetisch genutzt werden kann. Daher wurden sämtliche Potenziale für zwei Holzmarktsituationen berechnet, eine energieholzfreundliche und eine weniger energieholzfreundliche.

Die energieholzfreundliche Marktsituation entspricht einer vermehrten Nutzung des Holzes für Energie direkt nach der Ernte. Bei der weniger energieholzfreundlichen Holzmarktsituation ist ein grösserer Anteil des Holzes auf eine stoffliche Vornutzung ausgerichtet und steht erst zu einem späteren Zeitpunkt für die energetische Nutzung zur Verfügung. Beide Holzmarktsituationen wurden in Absprache mit den schweizerischen Verbänden der Forst- und Holzwirtschaft definiert.

Resultate und Folgerungen

In den Alpen und Voralpen sowie auf der Alpensüdseite konnten sich in den letzten Jahrzehnten grosse Holzvorräte in den Wäldern aufbauen, weil wesentlich weniger Holz genutzt wurde, als im gleichen Zeitraum zugewachsen ist. Diese hohen Vorräte widerspiegeln die Probleme, Wälder unter schwierigen Gelände- und Erschliessungsbedingungen wirtschaftlich zu nutzen: Oft lohnt es sich in diesen Lagen nicht, das Holz zu ernten.

Dies hat zur Folge, dass die wirtschaftlich verfügbaren Potenziale von Waldenergieholz in den Gebirgsregionen auf weniger als die Hälfte des ökologisch nachhaltigen Potenzials in den Vorratsabbau-Szenarien und auf etwas mehr als die Hälfte im Szenario Vorratsanstieg sinken. Das ESP wird hier also in allen drei Waldbewirtschaftungsszenarien infolge wirtschaftlicher Restriktionen bei weitem nicht genutzt. Im Jura und im Mittelland, wo die Wälder besser zugänglich sind und es sich oft um Laubholzbestände handelt, waren die durch wirtschaftliche Restriktionen bedingten Reduktionen der Waldenergieholzpotenziale deutlich geringer.

Die Ergebnisse zeigen, dass ökologische und ökonomische Restriktionen das Potenzial von Waldenergieholz stark einschränken und nur 20-30% des jährlichen Holzzuwachses langfristig für energetische Zwecke zur Verfügung stehen. Dabei hat die Intensität der Waldbewirtschaftung einen signifikanten Einfluss auf die Mengen der Potenziale. Während das Referenz-Szenario „weiter wie bisher“ die konstanteste Waldenergieholzversorgung über mehrere Jahrzehnte gewährleistet, ergeben beide Szenarien der Vorratsreduktion grössere kumulierte Gesamtpotenziale für die Schweiz. Bei der Variante „moderater Vorratsabbau“ ergibt sich eine Zunahme des ESP um 32%, beim Szenario „starker Vorratsabbau“ steigt es gar um 52%.

Ein weniger energieholzfreundlicher Holzmarkt unterstützt die Kreislaufwirtschaft und Kaskadennutzung des Holzes, sofern die für die Holzverarbeitung notwendigen Industrien vorhanden und die Konzepte der kaskadischen und zirkulären Verwertung umgesetzt sind (Erni et al. 2020).

Wissenschaftlicher Originalartikel: Thees, O., Erni, M., Lemm, R., Stadelmann, G., & Zenner, E. K. (2020). Future potentials of sustainable wood fuel from forests in Switzerland. Biomass and Bioenergy, 141, 105647 (11 pp.). 

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