KVA-Schlacke: optimierte Rückgewinnung von Metallen
Erstmals untersucht eine Studie im Detail das ökologische Potenzial einer optimierten Rückgewinnung von Metallen aus trockener KVA-Schlacke. Die analysierte Aufbereitungsanlage in Hinwil ist ein Pionierprojekt, welches sowohl bei der Quantität als auch Qualität der zurückgewonnenen Metalle neue Massstäbe setzt.
Aus jeder Tonne verbranntem Abfall in der Kehrichtverbrennungsanlage (KVA) entsteht rund 200 Kilogramm fester Rückstand, die Schlacke. Sie besteht zum grössten Teil aus Mineralien, bis zu 20 Prozent davon sind jedoch gut recycelbare und wertvolle Metalle sowie Glas. Dies ist mittlerweile kein Geheimnis mehr: Seit 2013 ist die Schlackenaufbereitung zur Rückgewinnung von Metallen in der Schweiz Pflicht. Es ist jedoch alles andere als trivial, die Metalle in möglichst guter Qualität und grosser Quantität aus der Schlacke zu separieren. Genau dieses Ziel setzt sich die Schlackenaufbereitungsanlage der ZAV Recycling AG am Standort der Kehrichtverwertung Zürcher Oberland (KEZO) in Hinwil. Sie verarbeitet im Vergleich zur herkömmlichen Aufbereitung nass ausgetragener Schlacke ausschliesslich trocken ausgetragene. Doch was bedeutet es für die Umwelt, wenn Metalle aus der KVA-Schlacke in den Kreislauf zurückgebracht werden? Eine Ökobilanzstudie der ETH Zürich hat dies erstmals im Detail untersucht.
Kreislauf statt Deponie
Entscheidend für die Reduktion der Umweltwirkung (Umweltgutschrift) sind zwei Mechanismen: Die Schlackenaufbereitung sorgt einerseits dafür, dass die verbleibende – und deponierte – Restschlacke von Metallen abgereichert ist. Dadurch werden auf lange Sicht weniger Schwermetalle aus der Deponie ins Grundwasser ausgewaschen. Im Artikel sprechen wir dabei von der «Reduktion der Deponieemissionen». Andererseits können durch die zurückgewonnenen Metalle primär produzierte Metalle substituiert werden, im Folgenden als «Substitution von Primärmetallen» bezeichnet. Da die Primärproduktion der Metalle in der Regel mit massiv grösseren Umweltwirkungen verbunden ist, verringert eine solche Substitution die gesamte Umweltbelastung. Voraussetzung dafür ist, dass primäre Metalle und nicht andere sekundäre Metalle substituiert werden, wovon bei der momentanen Lage des Weltmarkts ausgegangen werden kann (IRP 2019).
Die Stoffflüsse erheben
Basis der Ökobilanz sind Stoffflussdaten der Metalle Eisen, Edelstahl, Aluminium, Kupfer, Blei, Silber und Gold. Weitere zurückgewonnene Metalle wie Zink, Zinn oder Palladium wurden aufgrund wenig zuverlässiger Datengrundlage nicht berücksichtigt. Man muss sich bewusst sein: Die Abfallmassenströme, welche eine KVA durchlaufen, sind heterogen und variieren sowohl saisonal als auch zeitlich. Gerade deshalb sind repräsentative Stoffflussdaten für die ökologische Bewertung elementar. Sie wurden in einer Messkampagne im Jahr 2017 mit grosser Repräsentativität und in einem hohen Detaillierungsgrad erhoben:
- Welche Mengen welcher Metalle werden in welcher Qualität zurückgewonnen?
- Welche Primärmetalle ersetzen sie und wie müssen sie dafür aufbereitet werden?
- Welche Auswirkungen hat dies auf die Zusammensetzung der Restschlacke?
Werden die Metallflüsse mit Ökobilanzdaten erweitert, kann die Umweltwirkung der Aufbereitung bewertet werden. Die Datenlage ermöglicht dabei eine fraktionsspezifische Analyse der Metalle, um den Beitrag der einzelnen Metallfraktionen zur Gesamtumweltgutschrift zu quantifizieren. Ebenso konnte die Qualität der einzelnen Fraktionen in Bezug auf die Substitutionswirkung berücksichtigt werden. Je besser die Qualität der in der Schlackenaufbereitung separierten Metallfraktion, desto geringer die weiteren Metallverluste und Aufwände durch nachfolgende Recyclingprozesse – ergo, desto grösser die Umweltgutschrift. Das ökologische Potenzial bedeutet dabei stets die Umweltgutschrift durch die Rückgewinnung der genannten Metalle im Vergleich zum hypothetischen Szenario ohne Metallrückgewinnung, das heisst bei direkter Schlackendeponierung. Als Wirkungskategorien werden neben der Auswirkung auf den Klimawandel (in CO2-eq) auch öko- und humantoxische Wirkungen sowie der Ressourcenverbrauch betrachtet.
Das Potenzial ausschöpfen
Gesamthaft gesehen sorgt die Metallrückgewinnung in Hinwil für eine Umweltgutschrift von rund 780 kg CO2-eq pro Tonne Trockenschlacke. Was heisst das nun genau und wie setzt sich diese zusammen? Zuerst: Im Vergleich zur Substitution von Primärmetallen ist die Reduktion der Deponieemissionen im Falle eines betrachteten Zeithorizonts der Emissionen von 1000 Jahren vernachlässigbar. In diesem Fall trägt die Substitution von Primärmetallen durch die zurückgewonnenen Metalle zwischen 75 und 99 Prozent zur totalen Umweltgutschrift bei, je nach betrachteter Wirkungskategorie. Etwas mehr Licht ins Dunkel bringen die Beiträge der einzelnen Korngrössenfraktionen und Metalle an der Substitutionsgutschrift. Massenmässig dominiert mit einem ersten Magneten abgetrenntes, mehrheitlich grobes Eisen, welches knapp die Hälfte der zurückgewonnenen Metalle ausmacht. Aus ökologischer Perspektive zeigt sich jedoch ein anderes Bild: Die Metallfraktionen im unteren Korngrössenbereich zwischen 0,3 und 12 mm spielen trotz ihres geringen Massenanteils von rund 15 Prozent ökologisch eine zentrale Rolle und tragen je nach Wirkungskategorie zwischen 29 (Klimawandel) und 64 Prozent (Ressourcenverbrauch) zur totalen Umweltgutschrift der Primärmetallsubstitution bei (siehe Abb. 1). Die schweren Nichteisenmetalle (NE-Metalle) Kupfer, Blei, Silber und Gold sind mit besonders hohen Substitutionsgutschriften verbunden, da ihre Primärproduktion speziell hohe Umweltwirkungen verursacht. Aus diesem Grund ist es aus ökologischer Sicht besonders sinnvoll, diese Metalle zurückzugewinnen. Beim Klimawandel kommt Aluminium hinzu, da die primäre Produktion im Vergleich zur Sekundärproduktion gut das Zehnfache an Treibhausgasemissionen verursacht. Da NE-Metalle oft von Sinterschlacke eingeschlossen und im tiefen Korngrössenspektrum unter 12 mm angesiedelt sind, muss die Schlacke auf sehr kleine Korngrössen runtergebrochen werden, um dieses Potenzial ausschöpfen zu können. Würde man also lediglich das Eisen zurückgewinnen, entginge einem zwischen 73 (Klimawandel) und 93 Prozent (Ressourcenverbrauch) des ökologischen Potenzials. (siehe Abb. 1)
Wo liegt das Limit?
In der Messkampagne wurden zusätzlich die Restschlackefraktionen beprobt. Diese beinhaltet neben der Mineralik die sogenannten Restmetalle, welche durch die Aufbereitung nicht entfernt wurden. Metalle, die bei einer Verbesserung des Verfahrens potenziell rückgewinnbar werden. Und das ist das Ziel der Betreiber: «Eine Erhöhung der Wertstoffausbeute der klimarelevanten Metalle um 20 Prozent sollte zu erreichen sein», sagt Daniel Böni, Geschäftsführer der KEZO und der Stiftung ZAR. Die Restmetalle können aufgrund der Daten unterschieden werden in freie und von Sinterschlacke umschlossene Restmetalle. Entsprechend dieser Klassifizierung wurden die theoretischen Limits der Metallrückgewinnung in Hinwil zusätzlich in zwei Schritten untersucht:
- (i) das maximale Potenzial mit der gegenwärtigen Anlagenkonfiguration, indem sämtliche freien Restmetalle zusätzlich zurückgewonnen werden
- (ii) totales Restmetallpotenzial durch komplettes Runterbrechen der Schlacke und komplette Freilegung sämtlicher Metalle
Der zusätzliche Energiebedarf der Aufbereitungsanlage wurde für diese Fälle nicht eruiert, trotzdem geben die Potenziale einen anschaulichen Einblick in das noch verborgene ökologische Potenzial. Konkret würde die zusätzliche Rückgewinnung aller freien Restmetalle die Umweltgutschrift um 10 (Klimawandel) bis 44 Prozent (Ressourcenverbrauch) erhöhen, im Falle der kompletten Freilegung theoretisch sogar um 24 bis 89 Prozent. Dies liegt insbesondere daran, dass in der Restschlacke feinkörnige Nichteisenmetalle verstärkt vorliegen. Man kann also davon ausgehen, dass eine Erhöhung des Massenertrags um ein paar Prozentpunkte ein deutlich grösseres ökologisches Potenzial beinhaltet.
Eine beträchtliche Reduktion des Treibhausgasausstosses
Dass eine optimierte Metallrückgewinnung aus der Schlacke einen beträchtlichen ökologischen Mehrwert mit sich bringt, zeigt sich auch im Kontext der gesamten Umweltbilanz einer KVA: Durch die Aufbereitung der Schlacke und Rückgewinnung der Metalle werden pro Tonne thermisch verwertetem Siedlungsabfall insgesamt rund 140 kg CO2-eq eingespart, was fast zwei Drittel der Gutschrift durch die gesamte Energierückgewinnung aus der Verbrennung ausmacht. Würde die gesamte jährlich anfallende Schlacke in der Schweiz mit der gleichen Metallrückgewinnrate wie in der untersuchten Anlage aufbereitet, würde dies pro Jahr zu Einsparungen von insgesamt knapp 560 Kilotonnen CO2-eq führen. Zum Vergleich: Dies entspricht etwa dem jährlichen Treibhausgasausstoss der Bevölkerung von Thun (42 600 Einwohner), graue Emissionen eingerechnet. Die zusätzlichen Einsparungen im Vergleich zur
heute konventionellen Aufbereitung nasser Schlacke konnten bis heute noch nicht berechnet werden, da es bisher an repräsentativen Stoffflussdaten der Metalle dieser Anlagen fehlt.
Bereits heute liegt die Realität des Betriebs in Hinwil irgendwo zwischen den Resultaten der Studie und dem Plus-20-Prozent-Fernziel. Die Devise ist klar: auch nicht separat gesammelte Metalle, die über den Kehricht in der KVA landen, sollen möglichst effizient und qualitativ hochwertig zurückgewonnen werden. Die Betreiber der Aufbereitungsanlage in Hinwil geben sich darum längst noch nicht zufrieden und sehen Potenzial, das Thermorecycling-Verfahren weiter zu optimieren. Die Daten sind auf der Seite der Betreiber: Aus ökologischer Sicht ist der Betrieb eine Erfolgsgeschichte. ■
Quellenhinweise
Publikation: Mehr J., Haupt M., Skutan S., Morf L., Adrianto L.R., Weibel G., Hellweg S. (2020). The environmental performance of enhanced metal recovery from dry municipal solid waste incineration bottom ash. Waste Management, 119, 330-341. https://doi.org/10.1016/j.wasman.2020.09.001Sonstige Quellen:
IRP 2019. Global Resources Outlook 2019: Natural Resources for the Future We Want. A Report of the International Resource Panel. United Nations Environment Programme. Nairobi, Kenya.