Zürcher KVA: Das Aus für stofflich verwertbare Kunststoffabfälle

Die Zürcher Abfallverbrenner machen Druck – sie nehmen seit 2021 keinen stofflich verwertbaren Kunststoffabfall aus Gewerbe und Industrie mehr an. Das könnte Signalwirkung haben.

Kunststoffabfälle
Foto: R. Strässle

 

«Wir wollen das stoffliche Recycling von Kunststoffabfällen fördern», sagt Alfred Rudin, Geschäftsführer der Zürcher Abfallverwertungs AG, kurz ZAV. Ihr gehören alle fünf Zürcher Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) in Dietikon, Hinwil, Horgen, Winterthur und der Stadt Zürich an. Bei der ZAV gilt seit dem 1. Januar 2021 ein Annahmestopp – Unternehmen dürfen Kunststoffabfälle nicht mehr anliefern. Mit diesem Schritt leisten die KVA-Betreiber Pionierarbeit, um das Potenzial von rezyklierbaren Kunststoffabfällen aus Gewerbe, Industrie und Bau zu steigern. Das ist gut so, denn die stoffliche Kunststoffverwertung steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. Für Rudin ist klar: «Solche Abfallfraktionen, insbesondere wenn es sich um sortenreine und unverschmutzte Monochargen oder Mengen aus Sammlungen handelt, gehören nicht in die KVA.»

Was sagt das Bundesamt für Umwelt (Bafu) zum Zürcher Vorgehen? Gegen einen solchen Annahmestopp spreche nichts, heisst es seitens der Bafu-Abteilung Abfall und Rohstoffe. Allerdings müsse gewährleistet sein, dass die separat gesammelten Kunststoffe tatsächlich stofflich verwertet würden. «Wenn Abfallfraktionen aus Gewerbe, Industrie und Bau gemischt gesammelt und ins Ausland exportiert werden, ist eine Bewilligung des Bafu notwendig. Zudem muss nachgewiesen werden, wohin und zu welchem Zweck die Abfälle exportiert werden», erinnert Isabel Junker vom Bafu.

Stichproben werden gemacht

Stellt sich die Frage, wie die Zürcher KVA-Betreiber den Annahmestopp kontrollieren. Das entsprechende Personal der KVA müsse ein besonderes Augenmerk darauf legen, dass keine rezyklierfähigen Kunststofffraktionen in die thermische Entsorgung gelangen, so Rudin. Durchschnittlich werden täglich rund 3’000 Tonnen brennbare Abfälle in den fünf Zürcher KVA angeliefert. Rudin spricht von rund 1’000 routinemässigen Stichproben, die nötig seien, um diese Tonnagen zu kontrollieren. 

Fehlt der KVA Brennstoff?

Die Zürcher KVA verbrennen ihren Abfall nicht nur, sie liefern auch viel Energie in Form von Strom und Fernwärme. Kunststoffabfall ist bekanntlich ein guter Brennstoff. Mit dem Wegfall der Fraktion verlieren die KVA zwischen 10’000 und 15’000 Tonnen brennbares Material im Jahr, schätzt der ZAV-Geschäftsleiter.

Was bedeutet das für die Fernwärmeversorgung, besonders in der Heizsaison? Rudin winkt ab, denn er hat vorgesorgt und sich «Brennstoff» im Umfang von über 6’000 Tonnen pro Jahr gesichert. Die KVA-Betreiber greifen auf «antiken Kehricht» zurück. Dieser stammt aus dem Rückbau der Hausmülldeponie Tambrig im zürcherischen Obfelden.  

Besteht ein Markt für stoffliche Verwertung?

Die Schliessung von Stoffkreisläufen ist ein Gebot der Stunde. Doch besteht für rezyklierbare Kunststoffabfälle auch ein Markt? Gemäss dem ZAV-Geschäftsführer werden für sortenreine und gute Qualität bis zu 100 Franken pro Tonne bezahlt. Anders sehe der Preis für gemischte Fraktionen aus, die zuerst über eine Sortieranlage müssten, was nicht kostenlos sei. Angemerkt sei, dass auch die Entsorgung in der Kehrichtverbrennung ihren Preis hat – für eine Tonne sind rund 150 Franken hinzublättern. 

Schlummerndes Potenzial

In der Schweiz werden jährlich etwa eine Million Tonnen Kunststoffe verbraucht. Rund ein Viertel davon wird für langlebige Produkte wie beispielsweise Fensterrahmen verwendet. Gestützt auf Zahlen des Bafu entstehen jährlich rund 780’000 Tonnen Kunststoffabfälle, wovon rund 650’000 Tonnen in KVA und gut sechs Prozent in Zementwerken energetisch genutzt werden. Insgesamt werden also über 80 Prozent thermisch entsorgt.

Gewerbe und Industrie im Fokus

Die grössten Mengen an Kunststoffabfall stammen in der Schweiz aus Gewerbe und Industrie. Deshalb will die Zürcher Abfallverwertungs AG mit ihrem Annahmestopp hier den Hebel ansetzen: Mehr stoffliches Kunststoffrecycling sei in diesen Sektoren sehr effektiv und bringe mit vertretbarem Aufwand grosse Einsparungen an Primärressourcen. Auch die Aussortierung in sogenannten Bausperrgut-Sortieranlagen sei ausdrücklich erwünscht. Damit eine Kreislaufwirtschaft für stofflich verwertbare Kunststoffe funktioniere, brauche es genügend grosse Mengen, so Rudin.

Ihm zufolge will die ZAV in Zukunft die Partnerschaft zu Recyclingbetrieben stärken: Die KVA würden solchen Firmen stofflich nicht verwertbare Sortierreste abnehmen, um Letztere thermisch zu entsorgen.

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