Chlorothalonil fordert nicht nur Wasserversorger
Abbauprodukte des Pilzmittels Chlorothalonil finden sich im Schweizer Mittelland verbreitet im Grundwasser – auch an Orten, wo dieses als Trinkwasser genutzt wird. Der Umgang mit diesen Stoffen wird für die Wasserwerke zu einer Herausforderung. Die Bandbreite zwischen überstürzten Sofortmassnahmen und Verschweigen des Problems ist sehr gross. Ein Faktenblatt der Eawag trägt bei zu einer sachlichen Diskussion und längerfristig angelegten Strategien.
Gemäss der «SonntagsZeitung» gelangen Rückstände des verbotenen Pflanzenschutzmittel Chlorothalonil auch ins Schweizer Trinkwasser. So seien im Mineralwasser von Evian kleinere Mengen von Chlorothalonil gefunden worden. Die Konzentration liegt jedoch deutlich unter den gesetzlichen Grenzwerten und ist gesundheitlich unbedenklich.
Klaren Alpenwasser trotzdem verunreinigt
Es heissst, das Wasser des Herstellers Evian am Genfersee kommt aus den französischen Alpen nahe der Schweizer Grenze. Nun aber haben Experten des Eidgenössichen Wasserforschungsinstituts Eawag Rückstände des Pestizids Chlorothalonil im Evian-Mineralwasser gefunden. Sie konnten 6 Nanogramm pro Liter nachweisen (Quelle: SonntagsZeitung)
Der Befund sei dennoch bedeutsam, weil Evian direkt aus dem Herzen der Alpen komme und als so rein gelte, dass Wissenschaftler ihre Messgeräte damit eichten. Ein Wasserexperte zeigte sich gegenüber der Zeitung besorgt: «Dass sogar die vom Menschen kaum beeinflussten Evian-Quellen in den französischen Alpen Pestizidrückstände aufweisen, ist bedenklich und zeigt den viel zu sorglosen Umgang mit diesen Stoffen», warnte Roman Wiget, der Präsident des Internationalen Trinkwasserverbandes AWBR.
Die Konzentration der im Evian gefundenen Rückstände liegt deutlich unter dem gesetzlichen Grenzwert. Sie stellen deshalb kein gesundheitliches Risiko dar. Die Konzentration sei «vergleichbar mit Zürichseewasser», sagt Juliane Hollender, Mitautorin der Eawag-Studie. Roman Wiget möchte trotzdem den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln einschränken. Er fordert, dass nur noch die Hilfsstoffe des Biolandbaus eingesetzt werden.
Auch diese seien zwar zum Teil nicht unproblematisch, bauen sich laut Wiget aber – mit Ausnahme von Kupfer – sehr schnell ab, wodurch das Trinkwasser nicht belastet werde, sagt er zur «SonntagsZeitung».
Seit Anfang 2020 generell verboten
Das Bundesamt für Landwirtschaft bewilligte den Einsatz von Chlorothalonil in den 1970er-Jahren. Der Wirkstoff wurde im Getreide-, Gemüse-, Wein- und Zierpflanzenbau gegen Pilzbefall eingesetzt. Der Bund hat Chlorothalonil, gestützt auf neue Forschungsergebnisse, vergangenes Jahr neu als «wahrscheinlich krebserregend» bezeichnet und die Anwendung per Anfang 2020 verboten.
Im Dezember 2019 hatte das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) alle Abbauprodukte (Metaboliten) von Chlorothalonil als Trinkwasser-relevant eingestuft. Für diese Stoffe gilt somit ein Höchstwert von 0,1 Mikrogramm pro Liter für Trinkwasser, der in diesem Fall auch für das Grundwasser als Grenzwert gültig ist. Dieser neue Wert ist extrem tief. Bei diesem Höchstwert handelt es sich um einen vorsorglichen Wert, nicht um einen toxikologisch hergeleiteten Grenzwert.
Chlorothalonil wahrscheinlich krebserregend
Seitdem die EU Kommission Chlorothalonil als wahrscheinlich krebserregend eingestuft hat, gehen die Wogen hoch. Denn Abbauprodukte (Metaboliten) dieses verbreitet eingesetzten Fungizids finden sich im Grundwasser. Die bisher gemessenen Werte übertreffen die gesetzliche Höchstkonzentration von 0.1 µg/L für Wasserressourcen, die als Trinkwasser genutzt werden, an zahlreichen Messstellen.
Ob die Überschreitung dieses für Trinkwasser vorsorglich tief angesetzten Höchstwerts tatsächlich ein Risiko für Konsumentinnen und Konsumenten darstellt, ist bisher nicht nachgewiesen – für Lebensmittel liegen die als unbedenklich «erlaubten Tagesdosen» deutlich höher.
Trotzdem will niemand Chlorothalonil-Rückstände im Trinkwasser. Weil die Substanzen teilweise nur langsam abgebaut oder ausgewaschen werden, umfassen die Gegenmassnahmen mehr als das Anwendungsverbot für den Ausgangsstoff (seit dem 1. Januar 2020 in Kraft).
Das Verdünnen des Rohwassers mit unbelastetem Wasser oder die (neue) Erschliessung von Quellen aus Einzugsgebieten ohne Ackerbau zählen dazu. Als «ultima ratio» kommen auch technische Aufbereitungsverfahren in Betracht. Zusammen mit Wasserwerken hat die Eawag im Labor und in Pilotanlagen untersucht, welche Verfahren, sich gegen welche Stoffe am besten einsetzen liessen. Jetzt fasst ein Faktenblatt die Resultate zusammen.
Die Untersuchungen über die Verfahren zur Entfernung von Chlorothalonil-Metaboliten wurden vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) mitfinanziert. (Quelle: Eawag)