Im Namen der Nachhaltigkeit: nach dem Lockdown zu schnell hoch?

Vertragen sich Nachhaltigkeit und die aktuellen länderübergreifenden Wirtschaftsziele? Die bisher Schwache Produktivität, mangelnde Strukturreformen und die gleichzeitige schwere Belastung der Angebots- und Nachfrageseite durch Covid-19 machen Prognosen schwierig.

 

Die optimistischen Erwartungen der Märkte und die tatsächliche wirtschaftliche Lage, bei der es aktuell darauf ankommt, klaffen auseinander. (Bild: Unsplash)

„Und trotzdem“ (wie es in Charles Aznavours berühmten Lied „Et pourtant“ heisst) könnten einzelne Länder im Namen der Nachhaltigkeit Abstimmungen treffen, die Europäische Union ihre Integration mit neuem Elan vorantreiben, die Themen Solidarität und Koordination in Angriff nehmen oder mehr Föderalismus wagen. Ein Argument für einen Aufschwung: „Nachdem sich Europa fast zwanzig Jahre überwiegend mit sich selbst beschäftigt hat, könnte der deutsch-französische Plan dem alten Europa im Wettlauf um Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität neues Leben einhauchen“, schreibt Laurent Denize, Global co-CIO bei ODDO BHF Assset Management. Die Expertin weiss jedoch, dass vom Wort zur Tat es noch ein langer Weg ausmachen könnte.

Hohe und anhaltende Arbeitslosigkeit

Die optimistischen Erwartungen der Märkte und die tatsächliche wirtschaftliche Lage, bei der es aktuell darauf ankommt, die Arbeitslosigkeit insbesondere in den USA einzudämmen, driften weiter auseinander. Leider besteht das Risiko, dass sich der Arbeitsmarkt sehr viel langsamer erholt als die Produktion, da die besonders von den Kontaktbeschränkungen betroffenen Sektoren auch die meisten Menschen beschäftigen. In den USA steuert das Freizeit- und Gaststättengewerbe nur 4 Prozent zum Wachstum bei, beschäftigt jedoch 11 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung. Der US-Einzelhandel kommt auf 5 bzw. 10 Prozent. Wenn beide Sektoren nur mit halber Kraft laufen (gemessen am Niveau vor Ausbruch der Pandemie), sinkt die Produktion um 4,5 Prozent, die Beschäftigung jedoch um 10,5 Prozent.

Umgekehrt tragen wenig betroffene Sektoren kaum zur Beschäftigung, aber viel mehr zum Wachstum bei: Die Finanzwirtschaft etwa kommt auf nur 6 Prozent der Arbeitsplätze, aber auf 19 Prozent des Wachstums. Im IT Sektor arbeiten 2 Prozent der Erwerbstätigen, die 5 Prozent des Wachstums erwirtschaften, heisst es im Market Flash von ODDO.

Die Zentralbanken könnten eine Depression verhindern

Läuft die Wirtschaft trotz Kontaktbeschränkungen wieder an – weil die Politik oder aber die Menschen selbst es so wollen – könnte sich das Wachstum erholen, ohne dass der Arbeitsmarkt mitzieht. In diesem Fall bliebe den Zentralbanken keine andere Wahl, als ihre extrem expansive Geldpolitik fortzusetzen oder sogar auszubauen. Sind das nun schlechte Nachrichten? Nicht unbedingt, denn der steigende Zufluss von „Zentralbankgeld“ hat die Bewertungen an den Finanzmärkten auf neue Höchststände getrieben.

Kurzfristige Verlustrisiken

„Kurzfristig sehen wir einige Abwärtsrisiken für die Kapitalmärkte. Dafür könnten unter anderem neue Spannungen zwischen China und den USA sorgen, eine Eskalation in Hongkong oder aber, ausgelöst durch die Lockerungsmassnahmen, eine zweite Pandemiewelle. Aktuell erleben die USA zudem erhebliche Unruhen und politische Turbulenzen. Doch all diese Risiken müssen einer Normalisierung der Märkte für Risikoaktiva keineswegs im Weg stehen. Dafür sprechen aus unserer Sicht vier Gründe“, resümiert Laurent Denize:

  • Eine bislang noch nicht in Fahrt gekommene grosse Rotation in Aktien
  • Schnelle und flexible Eingriffe der Zentralbanken zur Behebung von Finanzierungsproblemen der Unternehmen
  • Strukturelle Veränderungen im Liquiditäts-und Zinsumfeld
  • Die schrittweise Lockerung der Eindämmungsmassnahmen, die voraussichtlich auch eine wirtschaftliche Erholung nach sich ziehen wird.

Vor diesem Hintergrund kommt es in den nächsten Monaten weniger auf die Gewichtung von Risikoaktiva an als auf ihre Auswahl (Sektor, Stil, Region).

www.oddo-bhf.com/de

(Visited 53 times, 1 visits today)

Weitere Beiträge zum Thema