Wie nachhaltig ist die Schweizer Landwirtschaft?

Eine neue Methodik von Agroscope soll künftig landwirtschaftlichen Betrieben helfen, Ihre Nachhaltigkeit zu beurteilen.

Die Zusammenarbeit zwischen Berg- und Talbetrieben bringt sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile.
Die Zusammenarbeit zwischen Berg- und Talbetrieben bringt sowohl ökologische als auch ökonomische Vorteile.

Landwirtinnen und Landwirte sollen in Zukunft die Möglichkeit haben, die Nachhaltigkeit ihrer Betriebe anhand von Indikatoren zu bewerten. Agroscope stellte an der dritten Nachhaltigkeitstagung neue methodische Entwicklungen bei der Nachhaltigkeitsbewertung für Landwirtschaftsbetriebe vor. Mehrere Beiträge zum Thema Milch aus der Schweiz und aus Deutschland illustrierten die Nachhaltigkeitsbewertung anhand praktischer Anwendungen.

„Eine zukunftsfähige Lebensmittelproduktion fusst auf einer fundierten Bewertung punkto Nachhaltigkeit auf Stufe Landwirtschaftsbetrieb“, erklärte Paul Steffen, Leiter des Agroscope Instituts für Nachhaltigkeitswissenschaften INH anlässlich der dritten Agroscope-Nachhaltigkeitstagung am Standort Reckenholz in Zürich. Seit mehreren Jahren erarbeiten Forschungsinstitute in der Schweiz die wissenschaftliche Basis zur Nachhaltigkeitsbewertung für Landwirtschaftsbetriebe. Dabei entwickelt Agroscope zusammen mit externen Expertinnen und Experten einen Satz quantitativer Wirkungsindikatoren für die Bereiche Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Berücksichtigt werden Komponenten wie Ressourceneffizienz, Klima, Nährstoffmanagement, Ökotoxizität, Biodiversität, Bodenqualität, Landschaftsbild, Tierwohl, Soziales und Ökonomie. Mit dem Wissen, das durch die Bewertung gewonnen wird, können Landwirtinnen und Landwirte ihre Produktion in Richtung Nachhaltigkeit weiterentwickeln.

Zusammenarbeit zwischen Tal- und Bergbetrieben bringt Vorteile

Zur Bewertung der Umweltverträglichkeit steht mit der Methodik der Ökobilanzen bereits ein bewährtes Instrumentarium zur Verfügung. Mit der Ökobilanzmethode SALCA und einer Wirtschaftlichkeitsanalyse wurde im Rahmen des kürzlich abgeschlossenen EU-Projektes Cantogether die Zusammenarbeit zwischen Tal- und Bergbetrieben bei der Aufzucht unter die Lupe genommen. „Die Vertragsaufzucht ist ein gutes Beispiel dafür, dass ein Produktionssystem, das ursprünglich aus wirtschaftlichen Überlegungen heraus entstanden ist, auch ökologische Vorteile aufweisen kann“, sagte Silvia Marton von der Agroscope Forschungsgruppe Ökobilanzen zum ökologischen und ökonomischen Erfolg der Arbeitsteilung in der Milchwirtschaft.

Bei der Vertragsaufzucht verkaufen Talbetriebe ihre Kälber in der Regel an Bergbetriebe, welche die Aufzucht übernehmen. Nach zwei Jahren werden die Tiere wieder vom Talbetrieb zurückgekauft. Dadurch kann der Talbetrieb seine Ressourcen auf die Milchproduktion konzentrieren; das Grasland des Bergbetriebs stellt für die Aufzucht optimale Bedingungen dar. Diese überregionale Zusammenarbeit von Berg- und Talbetrieben zeigte eine höhere Ökoeffizienz, beispielsweise bezüglich nicht-erneuerbarer Energieressourcen sowie beim Verbrauch von Kalium und Phosphor. Während beim Talbetrieb ein höheres Einkommen erzielt wurde, führte die Arbeitsteilung beim Bergbetrieb zu geringerem Aufwand, gleichzeitig aber auch zu einem geringeren Einkommen. Beim Entscheid für oder gegen die Vertragsaufzucht muss deshalb auch die soziale Situation des Betriebes miteinbezogen werden.

Arbeitsbelastung – was ist nachhaltig?

Um die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeitsbewertung ging es im Beitrag zur Arbeitsbelastung auf Landwirtschaftsbetrieben von Christina Umstätter der Agroscope Forschungsgruppe Arbeit, Bau und Systembewertung. Eine ausgewogene Work-Life-Balance wirke sich positiv auf die psychische und physische Konstitution des Menschen aus, erklärte sie. Tendenziell nehmen die psychischen Belastungskomponenten allerdings zu. Als Indikator zur Nachhaltigkeitsbewertung der Arbeitsbelastung schlägt Umstätter den Quotienten von tatsächlich vorhandenen Arbeitskräften und benötigten Personen auf dem Betrieb vor.

Auch der Beitrag eines Landwirtschaftsbetriebs zu einem abwechslungsreichen und schönen Landschaftsbild oder ein Tierwohlindex sollen künftig als Indikatoren in die Nachhaltigkeitsbewertung einfliessen. Die ökonomische Nachhaltigkeit eines Betriebes soll anhand von Buchhaltungsdaten bewertet werden.

Indikatoren: Wirkungsorientiert, messbar, praxistauglich

Um das Ziel einer quantitativen Bewertung von Betrieben zu ermöglichen, sind generell Indikatoren gefragt, die unter anderem wirkungsorientiert, einfach messbar und praxistauglich sind. Bei der Zusammenstellung eines Indikatorensatzes für die Bewertung von Betrieben der Schweizer Landwirtschaft liefern bestehende Instrumente eine gute Grundlage.

Mit RISE und SMART wurden an der Tagung zwei weitere Instrumente zur Nachhaltigkeitsbeurteilung vorgestellt, die in der Praxis bereits eingesetzt werden. RISE bzw. die Response-Inducing Sustainability Evaluation, ist eine an der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL entwickelte Computer-basierte Methode, mit der sich die Nachhaltigkeit von Landwirtschaftsbetrieben bewerten lässt. Sie basiert auf zehn Indikatoren und berücksichtigt ökologische, ökonomische und soziale Aspekte. Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL hat mit SMART, der Sustainability Monitoring and Assessment RouTine, ebenfalls ein Tool zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Unternehmen des Agrar- und Lebensmittelsektors entwickelt. Dieses basiert auf den SAFA-Nachhaltigkeitsleitlinien (Sustainability Assessment of Food and Agriculture Systems) der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO und besteht aus einer Datenbank mit Bewertungsmethodik sowie einem Indikatorensatz.

Anwendung zur Analyse von Betriebsstrategien

Die Tagung hat gezeigt, dass auf dem Weg zur Nachhaltigkeitsbewertung von Landwirtschaftsbetrieben bereits viel erreicht wurde. Sie zeigt aber auch, dass oft Zielkonflikte zwischen den verschiedenen Dimensionen der Nachhaltigkeit entstehen, die es angemessen und lösungsorientiert anzugehen gilt. Das Fazit der Tagung: Nachhaltigkeitsbewertungen sollten bei der Analyse von Betriebsstrategien vermehrt zum Einsatz kommen.

Methode zur Nachhaltigkeitsbewertung mit SALCA

Agroscope entwickelt ein Bewertungssystem für die Nachhaltigkeit, das auf dem Lebenszyklusansatz basiert und die drei Nachhaltigkeitsbereiche Umwelt, Ökonomie und Soziales miteinbezieht. Für die Dimension Umwelt kommt dabei die Ökobilanzmethode SALCA (Swiss Agricultural Life Cycle Assessment) zur Anwendung, welche eine umfassende und flexible Bewertung von landwirtschaftlichen Produkten, Produktionssystemen und Nahrungsmitteln erlaubt. Die SALCA-Methode wird zu diesem Zweck zu einem Werkzeug der Nachhaltigkeitsbewertung ausgebaut. Durch eine vollständige Überarbeitung der Informatikwerkzeuge im Projekt SALCAfuture wird die Grundlage für eine rationelle und automatisierte Erfassung und Verarbeitung der Nachhaltigkeitskennzahlen geschaffen.

(Agroscope)

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