Blüten und Perlen: Heute schon «gebostitched»?

Sarah Pally, Linguistin und Partnerin bei der Agentur Partner & Partner, nimmt in ihrer Kolumne «Blüten und Perlen» die (Werbe-)Sprache unter die Lupe. Dieses Mal dreht sich alles um Produkte und Brands, die sich in den alltäglichen Sprachgebrauch eingeschlichen haben.

Wenn der eigene Brand- oder Produktename es in den Duden schafft, dann «hat man es geschafft». Die Vorstufe davon ist: Als Verb oder Überbegriff verwendet zu werden. Natürlich passiert das tatsächlich recht selten und nur schon diese Exklusivität macht es zu einer Art Auszeichnung. Aber lässt sich diese Quasi-Unsterblichkeit auch irgendwie hinbiegen?

Wird ein neuer Brand oder ein neues Produkt aus der Taufe gehoben, prüfen besonders gewitzte Marketers gerne kurz, ob die herumschwirrenden Namensvorschläge denn einst auch als Verb oder als Überbegriff eingesetzt werden könnten. Aber das ist kaum relevant. Denn Sprache kann einerseits eh fast alles – und ob es «schön» klingt, interessiert andererseits am Schluss nicht wirklich. Falls sich jemand diese Gedanken damals bei der Firma «Bostitch» in den USA gemacht haben sollte: Chapeau! Aber dann würde das Produkt beziehungsweise die Firma wohl anders heissen. Sperriger, merkwürdiger geht es ja kaum.

Heftgerät? Heftklammerer?

Aber Bostitch hat eben ein Problem gelöst. Und damit sind nicht die lose herumflatternden Papierblätter gemeint. Sondern offenbar schien es, zumindest in der Schweiz, keine befriedigende Bezeichnung für dieses Gerät und die dazugehörige Tätigkeit gegeben zu haben, sodass kurzerhand der Firmenname Bostitch eingesprungen ist. Gab es dieses Ding und die dazugehörige Tätigkeit vorher in der Schweiz gar nicht? Oder war «Heftklammerer» und «Heftgerät» einfach zu Deutsch? Jedenfalls hat es eine Art Nerv getroffen, ein sprachliches Vakuum gefüllt. Und zwar so gut, dass viele heute nicht einmal mehr wissen, dass Bostitch gar kein Gerät, sondern eine Firma ist. Manche wähnen sogar, dass es sich um einen Fachbegriff aus dem Papeteriebedarf handelt.

Man mag einwenden, dass es doch ein absoluter Worst Case wäre, wenn das Produkt zwar ein Riesenerfolg ist – aber leider der Name nicht als Verb eingesetzt werden kann! So wie vermeintlich bei Galaxus: Oder haben Sie heute schon mal galaxt (oder hiesse es «gelaxt» oder «gegölaxt», als Mischung aus gegönnt und Galaxus)? Das Problem hier ist, das Galaxus sprachlich kein Problem löst, weil es kein Problem gibt: Es muss schlicht kein anderes Wort für «bestellen» oder «Onlineshop» gefunden werden. Das ist Pech für Galaxus.

Das Problem schaffen und dann lösen

Auch der Name «Google» bietet für die deutsche Verbalisierung ganz und gar keine Steilvorlage, aber hat sich bedenkenlos eingeschlichen. Weil es halt besser ist als «via Suchmaschine etwas im Internet suchen». Beim «Twinten» gabs die entsprechende Tätigkeit vor dem Produkt schlicht nicht – eine Zwangsverbalisierung gewissermassen. Oder anders gesagt: Twint hat sich zusammen mit dem Produkt auch das sprachliche Problem geschaffen, das es gleich wieder gelöst hat.

Klar: Im Nachhinein scheint alles irgendwie logisch. Aber es hilft, darüber nachzudenken, ob es überhaupt eine sprachliche Notwendigkeit beziehungsweise Lücke gibt, die gefüllt werden kann, bevor man über die möglichst elegante verbalisierte Anwendung eines neuen Brand- oder Produktenamens nachdenkt. Und selbst dann: Wenn es Bostitch in die Alltagssprache schafft, dann können das auch noch ganz andere.

Natürlich gibt es auch diese verzweifelten Versuche, den Namen als Verb oder Überbegriff via Werbung einzutrichtern. So wie «Nogger dir einen!». Googeln Sie es ruhig, am besten per Bildersuche. Zusammen mit diesem absurden Auftritt war das irgendwie schräg genug, sodass man den Spruch schonmal sarkastisch fallen liess. Immerhin: Er hat sich als zweifelhaftes, aber vielverwendetes Beispiel für die vorliegende Problematik auf seine Art quasi unsterblich gemacht.


Seit 2025 analysiert Sarah Pally in ihrer Kolumne «Blüten und Perlen» Begriffe mit Branchenbezug und kommentiert sie mit persönlicher Note, aus einer linguistischen Perspektive – sowie auch mit präzisem Blick auf die Entwicklungen in der Branche. Pally ist Teilhaberin der Agentur Partner & Partner in Winterthur. Sie ist seit 15 Jahren mit den Themen Contentmarketing, Text/Konzept und Storytelling im Kommunikations- und Marketingbereich unterwegs.

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