«Unsere Branche und unser kreatives Produkt haben mehr Respekt verdient»
Philipp Skrabal, Chief Creative Officer und Partner bei Team Farner, ist «Werber des Jahres» 2025. Im exklusiven Gewinnerinterview spricht er über denkwürdige Kampagnen, kreative Fehlentscheidungen und seine Vorstellungen für die Branche.
(Bild: Dan Cermak)
m&k: Philipp Skrabal, wir gratulieren zum Titel «Werber des Jahres» 2025. Wie haben sie die Award-Night und die Stabübergabe erlebt?
Philipp Skrabal: Vielen Dank, es war ein toller Abend! Letztes Jahr habe ich mich sehr für Andrea Bison gefreut. Was sie mit Alex, Gordon und dem restlichen Team [von Thjnk Zürich, Anm. d. Red.] auf die Beine gestellt hat, verdient höchsten Respekt und tut der ganzen Branche gut. Auch der vermeintlichen Konkurrenz. Denn am Ende geht es darum, mit möglichst vielen Kampagnen zu beweisen, dass intelligente Strategie und kreative Exzellenz den Unterschied machen. Nun den «Egon» von ihr übernommen zu haben, ehrt mich doppelt. Ich wusste bis zu ihrer Laudatio nicht, dass ich es sein würde und war darum bis kurz davor recht relaxed. Dann stieg mit jedem Satz die Nervosität.
Finden Sie den Begriff «Werber» des Jahres denn für sich selber überhaupt passend?
Auch wenn ich meine kreativen Fähigkeiten nicht nur in der Werbung, sondern auch in allen anderen Bereichen der Kommunikation einsetze, kann ich sehr gut mit dem Begriff leben. Werbung ist Kultur und Zeitgeist und hat auch die Kunst inspiriert – wir sollten stolz sein.
Team Farner hat sich in den letzten Jahren im Kreativranking kontinuierlich nach vorne gearbeitet. Von Platz 10 im Jahr 2020 auf Platz 1 im Jahr 2024.
Das war harte Arbeit und ein bisschen Glück, denn es ist uns wichtig, mit relevanten und bezahlten Arbeiten zu glänzen und nicht speziell fürs «Schaufenster» zu arbeiten. Mit Kampagnen wie «Islam Alijaj in den Nationalrat», diversen Kampagnen für die SBB, Arosa Tourismus und unserem Film für Greenpeace sind uns gleich mehrere Arbeiten gelungen, die auch international abgeräumt haben. Dazu kommt das grosse AI-Know-how von Yoveo, das uns in der Kreation spannende neue Räume schafft.
Sie haben jetzt eine «Doppel-Pole-Position». Wie wollen Sie das Momentum nutzen?
Für mich sind das zwei Dinge: Der erste Platz im Kreativranking macht hoffentlich jedem und jeder CMO klar, dass es sich lohnt, Team Farner anzuschauen. Unser Know-how ist im Schweizer Markt einzigartig und der gemeinsame Erfolg mit unseren Kunden belegbar. Den Titel «Werber des Jahres» wiederum möchte ich nicht als Chance zur Eigenwerbung verstehen. Ich glaube wirklich, dass unsere Branche und unser kreatives Produkt mehr Respekt verdient hat. Darum möchte ich mich für die Branche, insbesondere für alle die auf Qualität setzen, stark machen.
Die Werbebranche braucht mehr Selbstbewusstsein – das haben Sie bereits mehrfach betont. Woran krankt sie, und wie liesse sich das ändern?
Fakt ist, und dazu gibt es mittlerweile etliche Studien von diversen Beratungsfirmen, Kreativität macht Unternehmen erfolgreicher. Wenn also Kreativität effektiver macht, wieso darf sie immer weniger kosten? Der existenzielle Druck, verursacht auch durch Big Tech, treibt uns in die falsche Richtung. Eine Falle, denn mittel- und langfristig entscheiden nicht die Werkzeuge, sondern was man damit nachhaltig für die Marke schafft. Dazu kommt, dass Kommunikation noch nie mehr Einfluss hatte, wie heute. Siehe beispielsweise die Post-Faktische Politik, in der Emotionen und Narrative wichtiger sind als objektive Fakten. Als Gesellschaft sind wir darum gefordert, dem Thema Kommunikation mehr Aufmerksamkeit zu schenken.
In welche Richtung hat sich die Branche rund um Werbung, Marketing und Kommunikation denn verändert, seit sie diesen Weg eingeschlagen haben?
Früher gab es Marketing Communication und Corporate Communication. Ersteres bespielte bezahlte Fläche, zweiteres fand im redaktionellen Teil der Medien statt. Auch wenn es diese Silos nach wie vor gibt, so entsprechen sie heute nicht mehr der erlebten Realität, denn beide teilen sich dieselben Kanälen und Profile und werden in der Wahrnehmung der Menschen kaum mehr unterschieden. Um langfristig erfolgreich zu sein, brauchen Unternehmen und Marken eine konsistente Sprache, brauchen eine Haltung, eine Persönlichkeit, eine Seele. Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Unternehmen oder das Produkt spricht. Dazu kommt, dass erfolgreiche Markenführung durch die zunehmende Automation der Kommunikation anspruchsvoller wird, nicht einfacher.
Werbung aus dem Stadtbild verbannen, die Diskussion entbrennt gerade in der Politik. Was ist Ihre Sicht dazu?
Ich finde das schlichtweg absurd. Werbung ist, wie eben erwähnt, ein Teil unserer Kultur und ein zentraler Pfeiler unserer Wirtschaft. Es gehört zu den Werten unserer Demokratie, dass wir uns zutrauen, eine eigene Meinung zu bilden. Dafür braucht es auch Werbung. Zudem schafft Aussenwerbung Öffentlichkeit, die wichtig ist, um gesellschaftliche Diskussionen anzustossen.
Sie setzen sich stark für junge Talente ein. Gleichzeitig hat die Branche – wie auch andere – mit vielen Herausforderungen zu kämpfen. Ein Hinweis dafür ist der aktuelle Stellenmarkt. Ist die Branche für Nachwuchs noch attraktiv genug oder braucht es ein Umdenken?
Die Branche muss sich weiterentwickeln, muss lernen und verstehen, wie sie mit den ganzen Veränderungen umgehen soll und worin die Chancen liegen. Das braucht Ideen und mutige Entscheidungen. Die alte Stabilität und Planbarkeit wird wohl nicht mehr kommen, also müssen wir agiler werden – ohne an Profil zu verlieren. Kommunikation ist und bleibt attraktiv für den Nachwuchs und Kreativität ist ein Multiplikator für effektive Kommunikation.
Welche Kampagnen aus Ihrer Karriere haben sich in Ihr Hirn und Herz gebrannt? Worauf sind Sie besonders stolz?
Da kommt mir spontan unsere Verkehrssicherheitskampgne «Made Visible» in den Sinn. Statt der ursprünglich gebrieft Botschaft «Zieht euch hell an, um nicht übersehen zu werden.» zu folgen, haben wir das Streetwear Label «Made Visible» gegründet. Die Kampagne läuft messbar erfolgreich seit sieben Jahren, wir kooperieren mit über 40 Fashion- und Lifestyle-Brands und der Textilindustrie, haben einen eigene Modekollektion geschaffen, beschäftigen etliche Influencer:innen und produzieren laufend eigne Branded-Content-Formate. Gemeinsam mit dem TCS haben wir die erfolgreichste Präventionskampagne der Schweiz geschaffen, die sogar von der FIA mit dem «Road Safety Innovation Award» ausgezeichnet wurde. Am meisten ins Herz gebrannt hat sich bei mir aber die Mobiliar-Kampagne, insbesondere der «Liebe Mobiliar»-Film mit Didier Cuche, genauer gesagt, der Viral dazu.
Das Rezept war perfekt: Didier als Promi, sein legendärer Ski-Flip als Ursache des Schadens und das historische Duell Schweiz gegen Österreich im Alpinen Skisport. Innerhalb einer Woche hatten wir eine Million organische Views und Medienberichterstattungen im Blick, beim SRF sowie auch in zahlreichen österreichischen Boulevard-Zeitungen und im ORF. Dann lancierten wir erst den eigentlichen TV-Spot. Bis heute hat der Film – auch dank TikTok und Instagram – über 20 Millionen Views und hunderttausende Likes und Kommentare. Der Dreh in Sölden mit Didier Cuche, Regisseur Tobi Fueter und Kameramann Filip Zumbrunn ist mir unvergesslich.
Hand aufs Herz: Was war Ihre grösste kreative Fehlentscheidung – und was haben Sie daraus gelernt?
Da fällt mir ein Event auf dem Waisenhausplatz in Bern ein. Wir hatten ihn im Rahmen einer Kampagne für eine vielfältige Schweiz organisiert. Coole Acts, aber leider wenig Budget für die eigentliche Kampagne und darum wenig Gäste vor Ort. Eine sympathische ältere Frau, die leidenschaftlich und experimentell getanzt hat, und eine Horde alkoholisierter Teenager dominierten die Szene. Dank dem Fotounterricht während meiner Ausbildungszeit, gelangen mir dann doch einige Fotos, auf denen es nach einer ordentlichen Menschenmenge aussah – genug für die Medienmitteilung. Was ich daraus gelernt habe: Auch eine gute Sache braucht Geld.