«Wenn mich ein Wort zunehmend nervte, war es heilend, darüber zu schreiben»

Neun Jahre hat Benno Maggi von Partner & Partner in «Was bedeutet eigentlich?» Fachbegriffe aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich für m&k erläutert. Nun übergibt er seine Kolumne per Ende Jahr an seine Agenturkollegin Sarah Pally. m&k hat mit den beiden über gute Kolumnen und eine Branche gesprochen, die sich manchmal viel zu wichtig nimmt.

Sarah Pally und Benno Maggi von Partner & Partner. (Bilder: zVg.)

m&k: Benno Maggi, im Jahr 2016 hat deine Kolumne für m&k gestartet, nachdem du bereits zuvor über mehrere Jahre hinweg Fachsprache für das NZZ Folio gedeutet und erklärt hast. Weshalb dieser Fokus?

Benno Maggi: Mich haben Fachsprachen schon immer fasziniert. In meiner Schnupperlehre als Metzger redeten die da von Fleischwolf, Laffen oder Ausbeineln, Abhängen. Das waren alles Worte, die ich nicht kannte und mich als Experte fühlen liessen, sobald ich sie angewendete. «Abhängen» brauche ich bis heute, wenn es darum geht, etwas zu beurteilen, bei dem ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich gut ist. Dann lass ich das mal abhängen wie Fleisch und schaue, ob es am nächsten Tag noch gut oder sogar besser geworden ist.

 

Weshalb gibt es in der MarKom-Branche so viele Begriffe mit Erklärbedarf? 

Fachbegriffe sind fast wie eine eigene Sprache und sollten deshalb übersetzt werden. Das gilt nicht nur spezifisch für die MarKom-Branche. Diese Branche klaut einfach mehr und gerne branchenfremde Begriffe und macht sie sich zu eigen. Dies zumindest ist meine Einschätzung.

Benno Maggi hat die Agentur Partner & Partner mitgegründet.

In der Zwischenzeit hast du für m&k über 150 Fachbegriffe erörtert. Wo hast du dir die Inspiration geholt, nach welchen Kriterien die Begriffe ausgewählt?

Kriterien hatte ich keine. Ich habe diese eher «random» gewählt – um einen der 150 Begriffe gleich zu nennen. Auf meinem Handy befindet sich eine Liste, die ich laufend ergänzt habe. Manchmal habe ich daraus ein Wort gepflückt, das schon lange drauf ist, aber gerade zu einer Aktualität passte. Meist waren es Begriffe, die ich in Sitzungen, auf Zugfahrten, in Kantinen und Korridoren aufgeschnappt habe. Manche vielleicht nur einmal, andere regelmässig. Und wenn ich sie immer wieder hörte, hat das das die Chance erhöht, dass ich darüber schreibe.

 

Was hat diese Schreibarbeit für dich bedeutet?

Oft kannte ich zwar das Wort und auch dessen Bedeutung, hatte aber keine Ahnung über dessen Herkunft. Der Duden ist dafür grossartig. ChatGPT auch, war aber manchmal überfordert oder schlicht falsch. Oft hatte das Schreiben dieser Kolumne für mich auch therapeutische Zwecke. Dann nämlich, wenn mich die Verwendung eines Wortes zunehmend nervte, war es heilend, darüber oder die Leute, die es exzessiv anwendeten, zu schreiben.

 

Wie sah es mit dem Feedback aus?

Anfangs dachte ich: «Das liest doch keiner.» Doch ich bekam öfters Feedback. Meist positiv und von unterschiedlichsten Leuten. Auftraggeber, Agenturkollegen und auch aus dem privaten Umfeld. Manchmal auch einfach Textmessages: «Hast du mich gemeint damit?» oder: «Brauch ich das echt so oft? Ich sag’s nie mehr!»

 

Konntest du in den vergangenen Jahren eine Entwicklung in der Fachsprache feststellen?

Eigentlich nicht. Anglizismen sind natürlich dominant. Aber das waren sie schon immer. Als die Finanzindustrie noch wenig kritisch hinterfragt wurde, kamen aus dieser Ecke vielleicht mehr. Heute sind es eher Begriffe aus der Psychologie, die den Weg ins Marketing finden: Framen, Trigger, Resilienz und so weiter.

 

Teils hast du auch eher branchenkritische Töne angeschlagen. Wo siehst du die Pain Points? 

Die Branche nimmt sich viel zu wichtig. Wenn alle so laut wären wie die Agenturen, CMOs und Marketingfutzis, dann würde man vor lauter Lärm sein eigenes Wort nicht mehr verstehen. Zudem finde ich, dass Werber einfach oft auch schlechte Unternehmer sind. Statt saubere Büez zu liefern und ihre Agenturen nachhaltig erfolgreich zu machen, wollen die meisten schnell viel Geld verdienen und Awards gewinnen. Sie hecheln dafür den grossen Etats oder fancy Brands hinterher, verheddern sich so in Klumpenrisiken und am Ende wundern sie sich, wenn sie Leute entlassen müssen, die Agentur pleitegeht oder von Netzwerken geschluckt wird.

 

Gibt es Themen, die du zwar noch nicht angehen konntest, aber jetzt dringlicher erscheinen?

Nein. Ich habe eigentlich die Wahl der Begriffe immer einer gewissen Dringlichkeit unterstellt. Der Erste war «Funnel» zur Eröffnung des Gotthard-Basis-Tunnels, der letzte «End-to-End» vor der Auguration der Trump/Musk-Regierung in den USA.

 

Wie in deiner letzten Kolumne angedeutet, bedeutet jedes Ende auch ein Neuanfang: Zum Ende dieses Jahres hin übernimmt Sarah Pally deine Kolumne. Warum jetzt der Wechsel?

Sarah hat mich ja in all den Jahren auch inspiriert. Sie kannte immer den «latest shit» und ich habe mir einige Begriffe von ihr geborgt. Zudem ist sie eine begnadete Schreiberin und sollte endlich auch unter eigenem Namen in der Branche publizieren – und nicht nur als Ghostwriterin für unsere Kunden.

Sarah Pally: Ich weiss jetzt gar nicht, ob das so gut ist, Inspiration für Bennos Kolumne gewesen zu sein. (lacht)

 

Sarah Pally wird ab 2025 in ihrer Kolumne ihre Perspektive als Linguistin einbringen.

Sarah, was reizt dich am Kolumne-Schreiben – und was nicht?

Unter dem eigenen Namen zu schreiben, empfinde ich tatsächlich als Herausforderung und ist für mich aber gleichzeitig auch der Reiz daran: Kein doppelter Boden. Die Deadlines helfen sicher dabei, über diesen Schatten zu springen. Ansonsten ist es natürlich eine besondere Textform, bei der die Balance zwischen Relevanz und Unterhaltung stimmen muss – und zwar auf kleinstem Raum.

 

Inwiefern möchtest du Bennos Kolumne weiterführen – oder ihr deine eigene Note geben?

Ich werde beim Schustern der Kolumne bei meinen Leisten bleiben. «Von Haus aus» bin ich Linguistin. Unser Alltag in Werbung, Marketing und Kommunikation ist ein endloser Quell an Bemerkenswertem rund um Sprache: von verkannten Textsorten bis hin zu mehr oder weniger gelungenen Sprachspielen – und mit dem einen oder anderen «latest-shit-möchtegern-Fachbegriff». Mehr verrate ich nicht.

 

Was macht für euch letztendlich eine gute Kolumne aus?

Für mich ist eine gute Kolumne wie ein zu lang geratener Aphorismus: charmant, klug, unterhaltend und im besten Fall auch noch erhellend. Also nichts, das man einfach so «hinschludert».

Maggi: Eine, die ich gerne lese und mich nachher vielleicht sogar noch daran erinnere.

 

Benno, was erhoffst du dir von Sarah’s Weiterführung der Kolumne?

Dass sie ihr Ding macht. Mit der ihr eigenen Leichtigkeit, Humor und Schärfe.


Lesen Sie hier die letzte Kolumne von Benno Maggi für m&k, «End-to-End».

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