Was bedeutet eigentlich… «End-to-End»?
Seit 2016 befasste sich Benno Maggi in «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. In seiner letzten Kolumne für m&k behandelt er den Begriff «End-to-End» – und nutzt die Gelegenheit, um auf über 150 Kolumnen voller Fachbegriffe und spannender Einblicke zurückzublicken.
Nein: Es ist nicht der grosse Abgesang auf Welt, Demokratie und Humanismus nach der Wahl von Donald Trump mit dessen Göttibub Elon Musk im Schlepptau. Aber deren Methoden spiegeln das Prinzip, welches dem Begriff «End-to-End» zugrunde liegt ganz gut: Dinge ganzheitlich entwickeln und möglichst viele Prozesse intern steuern. Das wird die «Bromance» im Weissen Haus wohl bald auch so tun.
«End-to-end», oft als E2E abgekürzt, kommt aus der IT und beschreibt dort und mittlerweile auch allgemein im Projektmanagement eine ganzheitliche Herangehensweise, bei der ein Prozess oder System von Anfang bis Ende betrachtet, entwickelt und optimiert und kontrolliert wird. Es bedeutet, dass alle Schritte eines Workflows oder einer Anwendung abgedeckt werden, ohne auf externe Lösungen oder Subsysteme zurückgreifen zu müssen. Das ist bei der Entstehung dieser Kolumne definitiv anders.
Das Ende ist auch der Anfang
«Gib mir noch das Manfrotto aus dem Flying Case!» war meine erste Begegnung mit Fachsprache. Ich war blutjung, bei meinem ersten Einsatz als Roadie im Zürcher Hallenstadion. Der Befehl kam von einem tätowierten Muskelprotz, und ich verstand nur Bahnhof. Demonstrativ öffnete er die schwarze Rollkiste: «Flying Case!» Dann tippte er auf ein Stativ: «Manfrotto!» Ich merkte mir: Flying Case = Backstage-Rollkiste, Manfrotto = Dreibeinstativ zur Montage eines Verfolgerscheinwerfers.
Gebraucht habe ich diese Fachbegriffe später nie mehr. Aber Fachbegriffe haben mich seither fasziniert und stets begleitet. Ich notierte sie mir in Sitzungen, auf Zugfahrten, in Kantinen und Korridoren.
Für mich sind Fachbegriffe Insignien des Wissens und der Macht. Wer sie kennt, gehört dazu, wer fragend dreinblickt, wenn sie genannt werden, ist disqualifiziert. Fachbegriffe werden auf allen Hierarchiestufen, in jeder Situation des Geschäftsalltags, in allen Bereichen des Lebens eingesetzt: zur Demonstration, zur Bestätigung, zur Ausgrenzung, zum Selbstzweck und ab und zu auch, weil es keinen «normalen» Begriff dafür gibt.
So begann ich 2007 im NZZ Folio unter der Rubrik «Vom Fach» Dialoge aus allerlei Branchen zu «übersetzen» und tat dies über Jahre. Seit 2016 deute ich für m&k (danke Anna Kohler, Sarah Willi und Johannes Hapig) Begriffe, die mir in der Werbe-, Marketing- und Kommunikations-Welt begegneten. Wenn ich sie nicht kannte, liess ich sie mir von Fachleuten erklären. Mit der Zeit machte ich mir auch einen Spass daraus, bei Anwendern und Anwenderinnen nachzufragen und brachte sie damit in arge Verlegenheit. Und ja: Männer neigen eher dazu, mit Fachbegriffen zu prahlen, als Frauen. Und sie erklären Fachbegriffe auch sehr gerne – vor allem natürlich den Frauen. Aber damit ist jetzt zumindest hier Schluss. Nach über 150 Kolumnen ist es Zeit, aufzuhören.
Am meisten Beachtung fanden über all die Jahre übrigens diese drei Begriffe: «Crunchtime», «semi» und «Auslegeordnung». Auf Letzteren wurde ich vor allem von Deutschen Kolleginnen und Kollegen angesprochen, die sich dafür bedankten, dass sie nun endlich verstünden, was der Begriff bedeute (zurück auf Feld eins), woher er komme (Schweizer Armee) und weshalb die Dinge in der Schweiz so lange dauern (Endlosschleife).
Die «Crunchtime» ist gerade wieder aktuell: Wenn’s zum Jahresende noch draufankommt und sich zeigt, ob die Agenturen das Jahr retten und die Kunden ihre Budgets verballern können. Aber die vielen Klicks auf die betreffende Kolumne kamen wahrscheinlich eher von einigen Verirrten aus der wachsenden Menge an American Football Fans, aus dessen Vokabular «Crunchtime» stammt – seien wir ehrlich.
Aber auch «semi» ist wieder aktuell, aber aus persönlichen Gründen. Es beschreibt ein Gefühl, das gerade jetzt den Schreibenden umschleicht, beim Verfassen dieser letzten Zeilen. Einerseits habe ich es sehr gerne macht, andererseits ist der Moment gekommen, damit aufzuhören. End-to-End ist aber immer auch ein Anfang. Ein Anfang von etwas Neuem, auf das sie sich schon jetzt freuen dürfen.
* Per Ende 2024 übergibt Benno Maggi, Mitgründer von Partner & Partner, seine Kolumne an Sarah Pally. Lesen Sie hier das Interview.