Was bedeutet eigentlich… «framen»?

Benno Maggi befasst sich in seiner Kolumne «Was bedeutet eigentlich…?» mit Begriffen aus dem Marketing- und Kommunikationsbereich. Dieses Mal behandelt er den Begriff «framen».

Advent, Advent. So exzessiv wie gerade Kalendertürchen geöffnet und Fensterrahmen weihnachtlich geschmückt werden, werden aktuell in Sitzungen Frames geöffnet und thematisch geschmückt. Aber nicht erst in der Vorweihnachtszeit hat das Verb «framen» Einzug gehalten in der Lingo der Werbenden, Marketer und «Kommunikatiönler». Es geistert schon länger durch die Sitzungszimmer und meint gemäss Duden, etwas einordnen, kategorisieren oder zuordnen. Das zu tun, scheint heute wichtiger als früher.

Anders lässt sich die fast schon exzessive Verwendung nicht erklären. Das Wort gibt es nämlich schon länger. Es war der Soziologe Erving Goffman, der den Begriff «Framing» in den 1970er Jahren prägte und innerhalb der sogenannten Rahmenanalyse lancierte. Diese ist eine Art Interpretationsschema, das Menschen hilft, Alltagserfahrungen einzuordnen und soziale Erfahrungen und Ereignisse zu kategorisieren. In Zeiten wie diesen, eine gute Sache. Je komplexer alles wird, desto mehr wollen wir Situationen in bestehende Erfahrungsschemen oder eben Rahmen setzen, um sie zu verstehen. Wir können nämlich Fragen wie «Was geht hier eigentlich vor?» nur halbwegs befriedigend beantworten, wenn wir sie in Kontext zu bereits Erlebten stellen, ansonsten ist eine Situation für uns weder sinnhaft noch begreifbar. Von daher verständlich, dass grad alles geframed wird. Und trotzdem schwierig.

Es geht hier doch nur ums Marketing

Geframed wurde in der Soziologie und der Psychologie und von da gings über die Theater- und Filmwissenschaft in unsere Branche. Und wie es halt so ist, lechzt unsere Branche nach neuen Wörtern und setzt sie dann gleich im Übermass ein.

Wenn wir die Wahlen in den USA, den Krieg in der Ukraine und in Nahost, die Klimaveränderung, Migration, Gewalt, Wohnungsnot und andere Themen framen, um zu verstehen, was vorgeht, macht das Sinn. Wenn politische Organisationen und Akteurinnen und Akteure im Vorder- und Hintergrund Themen bis an die Grenze der Manipulation framen, um uns zu beeinflussen, dann wird das schwierig. In einem Land wie der Schweiz, wo die Medien fast ausschliesslich Milliardären gehören, müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie und von wem denn die öffentliche Meinung geformt und grosse Themen und Nachrichten geframed werden.

Warum sollten wir da denn nun auch noch in Marketingmeetings Kampagnen, Sujets oder Werbetexte framen? Können wir sie nicht einfach in unseren Meetings für gut, schlecht oder semigelungen beurteilen? Es geht hier doch nur um Marketing, nicht um die Gesellschaft oder gar Leben und Tod.

Lassen wir doch das Framen lieber in den Bereichen Psychologie, Politik und Medienanalyse. Nehmen wir es in Marketing und der Kommunikation bitte nur in den Mund, wenn es darum geht, bewusste oder manipulative Beeinflussungen der Wahrnehmung zu tätigen oder zu hinterfragen. Seien wir lieber achtsam in Bezug darauf, wo gerade etwas geframed und wo objektiv beurteilt wird. Sonst geht es uns wie Truman Burbank im Spielfilm «Die Truman Show», der erst realisierte, dass er sich nicht im realen Leben, sondern in einer Fernsehshow befindet, als ein Scheinwerfer vor ihm herunterfällt. Also, hinterfragt die grossen Rahmen und hört auf, Marketing-Entscheidungen zu framen – bitte. Öffnet und schmückt stattdessen nicht nur im Advent Türchen und Fensterchen, sondern auch im Denken.


Benno Maggi ist Mitgründer und CEO von Partner & Partner. Er lauscht seit über 30 Jahren in der Branche und entdeckt dabei für uns Worte und Begriffe, die entweder zum Smalltalken, Wichtigtun, Aufregen, Scrabble spielen oder einfach so verwendet werden können.

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