Marketingexpertin Mareen Eichinger: „Unternehmen müssen sich klar positionieren“

Wir haben die Berliner Marketingexpertin für PR und Kommunikation Mareen Eichinger gefragt, was sich in den letzten Jahren in ihrer Branche verändert hat. Im Gespräch schildert sie ihre Positionen zur Digitalisierung, dem Wandel der Medienlandschaft und der Wichtigkeit der Online-Kommunikation.

Mareen Eichinger, Inhaberin einer Berliner PR-Agentur, stellt fest, dass der Medienwandel noch nicht von allen Unternehmen verstanden wird. (Bild: zVg / macheete/PR )

Für ihre Berliner Agentur macheete und deren Kunden ist Mareen Eichinger jederzeit den neuesten Trends auf der Spur. Die Marketingexpertin hat ihr Unternehmen im Jahr 2010 gegründet und setzt seitdem die Konzeption und Umsetzung von Kommunikationskampagnen in den Bereichen Brands, Products, People und Lifestyle um. Im Gespräch erinnert sie immer wieder daran, dass für den langfristigen Erfolg vor allem Weiterentwicklung, Kommunikation und Nachhaltigkeit die Keypoints für ein fortschrittliches und erfolgreiches Unternehmen wichtig sind.

Frau Eichinger, Sie sind seit mehr als einem Jahrzehnt in der Kommunikationsbranche unterwegs. Wie sind Sie ursprünglich gestartet?
Mareen Eichinger: Bevor ich 2010 macheete gründete, war ich in einer klassischen Marketingagentur angestellt. Damals drehte sich in der Branche alles um das Thema 360 Grad Kommunikation. Integrierte Kommunikation hatte für Unternehmen und Agenturen die oberste Priorität und war das große Ding. Ziel war es, mit dem Kunden durch verschiedene Touchpoints immer und überall – meistens offline – zu kommunizieren, um ein ganzheitliches Markenerlebnis zu schaffen. Als Projektmanagerin war ich für sämtliche Themen innerhalb einer Kampagne zuständig. Dadurch, dass ich alle diese Schritte vom Anfang bis zum Ende durchlaufen bin, habe ich ein sehr großes Verständnis für ganzheitliches Marketing bekommen.

Was hat sich im Vergleich zu damals verändert? Wie nehmen Sie Kommunikation heute wahr?
Mareen Eichinger: Der Begriff 360-Grad-Kommunikation ist heutzutage natürlich immer noch relevant. Aber wir haben uns bei macheete in den letzten Jahren eher auf die Veränderung der Gesellschaft und der Mediennutzung sowie das geänderte Kommunikationsverhalten konzentriert. Daraus ergab sich für uns ein ganz neuer Ansatz im Kommunikationsprozess. Im Vordergrund stehen dabei sämtliche Instrumente der Online-Kommunikation mit den neuen digitalen Medien wie Internet, E-Mail oder soziale Medien. Es gibt Marken, die teilweise nur auf ihre eigenen digitalen Touchpoints setzen und damit unglaublich erfolgreich sind. Das bedeutet im Umkehrschluss, ich muss als Brand meinen Kunden heute nicht mehr überall suchen, sondern es reichen im Idealfall wenige Kanäle, um erfolgreich zu sein. Wir sehen uns daher bei macheete als Experten für einen Teilbereich der Kommunikation innerhalb des Marketing-Mixes an.

Seit 1995 sind die Auflagen von Tages- und Wochenendzeitungen stark gesunken. Wie sehen Sie die Entwicklung im klassischen PR-Bereich für die Unternehmenskommunikation?
Mareen Eichinger: Der Medienwandel bietet meiner Meinung nach sehr viele Chancen für beide Seiten. Zum einen für die Zeitungen, die sich neu erfinden und ihren Platz nun Online finden müssen. Da gibt es nämlich keinen Weg zurück. Zum anderen für viele Unternehmen, die leider immer noch nicht verstanden haben, dass Presse- und Öffentlichkeitsarbeit heutzutage mehr ist als eine Platzierung in der Tageszeitung von gestern. Die klassische PR-Arbeit ist beinahe tot und mit dieser Aussage bin ich keine Revolutionärin. Das müsste längst jedem, der sich mit dem Thema Kommunikation auseinandergesetzt hat, klar sein. Das Thema strategische Online-PR sollte meiner Meinung ab sofort in jedem Unternehmen die oberste Priorität haben.

„Das Thema strategische Online-PR sollte meiner Meinung ab sofort in jedem Unternehmen die oberste Priorität haben.“ (Bild: zVg / macheete/PR)

Wie kann es Unternehmen gelingen, hier eine ganzheitliche Strategie für die Zukunft aufzubauen?
Mareen Eichinger: Wer zukünftig relevant bleiben möchte, sollte sich im Internet verschiedene Assets aufbauen, um sein Unternehmen, seine Brand digital zu stärken. Dabei gilt es mit den richtigen Maßnahmen wie Online-PR, Content Marketing, SEO, Multiplikatoren und Social Media auf den unterschiedlichen Plattformen und Kanälen die eigene Botschaft strategisch zu verbreiten. Eine Online-Positionierung ist und bleibt auch zukünftig unumgänglich, um seine Zielgruppe zu erreichen. Diese wird nämlich mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit im Internet nach Antworten auf ihre Fragen suchen und dort auch interagieren. Inhalte dürfen nicht mehr länger für nur ein Medium produziert werden. Vielmehr sollten Unternehmen Inhalte entwickeln, die sie gleich auf mehreren digitalen Kanälen einsetzen können, um ihre Zielgruppe dort, wo sie sich aufhält, abzuholen.

Also alles wie früher, nur eben auf digitalem Wege?
Mareen Eichinger: Genau wie in der analogen Welt geht es im digitalen Kontext darum, meine Zielgruppe zu erreichen. Dabei bietet das Internet mit all seinen Möglichkeiten sogar die Chance, den Streuverlust durch genaues Targeting der Zielgruppe so gering wie möglich zu halten. Ich vergleiche das gern mit dem Plakat an der Bushaltestelle. Dort werde ich zwar von sehr vielen Menschen als Brand gesehen und habe eigentlich mein Ziel der Attention erreicht. Ich könnte als Unternehmen oder Brand also zufrieden sein. Aber, wenn ich ehrlich zu mir selbst bin, sollte ich mich fragen: Wer von denen, die mein Plakat gesehen haben, interessieren sich wirklich für mein Angebot? Und wie sieht die Antwort derer aus, die sich interessieren? Das passiert mir bei einer strategischen Platzierung von Inhalten im Web nicht so schnell. Ich werde definitiv von der richtigen Zielgruppe wahrgenommen und erhalte Antworten in Form von Traffic, Views, Likes, Shares oder gar Verlinkungen. Ich lasse also als Brand meine Zielgruppe für mich arbeiten, indem sie mir Feedback geben und setze meine Produkte ab. Klingt jetzt einfach, aber es ist bis dahin dennoch ein langer Weg.

Warum haben das viele Unternehmen noch nicht erkannt?
Mareen Eichinger: Im Gespräch mit Kunden stelle ich immer wieder fest, dass viele Personen, auch Geschäftsführer und Marketingverantwortliche, die Wichtigkeit der Online-Kommunikation einfach nicht erkennen wollen. Sie haben noch nicht realisiert, dass wir in einer digitalen Welt leben und es kein Zurück mehr gibt. Dann heißt es, ja aber die Geschäfte laufen ganz gut und kleine Schwankungen im Umsatz gibt es immer wieder. Oder es kommt die Aussage: Unsere Zielgruppe ist nicht online. Dabei wird schnell vergessen, dass sich auch Zielgruppen im Laufe der Zeit verändern. Sie verjüngen sich oder die gewohnte Zielgruppe schlägt den digitalen Weg ein und damit verändert sich auch ihr Kaufverhalten. Im Umkehrschluss heißt das zumindest: Wenn ich mich nicht online präsentiere, verpasse ich die Chance noch mehr Menschen zu erreichen.

Die Gesellschaft befindet sich aktuell in einem enormen Wandel, sei es politisch aber auch aus sozialer Sicht. Was empfehlen Sie Unternehmen?
Mareen Eichinger: Gerade jüngere Konsumenten erwarten von Unternehmen und Marken, dass sie sich bei bestimmten sozialen und politischen Themen positionieren. Das sieht man vor allem bei Themen wie Fridays for Future oder dem Pride Month. Und ich finde es super, dass es Brands wie Nike oder Ben & Jerry’s gibt, die sich hier klar positionieren. Marken werden zu Freunden und engagieren sich für ihre Konsumenten, treten für deren Belange und Rechte ein. Es gibt schon heute Studien, die belegen, dass Marken mehr Umsatz machen, wenn sie sich für gesellschaftliche Themen einsetzen, auch wenn das gerade sehr unmoralisch klingt. Und hier liegt auch meine Empfehlung: Wer sich für Themen wie Diversität, Inklusion oder Umweltschutz mal kurz einsetzt, weil es gerade ein Hype ist, der kann damit ganz schnell auf die Nase fallen. Ich empfehle deshalb eine PR-Strategie, die nachhaltig angelegt ist. Werte müssen zum Unternehmen und deren Zielgruppe passen. Corporate Social Responsibility ist kein Karnevalszug, auf den man als Marke einfach mal so aufspringt.

Butter bei die Fische: Hat die klassische Werbung als solches ausgedient?
Mareen Eichinger: Jein. Das Konsum- und Kaufverhalten von uns allen hat sich einfach sehr verändert. Während wir früher stark empfänglich für bunte Werbebilder waren und nahezu jeden Werbespot im Fernsehen auswendig und mitsingen konnten, sind davon heute doch meistens nur noch genervt. Aber auch Online lässt sich kaum noch jemand von einem blinkenden Banner auf einer Website beeindrucken, es sei denn man benötigt das Produkt gerade sowieso. Die Banner werden zudem auch kaum noch gesehen, denn wir alle sind zu Mobile Usern geworden. Hochwertige Inhalte, die Mehrwerte schaffen, sind wichtiger denn je. Und da kann die PR, die durch gute Storys immer mehr als Sale-Kanal fungieren kann, meiner Meinung in voller Blüte glänzen. Hier müssen PR-ler groß denken und Themen so gestalten, dass sie für diverse Kanäle einsetzbar sind.

Was sind für Sie abschliessend die wichtigsten Trends für das Jahr 2022?
Mareen Eichinger: Public Relations wird immer zahlengetriebener und daher noch enger mit der Marketing- oder gar Sales-Abteilung verknüpft. KPIs wie Traffic, Conversions, Leads und letztendlich Verkäufe werden dabei eine enorme Rolle spielen. Social Media Communities wachsen und gewinnen an Einfluss. Daher sind für mich persönliche Kontakte zu Journalisten, Bloggern und Influencern sehr wichtig, denn diese werden mehr und mehr mit Angeboten überhäuft. Nur eine langfristige und strategische Partnerschaft wird hier auf Dauer Erfolge erzielen. Mit Themen wie Nachhaltigkeit, Empowerment oder Diversity werden sich Unternehmen und Marken ständig auseinandersetzen müssen. Nicht nur das Klima und die Wirtschaft sind im Wandel, auch der Mensch in seinem Denken und Handeln. Damit sollten sich Unternehmen ernsthaft beschäftigen und dies in ihre zukünftige Strategie mit einfließen lassen. Kunden oder Konsumenten möchten wissen, wofür ein Unternehmen oder eine Marke steht und ob diese mit ihrer eigenen Weltanschauung übereinstimmt. Das wichtigste wird sein, Konsumenten in den Mittelpunkt zu stellen und sie über verschiedene Kanäle und individuellen Content zu erreichen.

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