Dank Behavioral Design: Millionen von Retouren könnten im E-Commerce vermieden werden
Mit Behavioral Design lässt sich ein Potenzial zur Vermeidung von jährlich über 15 Millionen Retourenpaketen erschliessen. Dies hat ein gross angelegtes Feldexperiment mit über 100'000 Online-Shoppern gezeigt.
Retouren belasten die CO2-Bilanz der E-Commerce-Unternehmen massiv. Zudem kosten sie viel Geld und den Kund:innen Zeit. Keine Frage also, dass eine Retourensenkung im Interesse aller Beteiligten liegt. Doch wie können Online-Händler ihre Kund:innen dazu bewegen, so einzukaufen, dass weniger Retouren anfallen? Das Beratungsunternehmen elaboratum hat gemeinsam mit behamics und der Universität St. Gallen das weltweit grösste Feldexperiment mit mehr als 100.000 Online-Shoppern durchgeführt. Partner der Studie waren die Initiative Leaders for Climate Action und der Handelsverband Deutschland (HDE). Es wurde empirisch untersucht, wie sich verhaltenspsychologische Interventionen auf das Rücksendeverhalten der Kund:innen auswirken. Die Erkenntnis: Mit dem Einsatz von Behavioral Design lassen sich jedes Jahr Millionen von Retouren und Tausende Tonnen CO2 vermeiden.
Einigkeit über die negativen Folgen von Retouren
Die Zahl an Retouren zu reduzieren, das wollen sowohl Händler wie auch die Kundschaft. Denn pro zurückgesandtes Paket zahlen die Händler rund 20 Euro im Schnitt. Kund:innen zahlen zwar meistens nichts, doch sie benötigen durchschnittlich über eine halbe Stunde, um eine Bestellung zurückzusenden. Nicht zu vergessen die CO2-Emissionen: Diese beliefen sich infolge von Retouren im Jahr auf 238’000 Tonnen. Das entspricht 125’000 Autofahrten von Hamburg nach Kapstadt – jedes Jahr! Das heisst, die Retouren machen den E-Commerce zu einer eigentlichen CO2-Schleuder. Wenn sich Rücksendungen wirksam vermeiden liessen, dann könnte der Online-Handel seine CO2-Bilanz massiv aufbessern.
Eine Absicht ist noch lange keine Aktion
Doch wenn die Fakten eigentlich bekannt sein sollten: Weshalb wird dann immer noch so viel zurückgeschickt? Eine Erklärung dafür liefert die so genannte „Intention-Action-Gap“ (elaboratum, 2021). Wir alle wollen nachhaltiger leben und dazu beitragen, das Paketvolumen mit der Vermeidung überflüssiger Retouren zu senken – die „Intention“ ist also vorhanden. Dennoch sinkt die Retourenquote seit Jahren nicht signifikant – an der „Action“ mangelt es offensichtlich. Denn im Entscheidungsmoment fehlt es an wirksamen Impulsen, die eigenen guten Intentionen in konkrete Aktionen zu überführen. Um herauszufinden, ob verhaltenspsychologische Interventionen das Retourenverhalten von Kund:innen beeinflussen können, haben elaboratum (Dr. Philipp Spreer), behamics (Dr. Thilo Pfrang) und die Universität St. Gallen (Dr. Marc Linzmajer) ein verhaltensökonomisches Retouren-Experiment durchgeführt.
Experiment mit Behavioral Design
Lässt sich eine Senkung der Retourenquote mit Hilfe von verhaltenspsychologischen Interventionen erreichen? In der Studie sollte die Frage geklärt werden, ob verhaltenspsychologische Interventionen die Lücke zwischen „Intention“ und „Action“ schliessen und das Retourenverhalten der Kund:innen signifikant beeinflussen können. Dazu wurde das echte Verhalten von Nutzer:innen in verschiedenen Online-Shops analysiert und ausgewertet. Grundlage dafür waren randomisierte Experimentaldesigns: Besucher:innen der Online-Shops wurde nach dem Zufallsprinzip an einem bestimmten Kontaktpunkt (z.B. Bestellbestätigung bei Kaufabschluss) oder ausgelöst von einer bestimmten Aktion (z. B. wenn mehrere Grössen eines Artikels in den Warenkorb gelegt werden) eine von mehreren hinterlegten Interventionen ausgespielt. Beispiele für solche Interventionen sind Verweise auf das Verhalten anderer Kund:innen (Soziale Normen) oder auf den persönlichen Zeitverlust, der durch eine Retoure entsteht (Verlustaversion). Die Reaktionen auf die Interventionen wurden dann mit dem Verhalten von Kund:innen verglichen, die keine entsprechende Botschaft gesehen haben. Durch dieses Vorgehen ist sichergestellt, dass die gemessenen Unterschiede zweifelsfrei auf die Wirkung der jeweiligen Intervention zurückgeführt werden können. So konnte ermittelt werden, welche Intervention eine retourenreduzierende Wirkung hat und wie stark diese ist.
Das Ergebnis: Der Einsatz von Behavior Patterns senkt die Retourenquote um rund 4%
Die Studienergebnisse belegen, dass verhaltenspsychologisch fundierte Interventionen zu signifikanten Verhaltensänderungen führen können – und das ganz ohne monetäre oder restriktive Massnahmen. Quer über vier durchgeführte Experimente hinweg wurde ersichtlich, dass die Retourenrate bereits mit den im Rahmen dieser Studie verwendeten Mitteln um rund 4 % gesenkt werden kann. Eine weitere konzeptionelle Verfeinerung der Interventionen, zusätzliche Behavior Patterns und Training des Interventionsalgorithmus könnten diesen Wert auf mindestens 5 % steigern, so die Autoren. Doch allein 4 % weniger Retouren bedeutet in Zahlen jährlich 15,75 Millionen weniger Rücksendepakete in Deutschland und damit rund 13.000 t weniger CO2 – um diese Menge zu kompensieren, müssten wir 13 Millionen grosse Bäume pflanzen.
Quelle und weitere Informationen: elaboratum