Notwendigkeit der Digitalisierung: Corona räumt Zweifel daran aus
Wer bis anhin an der Notwendigkeit der Digitalisierung gezweifelt hat, kommt wegen Corona nun wohl zu einem anderen Schluss. Dies zeigt eine Studie aus Deutschland, die den "Proof of Concepts" in Sachen Digitalisierung bei mittelständischen Betrieben untersucht hat.
Die Corona-Pandemie führt vor Augen, dass der Digitalisierungsgrad in vielen Unternehmen unabhängig von ihrer Grösse noch zu niedrig ist. Die Notwendigkeit der Digitalisierung und damit der zwingende Bedarf nach digitalen Geschäftsprozessen werde zwar erkannt, die teilweise längst erstellten Proof of Concepts würden aber noch viel zu wenig umgesetzt. Diesen Status-quo untermauerte die Geschäftsführerin des „SEF Smart Electronic Factory e.V.“ (www.SmartElectronicFactory.de) Maria Christina Bienek in einem Vortrag auf dem European Big Data Value Forum „Market uptake: Bringing AI and Data Science to Practice“. Der SEF Smart Electronic Factory e.V. betreibt mit seinen Mitgliedern aus Wirtschaft, Forschung und Wissenschaft in realen Fabriken umfassende Forschungs- und Entwicklungsumgebungen für Industrie 4.0-Anwendungen. Alle dabei entwickelten Lösungen haben zum Ziel, Industrie 4.0 – insbesondere für den Mittelstand – wirtschaftlich und nutzbringend in die Praxis zu bringen.
Notwendigkeit der Digitalisierung erkennen
Eine aktuelle Studie der Technischen Hochschule Mittelhessen (THM), Mitglied des SEF-Verein, belegt nun eine gewisse Trägheit, was die Digitalisierung anbelangt. In Deutschland habe die gute Auftragslage der vergangenen Jahre dazu geführt, dass insbesondere bei mittelständischen Unternehmen nicht genug Zeit und Energie in die Digitalisierung geflossen sei, erklärt etwa Prof. Dr. Gerrit Sames der Technische Hochschule Mittelhessen in Giessen.
Maria Christina Bienek, Geschäftsführerin des SEF Smart Electronic Factory e.V., ergänzt: „Viele Unternehmen sind nun sensibilisiert. Sie wissen ob der Notwendigkeit, benötigen jedoch praktische Beispiele dafür, wie die Digitalisierung funktionieren kann. Entsprechende Tests und Evaluierungen sind für sie sehr wichtig, damit der Mittelstand schnell weg von der Theorie hin zur bedarfsgerechten Umsetzung kommt.“
Standards für die Industrie 4.0 in Deutschland und Europa erforderlich
Stellvertretend für den SEF zeigte Maria Christina Bienek beim European Big Data Value Forum „Market uptake: Bringing AI and Data Science to Practice“ den Stand und die Entwicklung der Digitalisierung im deutschen Mittelstand auf. Unter anderem beleuchtete sie drei wesentliche Aspekte: Bedeutung von Tests und Beispielen für die Marktakzeptanz, die Besonderheiten der Fertigungsindustrie und die Voraussetzung eines gemeinsamen europäischen Datenraums für die Fertigung (Datenaustausch und Interoperabilität).
„Mit der Gründung der „Industrial Digital Twin Association“ und der europäischen Genossenschaft Gaia X wurden jetzt zwei Grundlagen gelegt, um ein transparentes, sicheres und anwendbares Umfeld für datengetriebene Geschäftsideen zu schaffen. Ein gemeinsamer europäischer Datenraum ist für die Fertigung ein wichtiger Grundstein für eine funktionierende digitale Wertschöpfung und wird positive Auswirkungen auf das deutsche und europäische Ökosystem haben“, erklärt Maria Christina Bienek. Sie ergänzt: „Die Herausforderungen für die Produktionsindustrie sind groß: weltweit vernetzte Lieferketten, Klimaschutz, Sicherheit … dies alles wird die Bereiche Technik, Produktion, Logistik, Mobilität, Dienstleistung und Verwaltung massiv verändern. Dafür muss Europa digitale Infrastrukturen schaffen, die die digitale Souveränität der Anwender gewährleisten, ansonsten wird der Mittelstand die Vorteile der Digitalisierung weiterhin nicht nutzen und die Möglichkeiten nicht ergreifen.“
THM-Studie unterstreicht: Unternehmen sollten Prioritäten überdenken
Die erwähnte Studie der Technischen Hochschule Mittelhessen wurde unter mittelständischen Unternehmen in Deutschland durchgeführt. 107 Firmen nahmen daran Teil. Beleuchtet wurde der Status-quo der Digitalisierung von Geschäftsprozessen und -modellen. „Es lässt sich zusammenfassen, dass nach wie vor das physische Produkt im Mittelpunkt der Geschäftsmodelle steht und wenig Möglichkeiten, wie z. B. Service-Angebote, zur Erweiterung genutzt werden. Bemerkenswert sind die Hinderungsgründe, warum bei der Digitalisierung der Geschäftsmodelle so wenig Fortschritt gemacht wurde. Die Antwort sind fehlende Kapazität und zu wenig ausgebildete Mitarbeiter, was vermutlich aus der Prioritätensetzung resultiert. Hier dominiert aktuell das Tagesgeschäft. Wir empfehlen die durch die Corona-Pandemie ausgelösten neuen Erkenntnisse zur Notwendigkeit der Digitalisierung schnellstmöglich in die Tat umzusetzen“, erklärt Prof. Dr. Gerrit Sames. Eine Empfehlung, die bestimmt nicht nur für KMU in Deutschland gilt…
Quelle: Smart Electronic Factory e.V.