Öffentlichkeitsprinzip bei IT-Beschaffungen: Wie fördert man Wettbewerb statt Korruption?
Die sechste IT-Beschaffungskonferenz bot Raum für eine brisante Debatte auf der Grundlage des bundesrätlichen Vorschlags zur laufenden Revision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen BöB. Vor über 350 Teilnehmenden sprach u.a. Nationalrätin Regula Rytz (Bild) über die politischen Kontroversen des BöB.
Die diesjährige IT-Beschaffungskonferenz zählte einen Besucherrekord mit über 350 Teilnehmenden aus dem Beschaffungswesen, aus Beratung und Informatik. Die Konferenz wurde durch die Forschungsstelle Digitale Nachhaltigkeit am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern, das Informatiksteuerungsorgan Bund ISB, die Schweizerische Informatikkonferenz SIK, den swissICT und die CH Open veranstaltet. Die hochrangigen Referierenden widmeten sich den IT-Aspekten der Gesetzesrevision und der Transparenz der Beschaffungsprozesse aus öffentlicher Hand.
IT-Beschaffungen des Bundes vor Paradigmenwechsel?
Im Vorfeld sorgte der bundesrätliche Vorschlag für Diskussionen, wie Nationalrätin Regula Rytz aufzeigt. Der Bund ist einer der grössten IT-Beschaffer der Schweiz und setzt die neuen WTO Regelungen voraussichtlich 2019 in Schweizer Recht um. Bis dahin gäbe es im Parlament noch viel zu diskutieren, unter anderem die anvisierte Ausdehnung der Freihandvergabe, die Entziehung aus dem Öffentlichkeitsprinzip und die Nachhaltigkeit der IT-Lösungen. „Absolute Transparenz und absolutes Vertrauen“, sei laut Rytz und BBL Direktor Pierre Broye die Basis, die die Revision des Beschaffungsrechts begründe. Dank der sauberen Grundlage sei mehr Spielraum für flexible Instrumente, wie das Dialogverfahren, anvisiert. Um der Korruption entgegenzuwirken und den Wettbewerb zu fördern seien funktionale und konkrete Ausschreibungen und ein genügend transparentes Bewertungssystem nötig. Andreas Amsler der IT-Firma Liip plädiert für eine Übersetzung des Micro-Services-Ansatzes aus der IT-Branche: analog zu den Kommunikationsprotokollen des Internets, könnten kollektiv geregelte Prinzipien und die Interoperabilität kleiner IT-Bausteine die staatlichen Grossprojekte ersetzen. Dies käme einem Paradigmenwechsel in der Vergabe von IT-Beschaffungen gleich.
Transparenz als höchstes Prinzip
Im Anschluss an den Fachsessions diskutierte der Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) Adrian Lobsiger auf dem Podium mit Regula Rytz, mit Beschaffungsexpertin Anja Nyffenegger sowie mit Thomas Fischer, Leiter der Beschaffungskonferenz des Kantons Bern, über die kontroversen Punkte des bundesrätlichen Gesetzesvorschlags. Wenn das Öffentlichkeitsprinzip ausgehöhlt werde, sei das erklärte Ziel der Transparenz ins Gegenteil verkehrt, kritisert Lobsiger. Fischer unterstrich die Bedeutung der Transparenz betreffend den Tätigkeiten des Staates, wies aber darauf hin, dass die Anbieter für einen wirksamen Wettbewerb auch Vertrauen in die Geheimhaltung ihrer Geschäftsgeheimnisse haben müssten.
Quelle: Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Bern