COVID-19-Überbrückungskredite – rechtliche und wirtschaftliche Folgen
Die neue Situation stellt viele KMU vor finanzielle Herausforderungen. Der Bund hat Pakete geschnürt, um ihnen in dieser schwierigen Zeit unter die Arme zu greifen. Diese sind jedoch an Bedingungen geknüpft.
Eine Studie der ZHAW School of Management zeigt, dass per Ende März 2020 mehr als 50% der kleinen und mittleren Unternehmen in der Schweiz damit rechnen, in den kommenden Monaten in finanzielle Schwierigkeiten zu geraten. Die Lage ist ernst. Entsprechend hat der Bundesrat am 26. März 2020 die COVID-19-Solidarbürgschaftsverordnung erlassen. Diese ermöglicht betroffenen Unternehmen einen raschen und unkomplizierten Zugang zu Liquidität. Die entsprechenden COVID-19-Überbrückungskredite sind beliebt, mehrere zehntausend Anträge sind bereits eingegangen. Unternehmen sind aber gut beraten, die rechtlichen und wirtschaftlichen (Langzeit-) Folgen dieser Kredite genau zu prüfen.
COVID-19-Überbrückungskredite können zur Überschuldung führen
COVID-19-Kredite können nicht nur die Rettung, sondern den Konkurs eines Unternehmens bedeuten. Art. 725 OR sieht vor, dass der Verwaltungsrat bei einer nachgewiesenen bilanziellen Überschuldung unverzüglich den Richter zu benachrichtigen hat. Unterlässt er dies, kann er für den Schaden infolge Konkursverschleppung haftbar gemacht werden. Während COVID-19-Kredite unter 0.5 Mio. Franken bis zum 31. März 2022 bilanzneutral erfolgen, sind Darlehen über 0.5 Mio. Franken vollumfänglich als Fremdkapital zu erfassen. Dies kann dazu führen, dass aufgenommen Darlehen – zusammen mit den im Rahmen von COVID-19 möglicherweise notwendigen Wertberichtigungen und Rückstellungen – kurz- bis mittelfristig zu einer Überschuldung führen.
Unternehmen, welche ihre Geschäftstätigkeit bereits in der Vergangenheit durch Kredite finanziert haben, riskieren durch Aufnahme des COVID-19-Kredits die Konkurseröffnung. Dies kann nicht nur zum Untergang des Unternehmens, sondern auch zu einer persönlichen Haftung des Verwaltungsrats führen. Eine sorgfältige Liquiditätsplanung und Bilanzanalyse sind damit zwingend notwendig, um trotz Überbrückungskredit langfristig den Konkurs zu verhindern. Es bestehen Hinweise, dass der Bundesrat dieses Problem erkannt hat und die Verordnung entsprechend anpassen wird.
COVID-19-Überbrückungskredite beschränken unternehmerische Handlungsfreiheit
Die Gewährung von COVID-19-Krediten erfolgt zwar rasch und unkompliziert, ist aber an Voraussetzungen geknüpft. So hält die Verordnung fest, dass während der Dauer des Kredits die Ausschüttung von Dividenden und Tantiemen, die Gewährung von Aktivdarlehen oder die Refinanzierung von Privat- oder Aktionärsdarlehen ausgeschlossen ist. Eine Rückzahlung von Aktionärsdarlehen (auch solche, welche als Kontokorrent verbucht sind) ist damit während der Darlehensdauer nicht zulässig. Ebenso ist die Weiterleitung des Kreditbetrags an eine mit dem beantragenden Unternehmen verbundene Person im Ausland unzulässig. Wer dies nicht einhält, kann strafrechtlich belangt werden.
Vor Kreditaufnahme: Situation und Alternativen prüfen
Der als kurzfristige Liquiditätsspritze ausgestaltete COVID-19-Kredit kann langfristig gravierende Folgen haben. Entsprechend sind Unternehmen gut beraten, sich in Ruhe folgende Gedanken zu machen:
- Zustands- und Strategieanalyse: Wie ist mein Unternehmen positioniert? Brauchen wir eine Anpassung unserer Unternehmensstrategie, um die Krise zu überstehen? Welche Liquidität benötigen wir in den nächsten Monaten? Können wir alternative Massnahmen wie betreibungsrechtlicher Rechtsstillstand, Steuerstundungen, Zahlungsaufschub der Sozialversicherungsbeiträge oder Steueroptimierungen zu unseren Gunsten nutzen? Bestehen überhaupt langfristige Sanierungsaussichten?
- Überschuldungssituation: Können wir gestützt auf die Erkenntnisse der Zustands- und Strategieanalyse die ausstehenden Kredite langfristig zurückbezahlen? Drohen dem Verwaltungsrat Haftungsrisiken, z.B. infolge Konkursverschleppung, Nichtbezahlung von AHV-Beiträgen oder anderen Pflichtverletzungen?
- Evaluation der Nachlassstundung: Legt die Liquiditätsplanung in den nächsten Monaten einen Zahlungsausfall nahe, ist zwingend auch das Instrument der Nachlassstundung zu prüfen. Während einer Nachlassstundung können Betreibungen weder eingeleitet noch fortgesetzt werden und der Schuldner kann unter dem Schutzmantel der Stundung Sanierungsmassnahmen treffen. Zudem sind die Lohnzahlungen während einer begrenzten Dauer durch die Auszahlung einer Insolvenzentschädigung sichergestellt. Für Unternehmen, welche vor der Corona-Krise finanziell gesund waren, ist Nachlassstundung damit ein mögliches Sanierungsinstrument.
Autoren:
Simon Roth und Alain Friedrich sind Partner und Rechtsanwälte bei Lex Futura AG. Die Kanzlei ist auf die rechtliche Beratung von Unternehmen, Geschäftsführungs- und Verwaltungsratsmitgliedern in Krisensituationen, insbesondere im Sanierungsrecht, spezialisiert.