Wo die Inkassoverfahren am kompliziertesten sind
Schweden, Deutschland und die Schweiz nehmen internationale Vorreiterrolle ein, wenn es darum geht, Inkassoverfahren möglichst schlank zu gestalten. Länder im Mittleren Osten sowie in Afrika und Asien haben hingegen die kompliziertesten Inkassoverfahren. Allerdings: Trotz guter Rahmenbedingungen in der Schweiz ist der Vorschuss der Gerichtskosten für viele Unternehmen ein grosses Hindernis.

Wie kompliziert es in den 50 wichtigsten Handelsnationen der Welt ist, Geld für ausstehende Rechnungen einzufordern, zeigt der Kreditversicherer Euler Hermes in seiner neuen Studie „Collection Complexity Score and Rating“. Dazu bewerteten die Experten von Euler Hermes den Komplexitätsgrad der internationalen Inkassoverfahren anhand von drei Hauptfaktoren: den Zahlungspraktiken, den lokalen Gerichtsverfahren sowie den Insolvenzverfahren in den betreffenden Ländern. Daraus ergibt sich eine Rangliste, die Unternehmen bei der Navigation ihrer internationalen Handelsaktivitäten unterstützen soll.
Hiesige Inkassoverfahren nichts aufs Ausland übertragbar
Obwohl die Schweiz in der Rangliste zu den Ländern gehört, die am wenigsten Unsicherheiten bei der Zahlung fälliger Forderungen aufweisen, können Schweizer Unternehmen diese Rahmenbedingungen nicht auf ihre Auslandsgeschäfte übertragen. In Inkassoverfahren gilt lokales Recht, das deutlich von der Schweizer Praxis abweichen kann.
Westeuropäische Länder an der Spitze
Bei einem weltweiten Durchschnittswert von 51 auf einer Skala von 1 (kein Komplexitätsgrad) bis 100 (hoher Komplexitätsgrad) führt Westeuropa die Skala mit den einfachsten Inkassoverfahren an. Vor allem Schweden, Deutschland und Irland weisen mit Werten von 30, 30, und 31 den niedrigsten Komplexitätsgrad auf. Schweden führt das Ranking mit den besten Zahlungspraktiken, dem einfachsten Gerichtsverfahren sowie dem wirksamsten Insolvenzrecht an.
Absolut und relativ finden sich in Europa die meisten Länder, die von Euler Hermes mit der niedrigsten Inkassokomplexität kategorisiert werden. 14 von insgesamt 16 untersuchten europäischen Ländern werden als „weniger komplex“ eingestuft, während Griechenland und Italien mit einer hohen Inkassokomplexität die Ausnahmen darstellen.
Gerichtskosten Schweiz: Vorschuss zu Lasten der Unternehmen
Aus der Euler Hermes Studie geht hervor, dass die grössten Volkswirtschaften, die dynamischsten Märkte und die solidesten Länder nicht in allen Bereichen durch geschäftsfreundliche Rahmenbedingungen gekennzeichnet sind. Auch in der Schweiz gibt es schwierige Aspekte im Inkassoverfahren. „Nach Vereinheitlichung der Zivilprozessordnung müssen Unternehmen neu die Gerichtskosten vorschiessen. Viele KMU können sich die hohen Gerichtskosten aber nicht leisten und können somit ihr Recht nicht einfordern“, meint Stefan Ruf, CEO von Euler Hermes Schweiz. Dies sei problematisch insbesondere für die grossen Schweizer Exporteure, zumeist mittelständische Firmen, so die Feststellung des Kreditversicherers. Unbezahlte Rechnungen könnten für solche Unternehmen schnell existenzbedrohend werden. „Deswegen ist die umfassende Einschätzung der Vertragspartner von Anfang an eine verlässlichere Basis als auf Standard-Mahnverfahren zu vertrauen – besonders in Ländern mit komplexen Rahmenbedingungen,“ so Ruf weiter. Und er hält fest: „Allgemein gilt: Ist das Geld nach 60 Tagen noch nicht da, wird es höchste Zeit, Inkasso-Experten mit internationaler Erfahrung einzuschalten.“ Je nach Kanton können die Gerichtskosten zusätzlich stark variieren:
- Streitwert CHF 20‘000: Kosten zwischen 8‘000–50‘000
- Streitwert CHF 100‘000: Kosten zwischen 20‘000–100‘000
- Streitwert CHF 1.5Mio.: 125‘000–500‘000
Das Schlusslicht bei Inkassoverfahren: der Nahe Osten
Am anderen Ende der Skala rangieren die Nahost-Länder Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate als Spitzenreiter in der Komplexität von Inkassoverfahren. Mit einem Wert von 94 ist das internationale Verfahren in Saudi-Arabien dreimal so kompliziert wie in Schweden. 78 von 100 Komplexitätspunkten auf der Inkasso-Skala bedeuten Rang drei für Malaysia, gefolgt von China (73), Russland (72), Mexiko (70), Indonesien und Südafrika (67).
Quelle: www.eulerhermes.ch