Beschaffungsrecht: Nicht mehr allein der tiefste Preis soll entscheiden

"Das wirtschaftlich günstigste vorteilhafteste Angebot erhält den Zuschlag." So heisst es gegenwärtig im Bundesgesetz für das öffentliche Beschaffungswesen (BöB). Dieses ist derzeit in Revision. Geht es nach dem Willen der nationalrätlichen Wirtschaftskommission, soll dieser Passus zwar nicht fallen. Aber besonders günstige Angebote sollen überprüft werden.

Im Beschaffungsrecht zeichnet sich ein Paradigmenwechsel ab: Nicht mehr allein der günstigste Preis, sondern auch die Plausibilität eines Angebots soll über den Zuschlag entscheiden. (Bild: Fotolia)

Der Bundesrat hat am 15. Februar 2017 die Botschaft zur Totalrevision des Bundesgesetzes über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) verabschiedet. Ein Hauptziel der Revision ist die Harmonisierung der Beschaffungsordnungen von Bund und Kantonen. Parallel dazu hat der Bundesrat auch die Botschaft zum revidierten WTO-Übereinkommen über das öffentliche Beschaffungswesen von 2012 (GPA) verabschiedet. Das neue Abkommen verbessert Transparenz und Marktzugang und ersetzt das ursprüngliche Abkommen von 1994. Ende Januar 2018 hat die nationalrätliche Wirtschaftskommission (WAK-N) in ihrer Detailberatung einige wegweisende Entscheide gefällt, vor allem hinsichtlich der Auftragsvergabe nach dem günstigsten Preis.

Paradigmenwechsel im Beschaffungsrecht

Kommt es also zu einem Paradigmenwechsel im Beschaffungsrecht, wonach nicht mehr allein der günstigste Preis entscheidet? Die Wirtschaftskommission des Nationalrats will nämlich eine Plausibilisierung von Dumpingangeboten im revidierten Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen festschreiben. Dies hat sie im Rahmen der erwähnten Detailberatungen zur Beschaffungsrechtsrevision (BöB) einstimmig beschlossen. Ungewöhnlich niedrige Angebote sollen inskünftig genauer überprüft werden. „Heute ist ein guter Tag für die Beschaffung intellektueller Dienstleistungen“, jubelt Heinz Marti, Präsident der Vereinigung beratender Ingenieurunternehmungen usic und Co-Präsident der Allianz für ein fortschrittliches öffentliches Beschaffungswesen (AföB). „Nun muss dieser Paradigmenwechsel auch in der Praxis umgesetzt werden“. Auch Stefan Cadosch, Präsident des SIA und AföB-Co-Präsident, zeigt sich gemäss einer Medienmitteilung hocherfreut: „Die Politik hat endlich erkannt, dass intellektuelle Dienstleistungen nicht wie standardisierte Waren beschafft werden können“.

Angebotsplausibilisierung als Zuschlagskriterium

Die WAK-N hat am 31. Januar mitgeteilt, dass sie beabsichtigt, dem Natioanalrat griffige Massnahmen gegen Dumpingangebote zu beantragen. Mit 29 zu 0 Stimmen bei 2 Enthaltungen hat die Kommission beschlossen, das Anliegen der AföB, einem Zusammenschluss von Verbänden und Organisationen, deren Mitglieder intellektuelle Dienstleistungen an öffentliche Auftraggeber anbieten, nach der Einführung einer Angebotsplausibilisierung in die Zuschlagskriterien aufzunehmen. Dies ist ein wichtiger Schritt, um unsinnige Preisofferten zu bekämpfen und die Qualität von Angeboten zu verbessern. Die Kommission hat mit 16 zu 6 Stimmen bei 2 Enthaltungen ein weiteres Anliegen der AföB aufgenommen, wonach ungewöhnlich niedrige Angebote strenger überprüft werden müssen. Die Prüfungspflicht, welche bisher nur bei Anbieterinnen aus dem öffentlichen Sektor galt, soll nun für alle eingereichten An-gebote gelten. Damit erhalten die Vergabebehörden ein griffiges Instrument, um gegen reine Tiefpreisangebote vorgehen zu können.

Echter Preis-Leistungs-Wettbewerb rückt näher

Ferner hat die Kommission den Begriff „wirtschaftlich günstigstes Angebot“ präzisiert, dass damit dasjenige Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis sein soll. Die AföB hat zwar gefordert, dass die Formulierung durch das „vorteilhafteste Angebot“ ersetzt werden solle. Jedoch ist die Präzisierung im Sinne der Allianz, welche statt eines reinen Preis- einen echten Preis-Leistungs-Wettbewerb im Beschaffungsrecht fordert.

Weitere Informationen und Argumente: http://www.afoeb.ch/argumente/

 

 

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