Schweizer KMU sehen Zahlungsmoral kritischer als EU-Kollegen

Steigende Debitorenrisiken und administrative Herausforderungen: Schweizer KMU blicken kritischer nach vorne als der europäische Schnitt. Dies lässt sich aus dem European Payment Report 2017 von Intrum Justitia herauslesen.

Sinkende Zahlungsmoral: Schweizer Unternehmen befürchten, dass Zahlungsverzögerung weiter zunehmen. (Bild: Fotolia.com)

Als repräsentative Studie bei mehr als 10 000 Unternehmen in 29 Ländern veranschaulicht der European Payment Report 2017 (EPR2017) auch die Schweizer Zahlungsmoral im Länderreport: Rund drei Viertel der Unternehmen hierzulande befürchten höhere Ausfallsrisiken bei ihren Kunden. Zusammen mit der Sicht auf administrative Herausforderungen bei Prozessen und der Buchhaltung, können diese Risiken zu Umsatzeinbussen führen und Unternehmenswachstum blockieren.

Dazu kommt: Fast jedes zehnte (9%) der kleinen und mittelständischen Schweizer Unternehmen (KMU) könnten laut Studie mehr Arbeitsplätze schaffen, wenn ihre Kunden Rechnungen pünktlich bezahlen würden. Der Länderreport des EPR2017 zeigt mögliche Einflüsse rechtzeitiger Zahlung auf die wirtschaftliche Situation in unserem Land deutlich: „Bessere Zahlungsmoral bringt Schweizer Unternehmen mehr Arbeitskraft. Darin liegt immenses Potenzial für den Arbeitsmarkt und dadurch auch für die nachhaltige Stärkung der Schweizer Wirtschaft“, ist Thomas Hutter, Managing Director Intrum Justitia Schweiz AG, überzeugt.

Kein Geld, Administration und Vorsatz – als Gründe für Zahlungsverzug

Hintergründe für den Zahlungsverzug ihrer Kunden sehen befragte Schweizer Unternehmen zwar noch immer grösstenteils in finanziellen Schwierigkeiten (85%, +8%), aber die administrativen Herausforderungen haben als Risikofaktor gegenüber 2016 um 15% auf 70% zugelegt. Auch absichtliche Verzögerung sehen Unternehmen nach wie vor als einen der Hauptgründe für die sinkende Zahlungsmoral (68%, +4%). Beim Bezahlen haben Herr und Frau Schweizer den europäischen Schnitt mittlerweile ein- und überholt. Im letzten Jahr hinkte die Schweiz – bei vergleichsweise langen durchschnittlichen Zahlungsfristen – noch hinterher. Beide Werte sind im Vergleich zum Vorjahr noch stärker zurückgegangen – sprich: Schweizer KMU gewähren kürzere Zahlungsfristen und zahlen selbst auch schneller.

Zahlungsfrist in Tagen (2016)         Zahlung nach Tagen (2016)      
CH

 

Europa

 

CH

 

Europa

 

B2C 26 (27) 24 (20) 30 (31) 24 (21)
B2B 27 (30) 32 (30) 34 (37) 37 (36)
Öffentliche Hand           31 (34) 33 (29) 39 (45) 41 (36)

 

Verlust, Abbau und Existenzbedrohung – als Risiken nach Zahlungsverzug

Rund ein Drittel der befragten Unternehmen in der Schweiz gibt an, Umsatzeinbussen in Kauf nehmen zu müssen. Die Hälfte befürchtet sogar Liquiditätsengpässe aufgrund zu spät bezahlter Forderungen. Und während jedes siebte Unternehmen Arbeitsplätze deswegen streicht, fürchtet sogar jedes fünfte KMU um seine Existenz aufgrund solcher Zahlungsausfälle.

Der Blick aufs nächste Jahr ist getrübt

Jedes vierte KMU (25%) geht hierzulande davon aus, dass ihre Kunden in den nächsten zwölf Monaten noch später bezahlen werden als zum Zeitpunkt der Befragung. Eine pessimistische Sicht auf die Entwicklung der Zahlungsmoral, die nur 12% der Unternehmen in unseren europäischen Nachbarsländern teilen – die Hälfte weniger als in der Schweiz.

58% der befragten Schweizer Unternehmen haben schon einmal Zahlungsfristen akzeptiert, die länger waren, als sie es sich gewünscht hätten. Vor allem multinationale Unternehmen verlangen immer stärker nach längeren Zahlungsfristen, ein Anstieg um 10% auf 42% in der Studie. „Zahlungsverzug und -ausfall führt zu einer negativen Spirale – Umsatzeinbussen, Liquiditätsengpässe und damit Wachstumsblockaden. Vor allem bei KMU – dem Rückgrat unserer Wirtschaft – die am stärksten betroffen sind. Hier muss die Zahlungsbereitschaft besser werden – die KMU gilt es zu stützen“, fordert Hutter. Vor diesen steigenden Risiken von Zahlungsverzügen und -ausfällen versuchen sich Unternehmen hauptsächlich mit Bonitätsprüfungen und Inkasso zu schützen.

Was tun gegen sinkende Zahlungsmoral?

Intrum Justitia empfiehlt verschiedene Massnahmen auf allen Ebenen (lokal, national und international), um Zahlungsverzug zu mindern. Hier die wichtigsten Tipps:

  1. Erarbeiten und implementieren Sie eine ausgewogene und solide Kreditpolitik, um Risiken und Wachstum im Griff zu haben und entwickeln Sie diese kontinuierlich weiter.
  2. Bewerten und verfolgen Sie das in Ihrem Kreditmanagement-Prozess eingesetzte Kapital, um die Kapitalkosten zu senken.
  3. Stellen Sie sicher, dass Sie die Kunden, mit denen Sie Geschäfte tätigen, auch kennen.
  4. Legen Sie Ihre Geschäftsbedingungen in den Verträgen mit Ihren Kunden genau fest.
  5. Beziehen Sie Vertrieb, Marketing und Finanzabteilung ein, um einen effizienten Rechnungsstellungsprozess zu schaffen und Zahlungsausfälle zu vermeiden.
  6. Führen Sie ein Monitoring von Wirtschafts- und Branchen-Informationen durch, inklusive der Solvenz Ihrer Schlüsselkunden und prüfen Sie regelmässig Ihre Kundenadressen.
  7. Reduzieren Sie Kundenverluste und stärken Sie die Kundenbeziehungen, indem Sie Ihren Kreditprozess auf Basis von Zahlungsverhalten und Solvenz der Kunden steuern.
  8. Führen Sie ein zügiges Mahnverfahren ein und berechnen Sie Verzugszinsen, soweit dies möglich ist.
  9. Gewichten Sie Ihre Kundenstruktur nach Risiko- und Wachstums-Potenzial.
  10. Handeln Sie sofort, um Zahlungsausfälle zu vermeiden. Verzögern Sie den Prozess nicht.

Weitere Informationen: Intrum Justitia AG

 

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