Löwen beissen sich an hohen Firmenbewertungen die Zähne aus

Am 15. November 2022 wurde die vorerst letzte Sendung der vierten Staffel von «Die Höhle der Löwen Schweiz» ausgestrahlt. Auch dieses Mal zeigte sich, wie zu hohe Firmenbewertungen etwaige Investoren abschrecken können.

Sorgten für einen Jöh-Effekt bei den Löwinnen und Löwen: Die Models von Kidis. (Bild: Filip Stropek / CH Media)

Mit Umbau-Ideen für Offroader wollten Stefan Wermelskirchen und Andreas Galliker aus Hünenberg (ZG) vor allem die Outdoor-Fans Tobias Reichmuth und Roland Brack zu einem Investment überzeugen. Unter der Marke «Offroad4u» haben die beiden Kabinen entwickelt, mit denen sich gängige Pickups für Offroad-Touren umrüsten lassen. Stefan Wermelskirchen hat das Design dazu selbst entworfen. Im Angebot stehen derzeit verschiedene Grössen für diese Aufbauten. 250’000 Franken gegen 25 Prozent Firmenanteil, so lautete der Kapitalbedarf, mit dem die beiden die Höhle der Löwen betraten. Und dort erwarteten sie die gewohnt kritischen Fragen: Ist der Markt für Pickups gross genug? Wie sind die Umsatzerwartungen? Und wie geht die Vermarktung des Produkts mit dem Führen eines Garagenbetriebs und dem Anbieten von Touren zusammen? Tobias Reichmuths empfahl: «Macht eine einzige Firma für Eure Aufbauten», stieg als Investor aber aus. Auch die anderen Löwinnen und Löwen sagten ab. Die beiden nahmen das Verdikt sportlich und sind überzeugt, den eingeschlagenen Weg weiterzugehen. «Dann setzen wir halt auf organisches statt auf schnelles Wachstum», so ihr Fazit.

Doppel-Investment für Kindermode

Mit Kidis, Secondhand Kinder- und Frauenmode stiegen Pascal Arnold und Adriana Blasi aus Büron (LU) ins Rennen. Auf ihrer Online-Plattform können gut erhaltene Kinder- und Frauenmode gekauft und verkauft werden. 100’000 Franken gegen 10 Prozent Firmenanteile wollten die beiden investiert haben. Das Potenzial ist gross – zu viele Kinderkleider werden nur kurz getragen und wandern dann irgendwo in den Keller – und auch das jährliche Wachstum von 1,5 Prozent des gesamten Secondhand-Markts schien ein überzeugendes Argument. Zwei der Löwinnen und Löwen waren denn auch vom nachhaltigen Denken des Start-Ups begeistert, während Lukas Speiser Zweifel an der Skalierbarkeit hegte und deshalb nicht investieren wollte. Auch Anja Graf und Jürg Schwarzenbach stiegen aus. Roland Brack machte ein Angebot von 100’000 Franken, allerdings gegen 15 Prozent Firmenanteile. Tobias Reichmuth war bereit, noch 50’000 Franken hinzuzulegen. Insgesamt ging es dann also um ein Investment von 150’000 Franken. Auch wenn Pascal Arnold und Adriana Blasi hier einen höheren Anteil ihres Unternehmens abgeben mussten, schlugen sie das Angebot nicht aus. Einmal mehr schien die Verbindung von Nachhaltigkeit und Fashion zu verfangen. Schon in der dritten Staffel erhielt Adretto, eine Mietplattform für Herrenanzüge, ein Investment, und zwar von Jürg Schwarzenbach, der sich in einem Einspieler sehr zufrieden zeigte mit der weiteren Entwicklung dieses Unternehmens.

Ein guter Verkäufer: Soresh Mauludi präsentiert sein praktisches Küchensieb, blieb aber ohne Deal. (Bild: Filip Stropek / CH Media)

Gut verkauft, aber ohne Investment

Verreaux Swiss, so heisst die Firma von Soresh Mauludi aus Zug. Er hat ein innovatives Küchensieb entwickelt, und das kam so: Er war bei einem Date so nervös, dass er sich beim Spaghetti abgiessen ordentlich die Finger verbrannt hat. Die Idee zum Küchensieb S One war geboren, für das Soresh Mauludi nun ein Investment von 100’000 Franken gegen 10 Prozent Beteiligung forderte. Das Produkt ist aus hochwertigem Chromstahl hergestellt und soll auf jede Pfanne passen, wie er auch den Löwinnen und Löwen demonstrierte. Auf den TV-Zuschauer wirkte der Mechanismus allerdings etwas umständlich, und auch Lukas Speiser merkte an, dass man Pasta zusammen mit dem kochenden Wasser ja einfach in ein herkömmliches Küchensieb, das man in die Spüle stellt, abgiessen könnte. Stolz ist auch der Preis: 49 Franken. Doch alle Hinweise der Investoren auf die Preiselastizität bei Skalierung des Produkts schlug der Gründer in den Wind. Und auch mit der Firmenbewertung von 1 Million Franken bei gerade mal 200 verkauften Produkten schuf er sich keine guten Voraussetzungen für ein Investment durch einen der Löwen oder eine Löwin. Es kam wie es kommen musste: Soresh Mauludi musste mit leeren Händen die Höhle der Löwen wieder verlassen.

Kein Abrücken von hohen Firmenbewertungen

Mit Hegias, vertreten durch Tuan Nguyen und Patrik Marty aus Zürich, ist es möglich, ein 3D-Bauprojekt per Knopfdruck, intuitiv in die Virtual Reality zu laden. Das Geplante kann so aus allen Perspektiven betrachtet und erlebt werden. 500’000 Franken zu 2,5 Prozent Firmenanteilen, so lautete der Kapitalbedarf der beiden. Die Live-Demo des Gadgets stiess auf viel Wohlwollen, insbesondere bei Bettina Hein. In der Tat schien die Idee bestechend. Insbesondere nicht-professionelle Bauherrschaften können sich damit viel einfacher ein Bild der Baute machen, als ab konventionellen Bauplänen. Doch wie sieht es bei den Profis aus? Tuan Nguyen und Patrik Marty konnten bereits namhafte Bau- und Immobilienunternehmen nennen, mit denen sie zusammenarbeiten. Trotzdem: Die Kritik von Anja Graf, die mit ihrem Unternehmen Visionapartments viele Bauprojekte realisiert, war vernichtend. «Jedes CAD-Programm kann besser visualisieren», so ihr Eindruck. Zudem mache sie mit den konventionellen Planungswerkzeugen sehr gute Erfahrungen. «Weshalb braucht es dazu noch VR?», so ihre ketzerische Frage. Die beiden Firmengründer mussten da einräumen, dass es sicher noch Entwicklungspotenzial gäbe. Doch noch etwas anderes führte dazu, was die Löwinnen und Löwen störte: Die hohe Firmenbewertung. 20 Millionen betrug diese, dabei hatte das Unternehmen erst einen Umsatz von 300’000 Franken erwirtschaftet. Dennoch bot Bettina Hein 500’000 Franken, allerdings gegen 5 Prozent Beteiligung, weil sie das Produkt cool fand, wie sie sagte. Und auch Roland Brack wollte mit einer halben Million gegen 5 Prozent Firmenanteil einsteigen. Doch die beiden Unternehmer lehnten ab, weil ihnen – wie sie sagten – bei der Firmenbewertung die Hände gebunden seien. Als Aussenstehender konnte man da nur vermuten: War da womöglich schon ein anderer Investor im Spiel?

Die beiden Gründer von Hegias hätten eigentlich einen Deal auf sicher gehabt, wollten aber dafür nicht die geforderten Firmenanteile an die Investoren abtreten. (Bild: Filip Stropek / CH Media)

Wenn sich eine Löwin „viganisieren“ lässt…

Der vegane Onlineshop vigan, ins Leben gerufen von Patrick Embacher und Pia Sommer aus Chur, scheint jetzt schon erfolgreich unterwegs zu sein: Hunderte vegane Produkte werden über dies Plattform bereits verkauft, darunter 30 eigene. Das Start-up habe schon über 13’000 Kunden gewonnen, wie die beiden Gründer in der Sendung verrieten. Nun soll es aber weiter vorwärts gehen: 250’000 Franken gegen 5 Prozent Firmenbeteiligung benötigen sie dazu. Noch mehr Kundenkreise sollen „viganisiert“ werden. Selbstverständlich boten sie auch gleich eine Degustationsrunde an, die Investorinnen und Investoren durften kosten – und waren verblüfft vom Lyoner. Doch bezüglich Geschäftsmodell setzten sie dann doch noch ein paar Fragezeichen: Wie war das nun genau mit eigenen und fremden Produkten auf der Plattform? Welche Rolle sollen White Label-Produkte spielen? Und wie viel Konkurrenz gibt es eigentlich schon? Für Tobias Reichmuth, der sonst sehr angetan ist von veganen und vegetarischen Produkten, war das Konzept noch zu wenig straff; er wollte deshalb nicht investieren. Auch die anderen Löwen schlossen sich ihm an. Einzig Anja Graf liess sich «viganisieren»: Sie machte ein Angebot von 250’000 Franken, wollte dafür aber 10 Prozent Firmenbeteiligung. Pia Sommer und Patrick Embacher zögerten nicht lange und stiegen auf den Deal ein.

Zu hohe Firmenbewertungen zum zweiten

Das Start-Up maison (Schweiz) GmbH aus Zürich will das Problem der ungenutzten Arbeitsplätze in Büros angehen: Firmen mit freien Arbeitsplätzen können diese über die Plattform maison.work vermieten. Mit einem Investment von 400’000 Franken gegen 10 Prozent Firmenbeteiligung wollten die drei Gründer Marc Schwery, Dominic Frei und Remo Stahl aus Zürich durchstarten. Denn ihre Idee ist eigentlich clever: Nicht nur lassen sich über ihre Dienstleistung freie Arbeitsplätze nutzen, sondern auf diese Weise auch Bürogemeinschaften bilden, die sich gegenseitig bereichern können. Dies alles klang für Roland Brack aber etwas unausgegoren: Irgendwo zwischen klassischen Immobilienplattformen und Coworking-Spaces – mit einem Schuss Airbnb und Dating-Plattform. Und ebenfalls für Stirnrunzeln sorgte die hohe Firmenbewertung. Denn erst 319 Arbeitsplätze in 19 Locations konnten vermietet werden – Transaktionen im Gesamtumfang von 140’000 Franken in etwa, rechneten die drei vor. Anja Graf fand zwar, dass die Idee an sich funktionieren könne, denn auch sie habe mal ähnlich angefangen. Doch die hohe Firmenbewertung hielt sie von einer Investition ab, ebenso Lukas Speiser. Auch Roland Brack und Jürg Schwarzenbach verzichteten auf eine Investition. Patrick Mollet zögerte am längsten. Sein Problem war aber: Er ist schon in der Coworking-Plattform tadaa investiert und hätte einen Interessenskonflikt. Also kam letztlich kein Deal zustande. Am Selbstbewusstsein der drei Firmengründer tat dies aber keinen Abbruch, sie wollen ihr Ding weiter durchziehen. Aber am Schluss – dies auch als Fazit zur ganzen Staffel – musste man sich durchaus immer mal wieder fragen: Wie in aller Welt kommen zu derart hohen Firmenbewertungen?

Weitere Informationen zu den nächsten Sendungen: https://www.oneplus.ch/detail/1000604

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