Wenn sich Löwinnen und Löwen um ein Startup reissen…
Am 18. Oktober 2022 versuchten wiederum sechs Startups die Investorenrunde, bestehend aus Bettina Hein, Anja Graf, Tobias Reichmuth, Roland Brack, Jürg Schwarzenbach, Patrick Mollet und Lukas Speiser, von sich zu überzeugen. Die dritte Sendung der vierten Staffel brachte zum Schluss Überraschendes.
Den Anfang der nunmehr dritten Sendung der aktuellen Staffel von «Die Höhle der Löwen Schweiz» machten Leonardo Reinhard und Sven Affeltranger aus dem zürcherischen Küsnacht mit ihrer Erlebnis-App «InClub». Ob Grillparty, Spielabend oder Ski-Tag: Mit der «InClub»-App lassen sich private Events organisieren und finden. Die User treffen sich im echten Leben. So wollen die Gründer die oft zitierte Einsamkeit der Generation Z bekämpfen. 60 Prozent dieser Generation fühle sich mindestens einmal pro Woche einsam, so die beiden Gründer. Trotz vieler Likes und Follower auf den heutigen Social Media-Kanäle verstärke sich dieses Problem sogar noch. Mit ihrer Erlebnis-App – «das Airbnb für Erlebnisse» – haben die beiden schon mehrmals den ersten Platz in den App-Store-Charts erobert. 15’000 Nutzer, 450 Erlebnisse, Unterstützung durch Swisscom und Oracle und ein hoch motiviertes Team hinter den beiden Gründern sollen der App zum weiteren Erfolg verhelfen. Um die laufende Finanzierungsrunde abzuschliessen, möchten Leonardo und Sven die Löwinnen und Löwen zu einem Investment von 155’000 Franken gegen fünf Prozent Firmenanteile überzeugen. Es folgten zunächst die üblichen Fragen nach Umsatz und Positionierung. Wie lässt sich zum Beispiel «Rumhängen» kommerzialisieren? Die beiden wurden nicht müde, die Einzigartigkeit und den Fokus auf die junge Zielgruppe ab 14/15 Jahren zu betonen. Bettina Hein preschte gleich vor und bot das gewünschte Investment, Roland Brack bot ebenfalls 155’000, auch Tobias Reichmuth zeigte sich überzeugt und machte dasselbe Angebot. Die beiden begeisterten auch Lukas Speiser mit ihrer Energie. Sie hatten dann die Qual der Wahl und entschieden sich für Bettina Hein und Lukas Speiser. Damit gingen die Jungunternehmer gleich mit dem Doppelten des Angestrebten aus dem Studio.
Viel Goodwill, aber trotzdem kein Deal
Marcel Roesch aus Thun ging «help2type», einer Tipphilfe für Sehbehinderte, ins Rennen. Sein Startup ermöglicht blinden und sehbehinderten Menschen das Tippen auf ihrem Smartphone. Gründer Marcel Roesch ist selbst fast blind. Er hat eine fühlbare Tastatur entwickelt, die an jedem Smartphone befestigt werden kann. Die Verbindung erfolgt über Bluetooth und funktioniert sowohl für iOS und Android. Das Produkt klingt vielversprechend. Sein Ziel: In der Höhle der Löwen einen strategischen Partner finden: 20 Prozent für 280’000 Franken lautete Marcel Roeschs Vorstellung. Und das Potenzial, das er in seinem Pitch erläuterte, scheint gross: Allein in der Schweiz gebe es 300’000 Betroffene. Bei einem Verkaufspreis von 200 Franken ergäbe das ein Volumen von 60 Millionen Franken. Den Einstandspreis bezifferte Marcel Roesch mit etwas mehr als 70 Franken. Wie so oft war es Tobias Reichmuth, der den schönen Zahlen etwas auf den Zahn fühlte. Was ihn etwas frappierte, war die relativ geringe Anzahl verkaufter Geräte innerhalb der letzten zwei Jahre. Auch der hohe Preis sorgte für Fragezeichen. Oder ist das Bedürfnis innerhalb der Zielgruppe doch nicht so hoch? Lukas Speiser lobte zwar das Produkt, sah es aber für sich nicht als Investment-Case. Ins gleiche Horn stiess Tobias Reichmuth. Anja Graf sagte, sie würde das Produkt zwar kaufen, doch für ein Investment stimmten für sie die finanziellen Proportionen ebenfalls nicht. Jürg Schwarzenbach stellte sich immerhin zur Verfügung, mit dem Gründer mal eine Auslegeordnung zu machen. Doch ein Investment gab es auch von ihm nicht, wie auch nicht von Roland Brack. Fazit: Viele lobende Worte, und dem einen oder anderen Investor blutete auch das Herz, eine Absage erteilen zu müssen, weil halt die Verkaufszahlen nicht überzeugend waren.
Eine trendige Idee findet Gefallen bei den Löwinnen und Löwen
Sarah von Aesch und Raphaell Schär aus Brugg (AG) präsentierten anschliessend den Online-Garten «MyFeld». Das funktioniert so: Das Start-up verkauft jede Saison Gartenflächen, auf der die Kunden online bestimmen, was angepflanzt werden soll. Das Gemüse bekommen sie dann nach Hause geliefert – auch die krummen nicht nur die geraden Rüebli. Die Zielgruppe: Alle, die gerne selbst gezogenes Gemüse essen, aber über keinen eigenen Garten verfügen. Und nicht zuletzt möchte «MyFeld» helfen, den Foodwaste zu reduzieren. Ihr Kapitalbedarf, mit dem sie die Löwin und Löwen konfrontierten: 375’000 für fünf Prozent Firmenanteile. Damit wollen sie 1 Prozent Marktanteil am gesamten Gemüsemarkt der Schweiz erreichen.
Für ihr Konzept ernteten die beiden Lob von den Löwinnen und Löwen. Seit 2020, dem Gründungsjahr, wurde ein Umsatz von 120’000 Franken erzielt (Saison 2021). Dann die kritischen Fragen der Investoren: Jürg Schwarzenbach etwa hinterfragte die hohe Bewertung. Und auch die Umsatzentwicklung sorgte etwas für Stirnrunzeln. Anja Graf zweifelte an der Skalierbarkeit und stieg aus. Lukas Speiser hieb in die gleiche Kerbe und verzichtete ebenfalls auf ein Investment. Tobias Reichmuth hingegen machte ein Angebot: 375’000, aber gegen 10 Prozent Beteiligung. Auch Roland Brack und Jürg Schwarzenbach waren gemeinsam für dasselbe Angebot bereit. Sarah und Raphaell wollten aber lieber Roland Brack zusammen mit Tobias Reichmuth. Jürg Schwarzenbach zog sich dann zurück und liess den beiden anderen Löwen den Vortritt. So kam dann ein Deal zustande.
Und nochmals ein «Leider nein»
«SavaSano Natur Pur» – hinter dieser Linie für Naturkosmetik steht Sandro Savastano aus Zug. Der Jungunternehmer stellt qualitativ hochwertige Naturkosmetik und Naturöle her: aus biologischen Zutaten, von Hand, ohne Wasser und Konservierungsstoffe. Der Gründer will künftig stromfrei produzieren, eine Arzneimittel-Zulassung erhalten – und ein Business-Einhorn werden. Dafür möchte Sandro, der sein Pharmazeutik-Studium zu Gunsten seiner Geshäftsidee abgebrochen hat, ein Investment von 250’000 Franken gegen zehn Prozent Firmenanteile. Die Löwinnen und Löwen machten dann gleich die Probe aufs Exempel: Wie fühlen sich die Produkte auf der Haut an? Doch viel mehr interessierte die Investoren auch die Kostenstruktur. Und diese hatte es in sich: Die Herstellungskosten bewegen sich zwischen 33 und 56 Franken, die Preisspanne zwischen dem günstigsten und dem teuersten Produkt liegt zwischen 88 und 216 Franken. Bei der Grösse – oder sollte man eher von «Kleinheit» – der gezeigten Döschen doch recht grosse Summen, wie die Löwinnen und Löwen konstatieren mussten. Gefragt nach der Zukunft und dem genaueren Verwendungszweck des Investments schienen die Antworten von Sandro doch etwas sehr vage. Und dann noch die Vision eines Business-Einhorns? Jürg Schwarzenbach empfahl, sich erst mal um ein passendes Team zu kümmern. Trotz Lob für die Hochwertigkeit der Produkte war am Schluss niemand zu einem Investment bereit. Zumal die eigentliche Firma durch Sandro Savastano erst kürzlich gegründet worden war. Der Zeitpunkt und die schwere Skalierbarkeit erwies sich da wohl als zu «investitionsfeindlich».
Den Geschmack getroffen
Schweizer Hummus von fabas: Dahinter stehen Anik Thaler und Tobias Vogel aus Dietikon (ZH). «Radikal lokal», lautet das Motto des Start-ups, das Hummus aus Schweizer Hülsenfrüchten produziert. Das Gründer-Duo kennt alle Bauern persönlich und findet «the grow must go on». 100’000 Franken gegen zehn Prozent Firmenanteile: Das war der Kapitalbedarf, mit denen die Beiden sich in die Höhle der Löwen wagten. Mit diesem Investment möchten sie die Marke und das Produkt in der Schweiz bekannter machen. Während der Degustation zeigten sich die Löwinnen und Löwen überrascht, wie gut ihnen der Hummus schmeckt. Dann ging es aber wieder um die Zahlen. Anja Graf fragte nach dem Pricing. Es stellte sich heraus, dass die Margen noch etwas tief sind. Der Umsatz wurde von Anik und Tobias mit 75’000 Franken angegeben, Tendenz steigend, nachdem u.a. Alnatura das Produkt ins Sortiment aufgenommen hat. Um das ganze Team und den Overhead refinanzieren zu können, bräuchte es aber einen Umsatz von 800’000 Franken bis zu 1 Million.
Es folgte die Bewertungsrunde: Lukas Speiser sah Probleme bei der Skalierbarkeit und hielt fest, dass sich das Produkt vor allem auf eine Nische beschränkt. Er stieg deshalb aus. Patrick Mollet findet das Produkt zwar toll, wollte aber nicht investieren. Roland Brack stieg ebenfalls aus mangels Expertise im Foodsektor. Anja Graf wiederum zeigt sich sehr angetan und bot die geforderten 100’000 Franken. Jürg Schwarzenbach wäre wohl ebenfalls zu einem Angebot bereit gewesen. So kam es dann zum Deal zwischen der Löwin Anja Graf und den Jungunternehmern.
Save the best for last: Wenn sich Löwinnen und Löwen fast um ein Investment balgen
«Re-Zen», so lautet der Brand für die portable Sprudelwasser-Flasche von Christian Kaeser und Linus Lingg aus Aarau (AG). Die ehemaligen ETH-Studenten haben eine Flasche entwickelt, mit der man unterwegs sein eigenes Sprudelwasser herstellen kann – ganz ohne PET und Einwegplastik. Selbstbewusst und mit einer – von ihnen selbst zugegebenen hohen – Bewertung stiegen sie in die Höhle der Löwen: 100’000 Franken gegen einen Firmenanteil von 1,6 Prozent. Roland Bracks Stirn legte sich bereits in Falten… Das Produkt hat es im wahrsten Sinn des Wortes in sich: Eine Flasche mit Modulen bzw. Adaptern für Sprudeln, Geschmack oder auch Wasserreinigung wurde den Löwinnen und Löwen präsentiert. Aber wollen Herr oder Frau Schweizer auch unterwegs Sprudelwasser trinken? Zunächst waren da auch die Löwinnen und Löwen skeptisch. Doch Tobias Reichmuth musste anerkennen, dass das Pricing doch recht attraktiv ist gegenüber Sprudelwasser aus dem Handel. Denn 15 Rappen für 3 oder 5 dl sind doch recht günstig, wie Christian und Linus vorrechneten. Und ein weiterer Clou: Für das Erzeugen von Sprudel setzen die beiden zudem auf handelsübliche CO2-Kapseln wie z.B. von Sodastream. Doch der Preis einer Flasche beläuft sich gleichwohl auf 100 Franken. Tobias Reichmuth lobte aber die Hochwertigkeit. «Eine brillante Idee», hielt er fest. Dann folgt aber doch noch die Frage nach der hohen Bewertung. Diese beruhe auf dem Potenzial und den zu erwartenden Einnahmen. «Das hören wir von allen Startups hier immer», so die vernichtende Replik von Bettina Hein. Doch dann lieferten Christian und Linus Zahlen nach: 1 Million bis Ende 2022, 3 Millionen bis Ende 2023 und bis 2025 wollen sie 115’000 Einheiten verkauft haben mit 20,5 Millionen Umsatz. Tobias Reichmuth fragte dann: Weshalb nur 100’000 Franken Kapitalbedarf? Er machte deshalb ein Angebot: 200’000 Franken gegen 3,2 Prozent Firmenanteil. Bettina Hein und Roland Brack waren sogar bereit, gemeinsam mit 300’000 für 4,8 Prozent einsteigen. Am Schluss blieb, weil Lukas Speiser nicht mitmachen wollte, noch Jürg Schwarzenbach übrig. Tobias Reichmuth bot sogleich an, sich mit ihm für ein Angebot von 500’000 Franken zusammenzutun. Es entwickelte sich fast so etwas wie eine «Angebots-Schlacht», was in der Sendung doch recht selten vorkommt. Am Schluss standen zwei Angebote im Raum: 400’000 zu 6,4 Prozent «flat» von Bettina Hein und Roland Brack gegen ebenfalls 400’000 Franken zu 6,4 Prozent, gedacht als «convertible loan» von Tobias Reichmuth und Jürg Schwarzenbach. Doch die beiden Gründer sahen die Chance: Weshalb nicht gleich heute den buchstäblichen Löwenanteil für eine grosse Finanzierungsrunde sichern? So kam es dann auch: Die vier erwähnten Löwinnen und Löwen spannten zusammen und sprachen gemeinsam 800’000 Franken Kapital gegen einen Firmenanteil von 14 Prozent. Somit war der Deal des Abends perfekt.
Update 22. Oktober 2022:
Nach der Sendung haben die beiden Firmengründer das Angebot der vier Löwen dann aber doch noch ausgeschlagen. Wie zu erfahren war, habe das Jungunternehmen einen anderen Investor gefunden, der den Vorstellungen besser entsprochen habe.
Weitere Informationen zu den nächsten Sendungen: https://www.oneplus.ch/detail/1000604