90 Jahre „Wer liefert was“: Wie sich Einkauf und Beschaffung gewandelt haben

2022 feiern die grössten europäischen B2B-Beschaffungsplattformen Europages und wlw (ehemals «Wer liefert was») je ein rundes Jubiläum: Europages wird 40-jährig, sogar schon auf 90 Jahre zurückschauen kann "Wer liefert was". Gleich zwei gute Gründe, um einen Blick auf die Geschichte des Einkaufs und des Beschaffungswesens zu werfen.

Einkauf und Beschaffung sind einem immer schnelleren Wandel unterworfen. Was früher ein „handgestricktes“ Lieferantenverzeichnis war, sind heute voll digitalisierte B2B-Plattformen. (Bild: Depositphotos.com)

Dieses Jahr feiern die nach eigenen Angaben grösste europäische B2B-Beschaffungsplattform Europages sowie die in der DACH-Region gut etablierte B2B-Plattform wlw (ehemals «Wer liefert was») ihr 40-jähriges beziehungsweise 90-jähriges Jubiläum. Die beiden Plattformen gehören inzwischen dem Dachunternehmen Visable, einem Verlag, der sich zu einem agilen internationalen Internet-Unternehmen gemausert hat. Treibende Kraft hinter diesem Wandel ist CEO Peter F. Schmid. Doch bevor es für Einkauf und Beschaffung überhaupt Internet-Plattformen gab, hat alles einmal mit einer Tontafel angefangen:

Es war einmal in Mesopotamien…

Reisen wir in der Zeit des Einkaufs und des Beschaffungswesen zu ihren Anfängen zurück, so beginnt ihre Geschichte genau hier: In einem der wichtigsten kulturellen Entwicklungszentren des Alten Orients. Archäologische Funde liefern deutliche Hinweise, dass in der Region zwischen Euphrat und Tigris bereits zwischen 4.000 und 3.000 v. Chr. eine urbane Gesellschaft lebte. Davon zeugen einerseits Monumentalbauten, andererseits weisen Funde wie Rollsiegel, Tontafeln und ähnliches auf eine etablierte Bürokratie hin. Eine im «British Museum» in London ausgestellte Tontafel aus der Zeit zwischen 3.200 und 3.000 v. Chr. dokumentiert beispielsweise Bierlieferungen.

Derlei Zeugnisse einer frühen Organisation des Beschaffungswesens liegen auch aus Ägypten vor: Aufzeichnungen belegen, dass in dem Land am Nil bereits um 3.000 v. Chr. systematisch Beschaffungsaufgaben durchgeführt wurden. Beispielsweise beim Bau der Pyramiden von Gizeh (ca. 2.650 bis 2.500 v. Chr.) waren bereits einzelne Berufsgruppen gezielt damit beauftragt, den Arbeits- und Materialaufwand auf Papyrus festzuhalten. In Europa nahm die organisierte Beschaffung erst später Form an. Genau genommen etwa um 215 v. Chr., im alten Rom. Erstmals wurden da Verträge zwischen der römischen Regierung und Lieferanten formell ausgehandelt, die die Versorgung der weit verstreuten Truppen des römischen Reiches mit Material sicherstellen sollten.

In Grossbritannien geht die Geschichte des Beschaffungswesens auf Wilhelm den Eroberer (1.028 bis 1.087 n. Chr.) zurück, der eine übersichtliche Methode zur Erfassung seiner Steuereinnahmen suchte. Mit dem Aufstieg des British Empires und seinen kolonialen Bestrebungen entwickelte sich auch das Beschaffungswesen weiter und umfasste ab diesem Zeitpunkt auch Waren und Dienstleistungen.

Einkauf und Beschaffung im 18. Jahrhundert

1832 erörterte der englische Mathematiker und Philosoph Charles Babbage in seinem Werk «On the Economy of Machinery and Manufactures» die Notwendigkeit, einen sogenannten «Materials Man» im Bergbau einzusetzen. Dieser «Materialien-Mann» sollte für Auswahl, Einkauf und Nachverfolgung aller Güter zuständig sein, die für ein Projekt gebraucht wurden. Heute würde man sagen: Babbage schlug vor, einen Chief Procurement Officer anzustellen.

1886 gründete die Pennsylvania Railroad die erste Beschaffungsabteilung der Welt, weil das komplexe, weitverzweigte Eisenbahnsystem in den USA nach neuen Wegen in der Beschaffung verlangte. Zwischen 1914 und 1918 war es dann der erste Weltkrieg, der dem Einkauf und dem Beschaffungswesen einiges abverlangte: Waren mussten um den gesamten Globus transportiert werden. Viele Einkäufe wurden ad hoc getätigt – bestellt wurde per Funk oder Telegraf.

1932 erschien das Lieferantenverzeichnis erstmals als Buchausgabe

1932 fand in Leipzig die Buchmesse statt, bei der das Lieferantenverzeichnis «Wer liefert was» erstmals als Buchausgabe herauskam. Und das aus gutem Grund: Der Einkauf und das Beschaffungswesen hatten durch den 1. Weltkrieg bzw. durch den Aufbau danach enorm an Fahrt aufgenommen. Allein die Deutsche Reichsbahn bestellte nach Ende des 1. Weltkrieges bis 1925 rund 7.000 neue Lokomotiven, um ihren Fuhrpark wieder auf Vorkriegsniveau zu bringen. Viele Unternehmen suchten zu dieser Zeit Lieferanten und viele Lieferanten suchten Unternehmen. Mit dem Lieferantenverzeichnis «Wer liefert was» hatten Unternehmen endlich ein gedrucktes Werk zur Hand, mit dem sie gezielt nach den Partnerunternehmen suchen konnten, die sie brauchten. Die in blau gehaltenen Bände waren fortan in vielen Büros als wichtige Nachschlagewerke anzutreffen. In den 1970er-Jahren wurde das Verzeichnis auf Microfiche erfasst, was zu jener Zeit eine Pionierleistung bedeutete.

Leitet heute die Geschicke von wlw und Europages unter dem Dach von Visable: CEO Peter F. Schmid. (Bild: Visable)

Lieferketten und Ausschreibungswesen gewinnen an Bedeutung

In den 1950er Jahren trieben dann weltweit die Regierungen das Beschaffungswesen voran. Die Bedeutung zuverlässiger «Lieferketten» rückte bei vielen Unternehmen ins Bewusstsein, weil sie es ihnen ermöglichten, in konstanter Qualität zu wachsen. In den 1960er-Jahren wurden der Einkauf und das Beschaffungswesen Sache des Managements: Man führte das Ausschreibungswesen ein. In den 1970er-Jahren fiel der Startschuss für die «Just in Time»-Fertigung, als der Automobilhersteller Toyota sein neues Produktionssystem einführte. Gleichzeitig steuerten immer mehr Unternehmen ihre Beschaffung zentral. Dann ging es Schlag auf Schlag: Das Internet und die Digitalisierung verliehen dem Einkauf und dem Beschaffungswesen einen nie dagewesenen Schub: 1982 wurde Europages in Frankreich gegründet (ursprünglicher Name: Eurédit) und veröffentlichte das erste gedruckte Geschäftsverzeichnis mit Lieferanten aus ganz Europa. 1986 erschien das Lieferantenverzeichnis «Wer liefert was» erstmalig auf CD-ROM.

In den 1990er-Jahren erkannten immer mehr Unternehmen die strategische Bedeutung der Beschaffung – vor allem bei öffentlichen Aufträgen und in der Schwerindustrie. Mittlerweile wurde die Welt immer vernetzter. Auch «Wer liefert was» passte sich diesem Wandel an und ging 1995, zwei Jahre vor Google, erstmals unter www.wlw.de online. In den 2000er-Jahren wurden Bestellungen bereits von Computern ausgelöst und die ersten ERP-Systeme setzten sich durch. Europages war zu diesem Zeitpunkt bereits in 26 Sprachen verfügbar – und deren Website von knackte 2006 die Marke von monatlich 2 Millionen Besuchern aus 218 Ländern. Mit den 2010er-Jahren brach die Ära der Chief Procurement Officer (CPOs) an: In vielen Unternehmen wurden «Materialien-Männer», wie sie einst Charles Babbage für den Bergbau vorschlug, eingesetzt. Diese CPOs haben auch heutzutage nur eine Aufgabe: Sie sind verantwortlich für den Einkauf und die Beschaffung von Waren und Materialien.

Die Zukunft ist digital

Von der Tontafel zur digitalen App: Nie waren der Einkauf und Beschaffung vernetzter als heute. Doch der Weg des Einkaufs ist noch lange nicht am Ende. Beschaffungsportfolios und operative Einkaufsprozesse sind vielfach bereits weitestgehend digitalisiert. Schon jetzt nutzen Beschaffungsprofis innovative Technologien wie künstliche Intelligenz oder Big Data, um in Echtzeit reagieren zu können. Auch Augmented und Virtual Reality könnten künftig eine noch tragendere Rolle spielen, um ortsunabhängig Produkte in Augenschein zu nehmen und so die beste Einkaufsentscheidung zu treffen. Doch eines schaffen diese Technologien nicht: Sie ersetzen keine persönlichen Beziehungen zwischen Einkäufern und Anbietern. Heute treffen auf beiden Plattformen – seit 2019 unter der gemeinsamen Dachmarke Visable – monatlich rund 4 Millionen professionelle Einkäufer aus über 200 Ländern auf rund 3 Millionen Anbieter von Produkten und Dienstleistungen.

Damit die Plattformen in Zukunft weiter einen hohen Nutzen bieten können, werden sie laufend mit zusätzlichen Features ergänzt. So bietet etwa die wlw-App für professionelle Einkäufer eine bessere mobile Nutzerfreundlichkeit und eine grössere Effizienz in der Geschäftsanbahnung. Dank dem «Visitor Profiler» von Europages und der Profilbesucher-Statistik von wlw ist es möglich, jederzeit zu erfahren, wer das eigene Unternehmensprofil besucht hat, inklusive Angabe der Kontaktdaten. Damit erhalten Vertrieb (und Marketing) wertvolle Informationen zur Leadgenerierung. Über ein Message Center läuft die Kommunikation zwischen Einkäufer und Anbieter direkt, und dank KI-Unterstützung wird das „Matchmaking“ zwischen Anfragern und Anbietern verbessert und beschleunigt. So wird es z.B. einfacher möglich sein, auch regionale Anbieter schnell zu finden – im Zeitalter von unterbrochenen globalen Lieferketten und Wirtschaftskrisen kann dies unter Umständen entscheidend sein.

Weitere Informationen: www.wlw.ch / www.europages.com

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