Schweizer Verwaltungsräte: Fachkräftemangel bedroht Innovationskraft
Corona hat die Innovationstätigkeiten der Schweizer Unternehmen nicht gebremst, sondern viel eher beflügelt. Doch Innovation bedingt qualifiziertes Personal und an diesem mangelt es, wie der neue swissVR Monitor zeigt: Verwaltungsrätinnen und Verwaltungsräte sehen im Fachkräftemangel aktuell das grösste Hindernis für den wirtschaftlichen Erfolg.
Seit 2017 erscheint der swissVR Monitor, gemeinsam verfasst von SwissVR, der Hochschule Luzern und dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte. In seiner elften Ausgabe geht es um das Fokusthema Innovation. Zu diesem Thema wurden zwischen 1. Dezember 2021 und 10. Januar 2022 Schweizer Verwaltungsräte von börsenkotierten Unternehmen aber auch von KMU aus allen relevanten Branchen befragt. Insgesamt nahmen 413 Personen an der Umfrage teil.
Wer in der Champions League der Weltwirtschaft mitspielen will, muss innovativ sein – sei es auf der Ebene von Produkten und Dienstleistungen oder in Bezug auf Geschäftsmodelle und Prozesse. Das ist hinlänglich bekannt. Schweizer Unternehmen hätten denn auch den Stellenwert der Innovation erkannt, so ein Fazit des swissVR Monitor. Er attestiert der Schweizer Wirtschaft entsprechend den notwendigen „Innovationswillen“.
Pandemie war keine Innovationsbremse
Der swissVR Monitor stellt fest, dass die Pandemie die Innovationsaktivitäten beflügelt hat: 19 Prozent der befragten Unternehmen haben ihre Aktivitäten im Laufe der Corona-Krise demnach ausgebaut. 32 Prozent haben zudem ihren Innovationsfokus neu ausgerichtet und beispielsweise Digitalisierungsprojekte umgesetzt. Nur gerade 2 Prozent der Befragten haben ihre Innovationstätigkeit zurückgefahren, immerhin 7 Prozent haben diese vorübergehend eingefroren. Die Digitalisierung und damit verbundene Themen wie Robotik und Automation waren 2021 wie bereits im Vorjahr denn auch das Top-Traktandum in den Verwaltungsräten. Das dürfte sich aber noch dieses Jahr ändern. Der Fachkräftemangel rückt in den Mittelpunkt, wie die Befragung zeigt. Laut den 413 befragten VR-Mitgliedern wird das Thema Talente in den nächsten 12 Monaten den Ton angeben. Deshalb möchte die Mehrheit den Fokus noch stärker auf das Gewinnen von innovativen und gut ausgebildeten Mitarbeitenden richten: 57 Prozent der VR-Mitglieder sehen Verbesserungspotenzial bei der Rekrutierung und Ausbildung von qualifiziertem Personal.
Schweizer Verwaltungsräte sind unzufrieden mit der Politik
Bei der Rekrutierung sind die Unternehmen auch stark von den wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen abhängig. 69 Prozent der befragten Schweizer Verwaltungsräte erhoffen sich von der Politik Lösungen, um den Fachkräftemangel einzuschränken. Gelingt dies nicht, könnte der wirtschaftliche Aufschwung gebremst werden. Die geschäftlichen Aussichten werden von VR-Mitgliedern aktuell um 9 Prozentpunkte weniger optimistisch beurteilt als bei der letzten Befragung vor einem halben Jahr (66% versus 75% positive Erwartungen).
«Qualifizierte Mitarbeitende zu gewinnen und zu halten, stellt für Unternehmen die oberste Priorität dar, denn diese sind ausschlaggebend für ihre Innovationskraft. Steuerliche Anreize oder öffentliche Fördermittel können dabei hilfreich sein, sind aber kein ausreichender Hebel für Innovation. Um den Fachkräftemangel zu entschärfen, müssen Unternehmen, Politik und Ausbildungsstätten an einem Strang ziehen», bringt es Reto Savoia, CEO von Deloitte Schweiz, auf den Punkt.
Verwaltungsräte müssen Innovation anstossen
Qualifizierte Mitarbeitende, eine offene Unternehmenskultur und Unterstützung durch die Geschäftsleitung – das sind aus VR-Sicht die drei wichtigsten Erfolgsfaktoren für Innovation. Die finanziellen Mittel sind für wenige ein Problem. Handlungsbedarf besteht aber bei den internen Prozessen: 45 Prozent der VR-Mitglieder sehen im Silodenken ein grosses Hindernis bei der Entwicklung neuer Produkte und innovativer Dienstleistungen.
Doch auch der Verwaltungsrat selbst muss aktiv werden: Bei der Innovationskompetenz im Gremium gibt es ebenso Verbesserungspotenzial wie beim Austausch mit den Entwicklungsabteilungen. 30 Prozent der Verwaltungsratsmitglieder tauschen sich nicht oder kaum mit den zuständigen Personen in ihrem Unternehmen aus. Rund ein Viertel der Gremien verfügt über kein VR-Mitglied mit Innovationskompetenz und für ebenso viele ist dies auch kein Auswahlkriterium bei der Ernennung neuer Geschäftsleitungsmitglieder. «Es braucht mehr Innovationskompetenz in den Verwaltungsräten. Der VR muss entsprechend qualifizierte Mitglieder an Bord holen und als Katalysator für Innovationsprojekte wirken», sagt Christoph Lengwiler, Dozent am Institut für Finanzdienstleistungen Zug IFZ der Hochschule Luzern.
Hälfte der Schweizer Verwaltungsräte hält Kooperation für Innovation unabdingbar
Der swissVR Monitor zeigt weiter: Die Kooperation mit externen Organisationen ist mindestens so wichtig wie die eigene Forschungsabteilung. Ein beachtlicher Anteil der Befragten setzt auf die Zusammenarbeit mit anderen Unternehmen (51%), Hochschulen und Forschungsinstituten (40%) sowie Investitionen auf in Start-ups (18%). Die externe Sicht auf Innovationsthemen gewinnt denn auch zunehmend an Bedeutung. «Open Innovation» ist im Kommen: 38 Prozent spannen mit externen Stakeholdern wie Kundinnen und Kunden zusammen. Auch externe Beraterinnen und Berater (41%) werden verstärkt in Innovationsprozesse einbezogen. «Die Zukunft der Innovation liegt in der Kooperation. Unternehmen müssen sich mit anderen Akteuren aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammentun. Auch innerhalb der Unternehmen ist eine Zusammenarbeit über verschiedene Abteilungen und Silos nötig, denn Innovation entsteht oft an Schnittstellen. Im Alleingang geht es nicht mehr», sagt Cornelia Ritz Bossicard, Präsidentin swissVR.
Quelle und weitere Informationen: swissVR / Deloitte AG / Hochschule Luzern