Misserfolge «umstürzen»: Wie aus einem Fehler eine Gaumenfreude wurde
Die von Sagen umwobene Geschichte rund um den berühmten französischen Apfelkuchen – besser bekannt unter dem Namen «Tarte Tatin» – eignet sich vorzüglich zur Beschreibung eines «friedlichen Umsturzes» im wahrsten Sinn des Wortes – wenn auch vordergründig nur kulinarisch!
Was hat es mit der köstlichen und verführerischen Süssspeise «Tarte Tatin» auf sich? Warum gibt es so viele Rezeptbücher darüber? Und last but not least: Wo liegt das Geheimnis dieses besonderen Umsturzes verborgen? Und noch etwas: Was hat die Rezeptur für dieses unspektakuläre Feingebäck in einem Unternehmer-Magazin zu suchen?
Die Geburtsstunde der «Tarte Tatin»
Caroline und Stéphanie Tatin gelten als Erfinderinnen und Entdeckerinnen der nach ihrem Namen benannten kulinarischen Delikatesse – eine wahre Gaumenfreude, die längst Kultstatus erreicht hat. Die umtriebigen Geschwister betrieben um 1850 in Frankreich in der Nähe des Orts Lamotte-Beuvron ein kleines Hotel mit einer Gaststube. Ihre währschafte und zugleich schmackhafte Küche war in der ganzen Region und darüber hinaus bekannt. Besonders die mit Äpfeln aus dem eigenen Garten zubereiteten «Tartes» – bei uns Wähen – hatten es den zahlreichen Gästen besonders angetan.
Nun trug es sich jedenfalls zu, so ist es in der Legende überliefert, dass die kleine Herberge mit Durchreisenden und Einheimischen voll besetzt war und die Geschwister kaum noch wussten, wo ihnen der Kopf stand. Und logischerweise gab es auch zahlreiche Bestellungen für die beliebte Süssspeise. Caroline werkte in der Küche und plötzlich stieg ihr der ungewohnte Duft karamellisierter Äpfel in die Nase. Als sie im Ofen nachschaute, stellte sie mit Schrecken fest, dass sie vor lauter Eile vergessen hatte, den Teig aufs Blech zu legen. Und nun folgt der Clou der Geschichte.
Kreativität und Innovation pur
Statt zu resignieren entschloss sich die tüchtige – im heutigen Sprachjargon innovative und kreative – Gastwirtin zu einer unorthodoxen Methode und rückte damit dem Geheimnis immer näher auf die Spur: Kurzerhand entschloss sie sich, den Teig über die Äpfel zu geben und den Kuchen auf diese Weise fertig zu backen. Anschliessend stürzte sie die Wähe auf eine Platte und servierte ihre neue Kreation umgehend dem zahlreich anwesenden Publikum. Das war die Geburtsstunde der «Tarte Tatin» oder der «umgestürzten» Apfelwähe!
Durchschlagende Erfolge haben ihren Ursprung in Rückschlägen
Die Geschichte dieser «umgekehrten» französischen Wähe zeigt eindrücklich, dass Misserfolge uns nicht selten zum Umdenken zwingen und den Nährboden für innovatives und kreatives Handeln bilden. Ohne den «Umsturz» des Apfelkuchens wäre keine Tarte Tatin entstanden und die kulinarische Welt um einiges ärmer geworden.
Sicher sind Sie selbst auch schon vor einer Situation gestanden oder stehen noch davor, neue Wege beschreiten zu müssen, die Ihnen aber auch neue Perspektiven und Horizonte eröffnen – und originelle Lösungen hervorbringen können. Gerade in Zeiten des noch nicht überwundenen Corona-Virus lohnt es sich mehr denn je, neue Nischen zu entdecken und die in uns schlummernden kreativen Ressourcen von Zeit zu Zeit zu regenerieren. Caroline Tatin hat es uns vor vielen Jahren vorgemacht. Und immer wenn ich ein Stück der köstlichen umgestürzten Apfelwähe aus Frankreich geniesse, weiss ich von Neuem: Kreatives, innovatives und tatkräftiges Handeln sind keine Leerformeln, sondern heute besonders gefragte Kompetenzen, die den Unterschied ausmachen.
Misserfolge positiv sehen: Kleine Weisheiten rund um die «Tarte Tatin»
- Aus der Not eine Tugend machen: Wie aus einem «normalen» Apfelkuchen ein kulinarisches Bijou entsteht
- Die umgestürzte Apfelwähe nach dem Motto «Lass Neues entstehen» wird zu einem Dessert der Sonderklasse
- Die Corona-Pandemie fordert uns auf, einen Misserfolg «umzustürzen» und in eine Chance umzuwandeln.
- Das «Tarte Tatin-Prinzip» bedeutet kreatives, innovatives und tatkräftiges Handeln
- Caroline und Stephanie Tatin haben es vorgemacht: Durch ihre «umgestürzte» Torte haben sie neue Wege beschritten und originelle Lösungen hervorgebracht
- Und noch etwas: Ohne Carolines Vergesslichkeit bei der Zubereitung der Wähe gäbe es heute keine Tarte Tatin. Dies zeigt, dass Fehler nötig sind, um weiter zu kommen!
Zum Autor:
Alex Müller ist ehemaliger Personalleiter der Psych. Universitätsklinik Basel und heute als HR-Autor für Tages- und Fachzeitungen tätig.