Gleichstellung der Geschlechter: Schweizer Unternehmen machen Boden gut
Die Neuauflage der weltweiten Diversity-Studie von Egon Zehnder zeigt: Die Schweiz holt bei der Gleichstellung der Geschlechter in verschiedenen Kriterien langsam auf. Immer noch fehlen aber weibliche CEOs.
Der Anteil weiblicher Verwaltungsräte weltweit und insbesondere in der Schweiz wächst stetig – aber langsam. Dies zeigt die neueste Ausgabe der Global Diversity Studie, die das Beratungsunternehmen Egon Zehner seit 2004 im Zweijahresrhythmus erhebt.
Gleichstellung der Geschlechter in Verwaltungsräten: Unternehmen machen Boden gut
Ende April 2020 sassen demnach bei 97,6 Prozent der von der Studie erfassten führenden Schweizer Unternehmen mindestens eine Frau im Verwaltungsrat, verglichen mit 94,6 Prozent im Jahre 2018. Damit schliesst die Schweiz zum westeuropäischen Standard auf, der inzwischen bei fast hundert Prozent liegt. Auf internationaler Ebene weisen bereits neun von zehn Verwaltungsräten (89 Prozent) mindestens eine weibliche Vertreterin aus, gegenüber noch 85 Prozent im Jahr 2018.
Von den 400 Verwaltungsratssitzen der befragten Schweizer Firmen sind aktuell etwa ein Viertel, nämlich 99, durch eine Frau besetzt. Damit hat der Anteil der Frauen in Schweizer Verwaltungsräten seit 2004 um 15,8 Prozent zugenommen. Ein noch stärkeres Wachstum, nämlich um 24 Prozent, wiesen die Leitungsgremien westeuropäischer Firmen aus – mittlerweile sind dort 32 Prozent der über 5,000 Verwaltungsratssitze durch Frauen besetzt, wobei Frankreich mit 43,8 Prozent Anteil weiblicher Board-Mitglieder wiederum die grösste Vielfalt auswies.
Diversität als Wettbewerbsfaktor
Die Zahl der Schweizer Unternehmen, mit bereits zwei weiblichen Vertretern im Verwaltungsrat ist in den letzten zwei Jahren um 5,1 Prozent auf 78,0 Prozent gestiegen, diejenige mit bereits drei Verwaltungsrätinnen um 8,5 Prozent auf 46,3 Prozent. Der Grund, der diesen Anstieg ermöglichte könnte darin liegen, dass einige Verwaltungsrätinnen ihre Aktivitäten ausgeweitet und weitere Mandate angenommen haben. So stieg die Zahl der Verwaltungsrätinnen mit mehreren Mandaten von 2,5 Prozent im Jahre 2018 auf 6,5 Prozent zum Stichtag der Studie 2020.
Das Beratungsunternehmen Egon Zehner erwartet, dass sich die Situation für die Schweiz in diesem Bereich über die nächsten Jahren weiterentwickeln wird, nicht zuletzt auch als Folge der per 1. Januar 2021 neu eingeführten Geschlechterrichtwerte gemäss Aktienrechtsrevision. So wurden 2020 bereits 35,4 Prozent der neuen Verwaltungsratsmandate in der Schweiz von Frauen besetzt. Bei Neubesetzungen geht global weniger als ein Drittel der zu besetzenden Posten an Frauen (29.7 Prozent) während der Schnitt in Westeuropa bei 36,8 Prozent und für die USA zusammen mit Kanada bei 37.2 Prozent liegt.
«Bei der Betrachtung von Unternehmen spielt gelebte Diversität für Investoren eine zunehmend wichtige Rolle. Diese wirkt sich auch auf die Attraktivität eines Unternehmens als Arbeitgeber aus. Diverse Teams mit einer inklusiven Kultur erzielen innovativere Ergebnisse. Sie verstehen die Erwartungen sich verändernder Zielgruppen. Die Verteilung von Führungsaufgaben auf Menschen verschiedenen Geschlechts und unterschiedlicher Herkunft ist deshalb gesellschaftspolitisch wie auch wirtschaftlich geboten. Damit haben sich Diversität und Inklusivität zu einem wichtigen Wettbewerbsfaktor für den Unternehmenserfolg entwickelt», kommentiert Simone Stebler, verantwortliche für Diversity und Inclusion-Aktivitäten bei Egon Zehnder, die Resultate der Studie.
Nach wie vor (zu) wenige weibliche CEOs
Bei leitenden Funktionen oder Positionen, die innerhalb eines Verwaltungsrates von Frauen besetzt werden, steht es mit der Gleichstellung der Geschlechter noch nicht so gut. Auch weibliche CEOs oder CFOs sind eine rare Spezies. So wurden 2020 nur gerade 2.4 Prozent der analysierten Schweizer Unternehmen von weiblichen CEOs geführt. Ihr Anteil liegt damit unter dem Durchschnitt Westeuropas (5,7 Prozent) oder der USA (5.3 Prozent). Auch bei den weiblichen CFOs belegt die Schweiz hintere Plätze mit einem Anteil von 2,5 Prozent verglichen mit 14.0 Prozent in Westeuropa und 14,7 Prozent in den USA.
«Die Identifikation und Entwicklung von Potenzialträgerinnen muss in allen Unternehmen Priorität erhalten», verdeutlicht Simone Stebler. Sie ist überzeugt, dass «es nicht an hochqualifizierten Kanditatinnen mangelt. Doch reiche es nicht, auf deren Potenzial zu schauen und sie zu entwickeln – ohne einen Fokus auf die Schaffung einer inklusiven Unternehmenskultur in welcher sowohl männliche wie weibliche Führungsqualitäten gleichwertig geschätzt werden, werden wir weiterhin nur im Schneckentempo Fortschritte erzielen.»
Quelle: Egon Zehnder