Wie lassen sich spezielle Risiken versichern?
Schlechtes Wetter, schwankende Wechselkurse: Risiken, die daraus entstehen können, sind schwer kalkulierbar. Ist dies nun auch gleichbedeutend mit «nicht versicherbar»? Nicht unbedingt, sagt unser Experte im folgenden Gastartikel.
Viele Firmen sehen sich mit Risiken konfrontiert, die als «nicht transferierbar» gelten. Zuweilen gefährden einige dieser Risiken sogar die Existenz der Unternehmen. Wie geht man jedoch mit solchen Risiken um? Zum einen sollten diese soweit als möglich mit präventiven und reaktiven Massnahmen aus dem Risikomanagement und dem Business- Continuity-Management reduziert werden. Doch sehr oft schlägt auch danach immer noch ein nicht vernachlässigbares Risiko zu Buche, für welches eine spezifische Versicherungslösung geprüft werden kann.
Bekannte und weniger bekannte spezielle Risiken
Seit einiger Zeit gibt es auf dem Versicherungs- und Finanzmarkt interessante Lösungen und Konstrukte für solche «unversicherbaren» Risiken, die von klassischen Versicherungslösungen nicht erfasst werden. Das bekannteste Beispiel ist wohl das Hedging von Wechselkursrisiken mittels des Finanzmarktes. Weniger bekannt sind die Möglichkeiten des Risikotransfers von Wetterrisiken. Dabei stehen nicht die klassischen Schäden durch Sturm- oder Hochwasser im Mittelpunkt der Betrachtung, sondern die Ertragsausfälle, denen kein physischer Schaden vorangeht. Darf zum Beispiel eine Bergbahn den Personentransport aufgrund stürmischer Wetterverhältnisse oder einer akuten Lawinengefahr nicht wahrnehmen, führt dies zu einem Ertragsausfall.
Wenn das Wetter verrückt spielt
Ein anderes Beispiel ist die Rheinschifffahrt: Nur wenn der Rhein genügend Wasser führt, können die Schiffe alle Passagen befahren. Je weiter der Flusspegel sinkt, desto weniger dürfen die Schiffe laden. Unterschreitet der Pegelstand sogar die Mindesthöhe, muss der Transport komplett eingestellt werden. Direkt am Transport beteiligte Unternehmen sind von einem solchen Ereignis ohne physischen Schaden genauso betroffen, wie jene Unternehmen, die auf die so transportierten Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie Waren angewiesen sind.
Ein ähnliches Risiko gibt es für Firmen, welche ein Wasserkraftwerk betreiben. Dieses kann bei anhaltender Trockenheit nicht mehr genug Energie produzieren und die Betriebskosten können im schlimmsten Fall den erzielten Erlös übersteigen. Dies kann sich dann noch verschärfen, wenn der Strompreis bereits im Voraus fixiert wurde – was oft üblich ist. Der Betreiber muss auch dann Strom zu einem bestimmten Preis liefern, wenn das eigene Kraftwerk zu wenig generiert. Dieser Lieferzwang kann nur durch zugekauften Strom gedeckt werden. Die Zusatzkosten, die so entstehen, können auch transferiert werden. Auf der anderen Seite können Solaranlagen nur bei schönem Wetter Strom liefern. Ertragsausfälle und Mehrkosten zu transferieren, kann auch hier eine attraktive Lösung sein, um längere Phasen mit unzureichender Stromproduktion zu kompensieren.
Eine weitere interessante Anwendungsmöglichkeit von Wetterversicherungen bietet sich für Organisatoren von Outdoor-Events. Bei schlechtem Wetter ist zu erwarten, dass weniger Besucher zu einem Event kommen. Dem finanziellen Schaden, der durch Schlechtwetter entstehen könnte, kann mit einem Transfer präventiv begegnet werden.
Versicherungen für spezielle Risiken
Alternative Versicherungslösungen können all diese Risiken absichern, sodass diese nicht als «höhere Gewalt» hingenommen werden müssen. Auch direkt vom Wetter abhängige Industrien können Wetterrisiken transferieren. Eine Voraussetzung gibt es jedoch für den Risikotransfer: Messbarkeit. Nur wenn der Auslöser für den Ertragsausfall messbar ist (z.B. Niederschlagsmenge, Pegelstand), kann ein Versicherungsprodukt strukturiert werden. Dadurch kann das Risiko aber auf den individuellen Bedarf abgestimmt werden.
Das Interessante bei all diesen Lösungen ist, dass die Kosten für eine Versicherung transparent sind, denn der Zusammenhang aus Schaden und Auslöser ist genau definiert und an messbaren Parametern festgemacht. Dadurch ist es möglich, die Kosten für den Transfer zum einen relativ genau vorherzusagen und zum anderen eine präzise Kosten-Nutzen- Rechnung zu erstellen, da der Erwartungswert aufgrund historischer Daten berechnet werden kann. Dies hilft bei der Entscheidungsfindung für den Risikotransfer oder die Eigentragung.
Ein weiterer Vorteil ist, dass es kaum Obliegenheiten und Vorbehalte gibt, da durch die individuelle Bestimmung des Auslösers keine Ausschlüsse möglich sind. Es gibt also keine bösen Überraschungen, wenn ein Schaden eintritt. Entweder war der Auslöser über dem definierten Schwellenwert und es erfolgt eine Auszahlung oder der Schwellenwert wurde nicht erreicht und der Schaden liegt in dem Bereich, der als akzeptabel definiert wurde.
Im Einzelfall anwendbar
Es ist anzumerken, dass solche Lösungen sehr individuell gestaltet werden und damit ein gewisser Aufwand einhergeht. Daher sind diese Konstrukte nur dazu geeignet, solche Risiken abzudecken, die von einem Unternehmen als kritisch für den Fortbestand eingestuft wurden. Nur in solchen Fällen kann ein alternativer Risikotransfer finanzielle Stabilität für das Unternehmen schaffen.
Autor:
Stefan Brändli studierte Geologie im Bachelor und Geophysik im Master an der ETH Zürich. Danach arbeitete er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich im Bereich der Fluiddynamik. Seit 2018 ist er bei Funk als Risk Analyst im Funk RiskLab tätig und führt unterschiedliche Risikoanalysen (Cyber-Risiken, Betriebsunterbrechungsrisiken, NDBI-Risiken etc.) u.a. mittels Simulationsverfahren
durch.
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