Wolken am Handelshorizont: Rahmenabkommen und Brexit

Die Themen Weltwirtschaft und EU-Rahmenabkommen beherrschten den Tag des Handels, an dem im Berner Kursaal am 25. Juni 2019 rund 220 HandelsunternehmerInnen, PolitikerInnen und Pressevertretungen teilnahmen. Der Tenor: Die Schweiz kann und will sich den Kräften der globalen und europäischen Wirtschaft nicht entziehen.

Ökonom Prof. Dr. Hans-Werner Sinn bei seinem Vortrag am Tag des Handels. (Bild: Handel Schweiz)

Die Schweiz ist eines der Länder, die am meisten von der Globalisierung und dem europäischen Binnenmarkt profitieren. Und der Handel als grösster Arbeitgeber und Ausbildner der Schweiz steht mit 680’000 Arbeitnehmenden mitten in dieser Entwicklung.

Keynote Speaker Prof. Dr. Dr. Hans-Werner Sinn, Deutschlands bekanntester Ökonom und einer der prägenden Köpfe bei wirtschafts- und sozialpolitischen Debatten, erklärte die heutige Weltwirtschaftslage und skizzierte die möglichen weiteren Entwicklungen.

Agrar-Deal der EU mit Trump und Brexit

So habe die USA die wirtschaftspolitische Vorherrschaft längst an China verloren – dank der Tatsache, dass China der grösste Gläubiger der US-Staatsanleihen sei. Beim Verkauf dieser Papiere sei mit starken Auswirkungen auf die amerikanische Wirtschaft zu rechnen. Sobald der Handelsvertrag zwischen USA und China abgeschlossen sei, werde sich Trump verstärkt der EU widmen. Dieser empfiehlt Prof. Sinn, der zu den weltbesten Ökonomen gezählt wird, den Freihandel auf Industriezöllen zu sichern und den USA Erleichterungen im Agrarhandel zu gewähren. Damit würden die Preise für Agrarprodukte in der EU sinken, was gut für die Konsumenten sei; zudem werde mit diesem Deal die Autoindustrie geschützt.

Würde der eskalierende Handelsstreit mit den USA verhindert, könne die EU den möglichen Turbulenzen im Umfeld des Brexits besser entgegenwirken. Denn, wie Prof. Sinn am Tag des Handels ausführte, wird ein Austritt Grossbritanniens die EU stark verändern – immerhin entspricht das Handelsvolumen des viertgrössten Noch-EU-Mitglieds dem von 18 der 28 EU-Mitglieder. So würde sich mit dem Brexit das heutige Gleichgewicht der Kräfte zwischen dem Norden und dem Süden Europas deutlich zugunsten des ärmeren Südens verschieben.

Länderclub für Emissionenhandel

Sinn schätzt, dass zwischen Herbst 2019 und der zweiten Jahreshälfte 2020 mit wirtschaftlichen Problemen zu rechnen sei, die auch die Schweiz treffen könnten. Denn schliesslich ist die EU der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Prof. Sinn warnte: «In schwierigen Zeiten kommen protektionistische Kräfte auf. Da sollte man politisch aktiv werden und dem Protektionismus Schranken setzen.» Die Bedeutung des Handels dürfe in keiner Weise unterschätzt werden, denn «der weltwirtschaftliche Wohlstand kommt vom Handel und der Arbeitsteilung im Handel. Freihandel ist die Grundvoraussetzung für allgemeine Prosperität.» So mache es der Handel möglich, Waren dort einzukaufen, wo die Energie zur Verfügung stehe wie zum Beispiel Agrarprodukte aus sonnenreichen Ländern zu importieren statt sie mit umweltschädlichem Dünger und viel Energie in Gewächshäusern kostenintensiv aufzupäppeln. Mit dem Thema Energie hat sich Prof. Sinn lange Jahre intensiv beschäftigt. So sieht er die Lösung der Klimakrise in einem Nachfolgeprojekt des Pariser Abkommens, das bei Verstössen auch Sanktionen vorsehe. In der Umsetzung sei ein globaler Emissionenhandel unter der Aufsicht der Uno zielführend. Länderlösungen erzeugen dagegen gemäss Prof. Sinn zu wenig Wirkung. Vielmehr unterstützt der führende Ökonom den Vorschlag des amerikanischen Nobelpreisträgers William Nordhaus: In einer Vorstufe bzw. Übergangsphase zum globalen Handel mit Emissionen könne ein Club von Ländern entstehen, die multilateral Emissionenhandel betreiben. Wolle ein Land, das nicht diesem Club angehöre, in die Clubländer exportieren, müsse es drastische Zölle zahlen.

Rahmenabkommen: Jetzt Weichen stellen für den Wohlstand der Schweiz

In der anschliessenden, von Marc Lehmann, dem Leiter des Tagesgesprächs bei SRF, moderierten Podiumsdiskussion war das Rahmenabkommen eines der Kernthemen. Elisabeth Schneider-Schneiter, Präsidentin der Aussenpolitischen Kommission APK und Nationalrätin CVP, appellierte an die Unternehmen. Sie sollten der Politik und der Bevölkerung klar machen, wie gute Rahmenbedingungen für den Import und Export den Fortbestand und den Erfolg des Handels sicherten. Vom Bundesrat wünscht sie sich Einigkeit: «Der Bundesrat muss sich entscheiden, ob er den bilateralen Weg gehen will. In den letzten Jahren war er in dieser Frage zerrissen. Bringen wir dieses EU-Dossier nun unter Dach und Fach – so schaffen wir Rechtssicherheit für Schweizer Unternehmen.» Christa Markwalder, Mitglied der APK und Nationalrätin FDP, betonte, dass die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung bereits sehr sensibilisiert für die notwendigen guten Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU sei: «Die Schweiz hat eine Aussenhandelsquote von 93%. Jeden Tag passieren Güter von CHF 1 Mrd. die Grenze. Marktzugang und Offenheit sind die dringendsten Fragen, damit wir unseren Wohlstand erhalten und weiterentwickeln können. Auf der anderen Seite müssen wir aber unsere Hausaufgaben in der Schweiz machen: Bürokratie abbauen, Regulierungswut eindämmen und die Digitalisierung intelligent nutzen.» Beide Nationalrätinnen wünschten sich vom Bundesrat eine ähnlich klare Haltung wie beim Schengen-Abkommen. Dort sei der Bundesrat vor das Volk gestanden und habe klar signalisiert, dass dies die richtige Lösung für die Schweiz sei.

Podiumsdiskussion über das Rahmenabkommen mit der EU. (Bild: Handel Schweiz).

Auch Andreas Aebi, Präsident der APK und Nationalrat SVP sowie Landwirt und Reiseunternehmer, stellte sich hinter den Freihandel und zum Beispiel hinter ein neues Freihandelsabkommen mit den USA. Das Rahmenabkommen mit der EU tangiert für ihn jedoch die Souveränität der Schweiz, weshalb er es wie seine Partei ablehnt.

Mut für den nächsten Schritt

Marco Düerkop, Handelsrat von der Delegation der Europäischen Kommission in der Schweiz, erklärte am Rande der Veranstaltung, dass das Rahmenabkommen aus Sicht der EU der nächste Schritt sei, um die bilateralen Verträge zukunftsfest zu machen. «Das ist der Wunsch, den wir schon seit mehreren Jahren geäussert haben. Durch den Brexit verstärkt sich dieses Anliegen. Mit der Schweiz verbinden uns ja nicht nur gemeinsame Werte, sondern auch eine ganz besondere Partnerschaft. Die Schweiz liegt inmitten von Europa und will einerseits nicht Mitglied der EU sein, andererseits aber an diesem grossen Binnenmarkt teilnehmen. Mit keinem anderen Land verbinden uns vertragliche Rahmenbedingungen wie mit der Schweiz», betonte der Wirtschaftsattaché. «Rahmenbedingungen wie die Schweiz hat so kein anderes Land, die Türkei nicht und die Ukraine nicht. Auch Norwegen und Liechtenstein nicht, die beide über den EWR eingebunden sind.» Marco Düerkop appellierte an den Mut der Schweiz, den nächsten Schritt in den jahrzehntelang erfolgreichen Beziehungen mit der EU zu gehen.

Der Präsident von Handel Schweiz, Jean-Marc Probst, erklärt in seinem Referat die Haltung von Handel Schweiz zum Rahmenvertrag. Bekanntlich fordert der Dachverband des Handels Führungsstärke vom Bundesrat und eine sofortige Unterzeichnung des Rahmenabkommens. Jean-Marc Probst betonte zudem, dass Transparenz kein Ersatz für Vertrauen sei. Vielmehr müssten wir alle in einer Zeit zunehmender vermeintlicher Transparenz wieder mehr Vertrauen lernen. Kaspar Engeli, Direktor von Handel Schweiz, kündigte an, dass sich Handel Schweiz nicht nur in der Diskussion zum Rahmenabkommen, sondern auch bei der Faire-Preise- und der Kündigungs-Initiative engagieren werde. Dabei gehe es um Lösungen, die die Schweiz voranbringen statt blockieren.

Quelle und Informationen: Handel Schweiz

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