Künstliche Intelligenz: (K)ein Thema für KMU?
Künstliche Intelligenz und Machine Learning sind als Begriffe aus der Diskussion rund um den digitalen Wandel nicht mehr wegzudenken. Doch wenn es um konkrete Anwendungen von künstlicher Intelligenz geht, stecken viele Unternehmen noch in den Kinderschuhen. Doch Kinder wachsen bekanntlich schnell.
Wie verbreitet ist die künstliche Intelligenz in Unternehmen? Und was bedeutet dies für die Unternehmenskultur, für Führungskräfte und Mitarbeitende? Diesen Fragen ging kürzlich eine gemeinsam von EY und Microsoft veröffentlichte Studie nach. Dazu wurden Mitglieder von Geschäftsleitungen sowie Geschäftsleitungen des Top- und Middle Managements in Unternehmen aus 15 europäischen Ländern befragt. In der Schweiz haben 20 Unternehmen, darunter AMAG, die SBB, Credit Suisse, Jansen, Lonza, Swisscom und Visana, an dieser Studie teilgenommen. Das Fazit der Studie: Alle diese Unternehmen positionieren sich zwar als fortgeschritten bezüglich KI-Reife, belegen aber im Vergleich mit anderen europäischen Unternehmen keine Spitzenplätze.
Datengetriebene Branchen führend
PwC kommt bei einer ähnlichen CEO-Befragung zum gleichen Schluss: Rund 40 Prozent der befragten Schweizer CEOs geben an, dass sie derzeit keine KI-Anwendungen planen. Weniger als zehn Prozent sagen aus, KI bereits in ihr Geschäft implementiert zu haben. Gemäss PwC sind die Hintergründe dafür vielschichtig. Teilweise hatten Schweizer Unternehmen in den letzten Jahren andere Prioritäten. Zudem haben einige Unternehmen Vorbehalte gegenüber der Leistungsfähigkeit der Technologie oder sie sind gegenüber der Automatisierung kritisch eingestellt. Ein wichtiger Baustein ist der Umgang mit bzw. die Verfügbarkeit von Daten. Je umfassender und vollständiger Daten verfügbar sind, desto besser können KI-Systeme daraus lernen. Deshalb ist es nicht überraschend, dass der Telekommunikationssektor (TMT) in Sachen KI am weitesten fortgeschritten ist. «TMT und Finanzdienstleistungssektor profitieren davon, dass beide Branchen datengetrieben sind und schon heute weitgehend über die für KI-Anwendungen nötige Datenqualität und Analysetools verfügen», analysiert diesbezüglich die EY-/Microsoft-Studie. Entsprechend sei es für Unternehmen in diesen Branchen weniger aufwendig, Pilotprojekte zu lancieren und weiterführende Projekte mit fortgeschritteneren KI-Anwendungen zu entwickeln.
KMU als Taktgeber?
Ist KI auch in KMU kein grosses Thema? Dieser Eindruck täuscht. Etwa unter den von Startupticker gelisteten Top-100-Start-ups beschäftigt sich ein Grossteil von IT-affinen Unternehmen in irgendeiner Form mit künstlicher Intelligenz, neuronalen Netzen, Datenanalyse oder Machine Learning. Und auch die nebenstehend befragten KMU arbeiten an oder mit konkreten KI-Lösungen. Das heisst: Künstliche Intelligenz ist dabei, in den Unternehmen anzukommen – und zwar immer schneller. Es scheint sogar, dass es gerade kleinere Unternehmen sind, welche in Sachen künstlicher Intelligenz aufs Gaspedal drücken. Sie entwickeln die KI-Instrumente, welche dann von grossen Unternehmen eingesetzt werden. Dies passt zum Befund der EY-/Microsoft- Studie, welche feststellt, dass der KI-Einsatz in den befragten Schweizer Unternehmen im Vergleich zu ihren europäischen Mitstreitern eher von unten nach oben verläuft. Die PwC-Studie vermisst indes in den von ihr befragten Unternehmen eine klare KI-Strategie.
Dank KI mehr EQ
Die Studie von EY und Microsoft stellt eine Korrelation zwischen der Reife von KI-Implementierungen und der emotionalen Intelligenz (EQ) einer Organisation fest. EQ ist die Fähigkeit, die Emotionen anderer Menschen zu erkennen und empathisch mit Beziehungen umzugehen. Das bedeutet im Geschäftsleben: Offenheit, Zusammenarbeit und Kundenorientierung. 80 Prozent der bezüglich KI am weitesten fortgeschrittenen Unternehmen bezeichnen sich als emotional intelligent. Umgekehrt sahen sich nur 16 Prozent der Befragten, die in der KI als am wenigsten reif eingestuft wurden, mehr als mässig kompetent hinsichtlich emotionaler Intelligenz. «Unsere Studie zeigt, dass 61 Prozent der Unternehmen erwarten, dass KI dazu beiträgt, die Mitarbeiter zu stärken. Die Demokratisierung der KI in einem Unternehmen gibt den Mitarbeitern Zeit für Kreativität und Innovation. Unternehmen wollen genau das, weil darin die Wertschöpfung liegt», sagt dazu Dr. Marianne Janik, CEO von Microsoft Schweiz. Einige Unternehmen betonen auch, eine Kultur und Führung zu etablieren, die KI mit einbezieht und bereit ist, sich den damit verbundenen Herausforderungen zu stellen.
Nachgefragt: Künstliche Intelligenz kein Thema für KMU?
Hier einige Stellungnahmen von Unternehmen, für die KI in ihrer Geschäftstätigkeit bereits eine Rolle spielt:
Wie hoch schätzen Sie das Nutzungspotenzial von KI für Ihr Unternehmen ein?
Wir sehen primär im bedarfsgerechten Ressourcenmanagement und im Service Desk enormes Potenzial. Es ist eine grosse planerische Herausforderung, dass Mitarbeitende mit dem nötigen Wissen zeitgerecht für Support, Mandate und Projekte zur Verfügung stehen. Genau dort kann KI mit generiertem Expertenwissen Mitarbeitende entlasten und die Rekrutierungs-, Ausbildungs- und Einsatzplanung rechtzeitig unterstützen.
Wo findet KI in Ihrem Unternehmen resp. Ihren Produkten bereits Anwendung?
Erste interessante KI-Ansätze sind in unseren Softwareangeboten von SAP, Thing Worx und Microsoft in Form von Machine-Learning-Szenarien eingebaut. Sie unterstützen unsere Kunden und uns beim Erkennen von wiederkehrenden Datenmustern, um vorbeugende Handlungen auszulösen, Mitarbeitende zu entlasten und so Risiken zu reduzieren.
Welchen Einfluss hat der verstärkte Einsatz von KI auf die Unternehmenskultur? Braucht es z.B. mehr emotionale Intelligenz?
Wenn der Mensch von komplexen Routineaufgaben entlastet wird, kann er sich intensiver Kunden-, Lieferanten- und innerbetrieblichen Beziehungen zuwenden. Neben Fachwissen spielen soziale Kompetenzen und emotionale Intelligenz als Erfolgsfaktoren eine entscheidende Rolle. Die Unternehmenskultur profitiert und wird noch menschlicher.
KI schürt auch Ängste, etwa vor Arbeitsplatzverlusten. Wie lassen sich diese Befürchtungen ausräumen?
Den Mitarbeitenden müssen zuerst die Chancen und die Grenzen von KI aufgezeigt werden. Die intelligenten Helferlein sollen sie von denk- und zeitintensiven Routineaufgaben entlasten. Es geht um die Erleichterung von komplexen Aufgaben. Der Mensch kann seine frei werdende kreative Kapazität in andere Aufgabenstellungen investieren. Dazu ist nicht zwingend eine bessere oder andere Ausbildung nötig, sondern ein entsprechend angepasstes Arbeitsumfeld und ein gutes Coaching.
Wie hoch schätzen Sie das Nutzungspotenzial von KI für Ihr Unternehmen ein?
Wir schätzen das Potenzial von KI sogar so hoch ein, dass der Zweck unseres Unternehmens hauptsächlich darin besteht, die Prozesse und Daten unserer Kunden mittels KI zu optimieren und effizienter zu gestalten.
Wo findet KI in Ihrem Unternehmen resp. Ihren Produkten bereits Anwendung?
Wir implementierten bereits zahlreiche Modelle zur Datenvorhersage und -analyse basierend auf Machine und Deep Learning für unsere KMU-Kunden. Unser Schwerpunkt liegt im Bereich Text- und Bildanalyse sowie Vorhersagen zu Kundenabwanderungen (Churn Analyse).
Welchen Einfluss hat der verstärkte Einsatz von KI auf die Unternehmenskultur? Braucht es z.B. mehr emotionale Intelligenz?
Eine offene und ehrliche Kommunikation mit den Mitarbeitern bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Integration von KI. Wichtig sind Schulung und Aufklärung sowie das Aufzeigen der Vorteile für die Mitarbeiter.
KI schürt auch Ängste, etwa vor Arbeitsplatzverlusten. Wie lassen sich diese Befürchtungen ausräumen?
Der Einsatz von KI wird Mitarbeiter kurzfristig nicht ersetzen, sondern Teams durch Automatisierung monotoner Arbeit ergänzen. Langfristig wird es sicherlich einen Strukturwandel geben.