Unternehmertum in der Schweiz: Kein Volk von Gründern

Trotz günstigen Rahmenbedingungen und einer tieferen Angst vor dem Scheitern sind Schweizer Jugendliche nach wie vor zurückhaltend den unternehmerischen Weg zu begehen. Zudem sind weniger Frauen bereit diesen beruflichen Werdegang zu wählen.

Junge Menschen in der Schweiz scheinen sich überdurchschnittlich vor dem Unternehmertum zu scheuen und wollen beruflich anders weiterkommen. (Bild: Fotolia.com)

Der neueste Länderbericht Schweiz des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), der grössten internationalen Studie über das Unternehmertum, zeigt eine grosse Zurückhaltung bei den Jungen, einmal eine eigene Firma gründen zu wollen. Die Ausgabe 2016/2017 der Studie, verfasst von der Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR), untersucht in Zusammenarbeit mit dem Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) zum ersten Mal regionale Unterschiede gemäss den sieben Grossregionen (vom Bundesamt für Statistik) und den Raumtypen der neuen Regionalpolitik NRP der Schweiz. Im Rahmen der Studie wurden 3500 Befragungen durchgeführt.

8,2% der Schweizer haben zwischen 2013 und 2016 ihr eigenes Unternehmen gegründet

Die Rahmenbedingen in der Schweiz werden im Allgemeinen positiv beurteilt, und die Bedingungen für die Gründung eines Unternehmens sind in der Schweiz besser als in vergleichbaren Länder. Dennoch haben sich in den vergangenen Jahren nur 8,2% der Schweizer ins unternehmerische Abenteuer gestürzt. Dies ist ein leichter Anstieg (+ 0,9%) im Vergleich zu 2015, dennoch klassiert sich die Schweiz unter dem Durchschnitt vergleichbarer innovationsbasierten Volkswirtschaften (9,1%), wie bspw. den Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien.

Unternehmertum ist keine echte Berufswahl

Im Jahr 2016 glaubten 43,3% der Schweizer, dass sie über genügend Erfahrung und Kompetenzen verfügen, um ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Aber nur für eine Minderheit kommt eine Unternehmensgründung als Option in Frage: 38,9% der Bevölkerung betrachtet sie als gute Karrierewahl, gegenüber 77,9% in den Niederlanden, 68,8% in Portugal, 65,5% der Kanadier, oder 64,2% der Israeli. Und nur 7,9% der Schweizer sind bereit, sich in den nächsten drei Jahren unternehmerisch zu betätigen und ein neues Unternehmen zu gründen. Die unternehmerische Karriere scheint in der Schweizer Bevölkerung weiterhin nicht die nötige positive Ausstrahlung zu besitzen.

Die Schweiz liegt bei den Unternehmensgründern < 35 Jahren unter dem internationalen Durchschnitt. (Grafik: HEG‐FR)

Die Schweiz in den hinteren Rängen

Bei den Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren ist der Übergang zum Unternehmertum in der Tat problematisch. Obwohl viele der jungen Befragten eine unternehmerische Laufbahn als gute Karrierewahl ansehen (44,2% von ihnen), erachtet nur eine kleine Minderheit (13,6%), dass sie die erforderlichen Grundlagen besitzen um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Und nur ein Viertel (25,5%) erkennt interessante Geschäftsmöglichkeiten am Ort in dem sie leben. Im internationalen Vergleich hinkt hier die Schweiz klar hinterher: nur eine junge Person aus dreissig ist derzeit daran ein Geschäft zu gründen oder steht an der Spitze eines Startups. Eine Zahl, die die Schweiz in die hinteren Ränge vergleichbarer innovationsstarker Volkswirtschaften verweist (Rang 23 im Vergleich der 27 Länder). In den Niederlanden kennt fast jeder Fünfte bereits die Freuden und Herausforderungen der unternehmerischen Tätigkeit…

Wie kann man Jugendliche fürs Unternehmertum begeistern?

Sind dies Anzeichen für einen Mangel an Selbstvertrauen? Oder will die junge Schweizer Generation die eigene Komfortzone und den Angestelltenstatus nicht verlassen? Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Weichen zu unternehmerischen Anreizen und Ausbildung zu spät gestellt werden. Wie kann deshalb Unternehmergeist und innovatives Verhalten schon während der obligatorischen Schulzeit vermittelt werden? Rico Baldegger, Direktor der HSW-FR meint dazu: „der Erfolg unserer ersten Ausgabe des Sommercamp ADOPRENEURS, das wir im Sommer 2016 für Jugendliche von 13 bis 16 Jahren organisiert haben, zeigt deutlich, dass junge Menschen auf solche Initiativen warten. Mehr noch, die Art und Weise der unternehmerischen Ausbildung, einschließlich der postobligatorischen Ebene, muss grundlegend überdacht werden. Wir müssen die Schülerinnen und Schüler aus dem Klassenzimmer und in die Praxis der realen Wirtschaftswelt bringen, vor allem die der Start-ups. Das Schweizer Bildungssystem muss die Kreativität junger Menschen besser fördern und sie ermutigen, außerhalb der Box und abseits klassischer Karrieren zu denken“.

Frauen weniger in unternehmerischer Art und Weise tätig

Die Situationsanalyse aus der Geschlechterperspektive zeigt, dass Frauen heute weniger dazu bereit sind sich auf unternehmerische Art und Weise zu engagieren als vor etwa zehn Jahre. Von 22,9% im Jahr 2003 stieg die Quote auf fast 50% zwischen 2011 und 2014 – eine Zahl nahe Parität mit den Männern – fällt aber wieder auf 32,2% im Jahr 2016. Dies könnte damit gedeutet werden, dass die Finanzkrise 2008 Frauen gedrängt hat neue Unternehmen „aus Not“ zu gründen. Im Weiteren ist die Situation des Arbeitsmarkts in den letzten Jahren insgesamt besser geworden ist, und könnte deshalb ihre unternehmerischen Ambitionen geschmälert haben. Auch die Balance zwischen Arbeit und Familienleben erscheint als Faktor für diesen bedeutenden Rückgang wahrscheinlich.

Quelle und weitere Informationen

 

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