Gastkommentar: Doing Business In America
Nach dem unglaublich aggressiven Wahltheater könnte man meinen, dass die Mächtigen in Amerika verrücktspielen und die Protagonisten jegliche Form von Anstand, Respekt und Kommunikationsfähigkeiten verloren haben. Aber, trotz Wahlsieg von Donald Trump, Amerika wird sich wieder beruhigen, hoffentlich, so wie es das nach jeden Wahlen tut. Und dann sehr bald zur Tagesordnung übergehen - denn die Lieblingsbeschäftigung heisst nun mal Business, so die Einschätzung von Gastautor Daniel Tschudy.
Möglicherweise hatte man in diesem Jahr weniger Lust, das Land der unbeschränkten Möglichkeiten beruflich zu bereisen, aber ignorieren kann man die USA ja nicht. Und sobald es wieder im Normalmodus funktioniert wird es höchste Zeit, sich wieder einmal zu überlegen, wie man mit den Amerikanern am besten geschäftet – und letztlich Erfolg hat damit.
Der englische Autor und Vordenker Richard Lewis hat in seinen eigenen Analysen schon vor Jahren aufgezeigt, was Business-Kommunikation in den USA bedeutet. Nämlich, überspitzt gesagt, Kampf und Verdrängungswettbewerb, oder anders dargestellt: Rugby pur. Mit dem Piktogramm unten erklärt Lewis den Ablauf des ‚Austausches‘ von zwei Gesprächspartner: vom initialen Kontakt, in USA immer sehr kollegial mit Schulter-klopfen und ‚big smiles‘, hinein in den Kampf, mit Provokationen und Sarkasmus, wenn nötig Erniedrigungen und ‚ins Lächerliche ziehen‘; bis hin zum offenen Schlagabtausch. Eben: „doing business in america“. Das Schöne dann ist, und hier drängt sich der Vergleich zum Rugby-Sport auf, danach ist die Welt wieder in Ordnung. Man umarmt sich, gratuliert sich zum erfolgreichen „Spiel“ und geht auf ein Bier in die nächste Kneipe.
Der Wilde Westen
Das jetzt einfach als Machogehabe abzutun, widersiegelt die Situation nicht richtig. Denn der rustikale Lösungsansatz hat viel mehr mit der Amerikanischen Identität zu tun, als man manchmal denkt. Zwar haben sich u.a. Manhattan und grosse Teil Kaliforniens schon längst einem inter-nationaleren Verhaltenskodex angeglichen, aber die United States of Amerika funktioniert sonst noch, mit Respekt gesagt, wie damals im wilden Westen. Die Cowboy-Mentalität, Männersache natürlich, dominiert das Tagesgeschäft. Big Business muss, wie alles andere auch, erobert und übermannt werden. Grosse Teile Amerikas sehen sich heute noch als Welteroberer per se, selbst bei nationalen Mikroprojekten.
Was in den vergangenen Monaten zwischen Hillary Clinton und Donald Trump ablief, ist aus nicht-amerikanischer Sicht grotesk; und wohl auch für viele Amerikaner. Dennoch kann dieser emotionale Schlagabtausch jetzt nicht als klassisches Fallbeispiel der Kommunikation in den USA abgetan werden. Selbst wenn viele Begleitumstände (die Rolle der Medien, die unglaublichen Budgets der Parteien, das eigenartige Spiel der FBI) durchaus als ‚typisch Amerika‘ gesehen werden kann.
Ein besseres Beispiel gab es vor acht Jahren, als sich Mitt Romney und Barack Obama in einer viel gesitteteren Atmosphäre bekämpften. Auch damals gab es wüste Beschimpfungen; auch damals zeigten beide mit den Fingern aufeinander und wollten beweisen, wie unfähig der jeweils andere für das Präsidentenamt sei. Nur halt alles mit viel mehr Stil; und deshalb wohl auch konsumierbarer als die Wahl 2016. Am Ende gaben sich die Beiden die Hände. Der Eine gratulierte Obama zum Sieg; der Andere gratulierte Romney zum guten Kampf. Beide Männer, und wohl durchaus ernst gemeint, respektierten sich und „tranken nach dem Wahlkampf ein Bier zusammen“. Fast buchstäblich übrigens, denn Obama lud Mitt Romney später ins Weisse Haus ein und suggerierte sogar, dass der Republikaner Romney für ihn arbeiten solle. Wie ernst das gemeint war, kann man ja offen lassen. Aber der Wahlkampf 2008 war ein besseres Beispiel dafür, wie man in Amerika auch heute noch geschäftet. Direkt und konfrontierend, um dann im Konsens Lösungen zu finden. Dabei ist win-win für beide Parteien durchaus akzeptier-bar; aber der Kampf um die eigenen Interessen muss zuerst sein, um dann erfolgreich abschliessen zu können.
No go easy
Europäer und Asiaten tun sich bei ihren Verkaufs- und Akquise-Bemühungen mit dieser Mentalität noch immer schwer. Und schicken trotzdem vom Typ und Auftritt her „unpassende“ Repräsentanten. Denn ‚Corporate America‘ will nicht die soft-talkers, sondern die tough- & rough-movers. Intellektuelle Ansätze sind weniger gefragt als, eben, ein robuster Rugby-Stil: mit dem ovalen Ball quer durch die Mitte. Irgendwie verständlich daher, dass grosse Teile des US-Business dem Donald Trump näher stehen, als Hillary Clinton.
Also, auf nach Amerika, aber bitte mit den zum Markt passenden Verkaufsleuten und den richtigen Werkzeugen.
Zum Autor:
Daniel Tschudy referiert, coacht und schreibt über interkulturelle Werte und Verhaltensmuster (cultural intelligence) im globalen Geschäftsumfeld. Sein Fokus liegt unter anderem auf den neuen Märkten in Afrika und Asien; mit speziellem Interesse für China & Japan.