Fachkräftemangel: Die Sicht eines KMU aus Österreich

Fachkräftemangel ist längst nicht nur in der Schweiz ein Thema. Auch in Österreich haben KMU Mühe, gut ausgebildetes Personal zu finden. Wir sprachen darüber mit Jürgen Rainalter, Geschäftsführer von Getzner Werkstoffe in Bürs (Österreich).

Jürgen Rainalter, Geschäftsführer von Getzner Werkstoffe GmbH.

Wie äussert sich der Fachkräftemangel in Österreich?

Jürgen Rainalter: Generell nimmt Anzahl der Lehrlinge in Österreich ab, d.h. die sehr wertvolle duale Basisausbildung nimmt ab, da von Seiten der Jugendlichen das Interesse sinkt. Umso massiver müssen die Unternehmen in die Ausbildung der Mitarbeiter investieren. „Fertig ausgebildete“ Fachexperten mit Getzner Werkstoffe Know-how gab es auch bislang nicht auf dem Arbeitsmarkt, daher war und ist der interne Ausbildungsaufwand schon immer sehr hoch.

Welche regionalen Unterschiede gibt es, etwa bezogen auf die Situation in Vorarlberg und andere Grenzregionen?

Ein Punkt ist bekannt: Bürs als Sitz des HQ ist als Ort eher unbekannt und für Nicht-Sportler auf den ersten Blick eher nicht so attraktiv wie eine Großstadt (Wien, München, Innsbruck). Hier haben die größeren Städte im Osten Österreichs einen gewissen Vorteil. Deshalb sind Marketing und Bekanntmachung von möglichen Freizeit- und Lebensgestaltungsmöglichkeiten erforderlich. Die Vorteile eines Standortes in Vorarlberg: Vorarlberger sind tendenziell nicht sehr mobil, aber sehr unternehmenstreu. Berge, Bodensee, Sicherheit stellen für ausländische Fachkräfte den größten Anreiz dar.

Was tut Ihr Unternehmen konkret, um an Fachkräfte zu kommen?

Wir setzen auf Lehrlingsausbildung in 4 Lehrberufen (Chemielabortechnik, Metalltechnik, IT, kaufmännisch) mit einem Rotationssystem in verwandten Bereichen für eine möglichst breite Einsetzbarkeit nach Abschluss der Lehre mit der Zielsetzung, alle Lehrlinge zu übernehmen. Ferner besteht ein Trainee-Programm mit Fokus Marketing, Vertrieb, Produktmanagement oder aktuell Verfahrenstechnik mit einem 12-18 monatigen Rotationsprogramm im gesamten Unternehmen. Insgesamt bieten wir aufwendige, hervorragende interne Weiterentwicklungsmöglichkeiten (horizontal, vertikal), worin ein umfassendes Know-how und gutes Netzwerk aufgebaut wird. Es bestehen Qualifizierungsprogramme vor allem in der Produktion von Maschinenführern zu Gruppenleitern/Schichtleitern mit internen Schulungen (Arbeitsrecht, Qualität, Sicherheit, etc.) und externen Schulungen (Führungskompetenz).

Das Recruiting erfolgt in regionalen Medien, überregionalen Jobportalen, oder Bewerber bringen neue Bewerber (Studien-/Arbeitskollegen). Social Media und die Mundpropaganda (langjährige Stabilität des Unternehmenswachstums, guter Umgang mit MA, viele Vergünstigungen, Entwicklungsmöglichkeiten horizontal/vertikal, hohes Weiterbildungsbudget, etc) sind wichtige Faktoren. Des Weiteren verfügen wir über sehr gute Kontakte zu einschlägigen technischen Universitäten (München, Innsbruck, Graz) inkl. Vortragstätigkeiten. Wir wollen Getzner Werkstoffe als potenziellen Arbeitgeber bekannt machen und Studenten als künftige Mitarbeiter ansprechen. In diesem Zusammenhang setzen wir auch auf Präsenz bei regionalen Jobmessen (FH Dornbirn) oder Tagen der offenen Tür (HTL) oder Lehrlingsbörsen.

Viel Engagement betreiben wir für die Bindung von qualifizierten MA, daher haben wir eine sehr geringe Fluktuation, d.h. Know-how bleibt im Unternehmen. Es werden horizontale als auch vertikale Karrieremöglichkeiten geboten. Unkomplizierte, individuelle, zeitlich befristete Lösungen wie Home office, reduzierte Arbeitszeit u.ä. bei Bedarf (Pflegesituationen, Hausbau, Studium etc.) sind weitere Elemente für attraktive Arbeitsbedingungen.

Und nicht zuletzt das Wissensmanagement: Eine strukturierte Sammlung und Weitergabe von Fachwissen sind wichtig sowie der Aufbau einer Getzner Akademie für interne als auch externe Schulungen.

Wo orten Sie seitens des Bildungssystems Nachholbedarf, um den Fachkräftebedarf besser abdecken zu können?

Die Grundqualifikationen von Schulabgängern werden schwächer (sinnerfassendes Lesen/Schreiben, Mathematik, naturwissenschaftliche Fächer), das verhindert manchmal die Anstellung oder erschwert ihre weitere Ausbildung. Eine praxisnahe Ausbildung, durch die Verknüpfung des Schulwesens mit der Industrie wäre zielführend.

31. internationales Europa Forum Luzern

Thema: Spannungsfeld Arbeitsmarkt & Zuwanderung. Strategien für Wirtschaft und Politik

14. November 2016 | KKL Luzern

Wirtschaftssymposium 13.00 bis 17.30 Uhr

CHF 550.00 – inkl. Imbiss und Netzwerk-Apéro

öffentliche Veranstaltung 18.45 bis 20.30 Uhr

Eintritt frei, Anmeldung erforderlich

Information und Anmeldung: www.europaforum.ch

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