Entscheidungen auf Grundlage von Modellen

Modelle bilden zu jedem Zeitpunkt die Grundlage für unsere Entscheidungen.

Das Modell «Die Erde ist eine Scheibe» unterstellte eine nicht existente Gefahr.

Ein Beispiel: Laut unserem heutigen Weltbild ist die Erde eine leicht abgeflachte Kugel. Im Mittelalter dominierte das Paradigma der Erde als Scheibe. Damals wählten Schiffskapitäne ihre Routen anhand von Seekarten aus, die durch dieses Weltbild geprägt wurden. Die Konsequenz: Die Kapitäne mieden die Grenzen der Welt, um der Gefahr zu entgehen, mit ihrem Schiff in die Abgründe des Nichts zu stürzen – eine interessante Auswirkung eines Modells auf unser Handeln. Stellt sich die Frage, welche Implikationen heutige Modelle auf die Entscheidungen von Führungskräften haben?

Was ist ein Modell?

Grundsätzlich bildet ein Modell immer einen Ausschnitt der Wirklichkeit ab. Es ist eine abstrakte, konzeptionelle Darstellung zur Repräsentation eines realen Systems. Damit ist ein Modell also stets theoretischer Natur. Eine entscheidende Frage bei der Auswahl und Bewertung von Modellen ist, ob sie einen Sachverhalt konsistent erklären, nützliche Einsichten liefern oder eine Prognose ermöglichen, die in hilfreichen Handlungsempfehlungen resultiert. Insofern ist ein Modell stets auch praktischer Natur.

Wie oft verwendet man Modelle?

Erste Erkenntnisse zur Nutzungshäufigkeit von Modellen ermöglichen, die Antworten von Führungskräften in drei Gruppen einzuteilen. Die erste Gruppe vertritt die Meinung, dass Modelle zur Entscheidungsunterstützung selten und nur in speziellen Situationen verwendet werden. Die zweite Gruppe empfindet Modelle als theoretische Konstrukte mit geringem praktischen Nutzen, die selten angewendet werden. Die dritte Gruppe verknüpft Modelle insbesondere mit der regelmässigen Anwendung von Planungsinstrumenten wie SAP, Excel oder MS Project. Alle Antworten sind richtig. Jede für sich unterstellt allerdings einen bestimmten, eher begrenzten Modellbegriff. Den Wenigsten ist bewusst, dass wir jeden Tag auf Modelle zurückgreifen.

Welche Modelle verwendet man, und auf welche Weise?

Bachelorstudierende der Betriebsökonomie der Berner Fachhochschule Wirtschaft gaben auf die Frage, welche Modelle sie verwenden, als Beispiele Abrechnungs- oder Wirtschaftszyklusmodelle, das St. Galler Management Modell oder auch mathematische Modelle an. Diese Aufzählung lässt verschiedene Modelltypen erkennen. Die vier am häufigsten gebrauchten Unterscheidungen sind explizite versus implizite Modelle und statische versus dynamische Modelle.

Ein explizites Modell kommt dem Alltagsverständnis eines Modells am nächsten. Es sind ausserhalb einer Person bestehende konzeptionelle Darstellungen eines realen Sachverhalts (z.B. vereinfachte Abbildungen eines Automobils). Im Gegensatz dazu gibt es implizite Modelle, die immer nur in Personen existieren. Der Begriff mentales Modell verdeutlicht den Bezug des Modelltyps zu Individuen. Ein mentales Modell beinhaltet unsere individuellen Logiken und Vermutungen über spezifische Wirkfaktoren und Kausalzusammenhänge. Wir verwenden sie, um die Konsequenzen von Massnahmen abzuschätzen. Explizite Modelle fungieren dabei stets nur als Informationslieferanten für die Erstellung und Verbesserung interner, mentaler Modelle.

Hauptsächlich statische Modelle

Die Mehrheit der in der Betriebswirtschaft verwendeten Modelle ist statischer Natur. Sie sind relativ günstig in der Erstellung, einfach in der Anwendung und meist schnell erlernbar. Beispiele sind das St. Galler Management Modell, McGregors Motivationsmodell oder das 7-S Modell von McKinsey. Sie dienen für Querschnittanalysen, das heisst zur Erstellung von Standbildern von Zuständen. Die Dimension «Zeit» wird nicht explizit berücksichtigt. Dynamische Modelle unterscheiden sich hier, indem sie die Dimension Zeit ausdrücklich berücksichtigen. Sie werden erstellt, um Veränderungen im Zeitverlauf verständlich und dadurch beeinflussbar zu machen. Im Verhältnis zu den Bedürfnissen der Realität werden dynamische Modelle selten angewendet. Oft werden kurzfristige Massnahmen zur Optimierung von Situationen vorgenommen, die durch verzögerte, langfristig negative Auswirkungen erkauft werden. Warum werden eigentlich meist nur statische Modelle angewendet, wenn sie doch genannte Nachteile besitzen? Die Antwort liegt wohl in der geringen Zahl von Personen, die dynamische Modelle verstehen, anwenden und kritisieren können. Diese Modellkompetenz wird im Hochschulstudium nicht systematisch unterrichtet. Es werden Rückkopplungen und Zeitverzögerungen grösstenteils ausgeblendet, und die Anwender folgen damit einer fundamental eingeschränkten Weltsicht wie die früheren Seekarten von Schiffskapitänen.

Zu welchem Zweck verwendet man Modelle?

Modelle werden zur Entscheidungsunterstützung verwendet. Sie helfen dabei, das eigene Denken und Vorgehen zu strukturieren. Im Rahmen einer Analyse dienen sie als Landkarte zur Orientierung. Sie erlauben, Einzelheiten in Bezug zum Gesamtbild zu setzen oder Details in ihrem Kontext zu verstehen. Sie fördern in Führungsgremien und in Unternehmen die Bildung einer gemeinsamen Sprache («unité de doctrine»). Dadurch wird die Handlungsfähigkeit erhöht. Zusammengefasst kann man sagen, dass die Verwendung von expliziten statischen und insbesondere dynamischen Modellen Führungskräfte zu besseren Denkern macht – weshalb Modelle auch als Denkzeuge bezeichnet werden. Sie liefern die Basis für Entscheidungen und beeinflussen dadurch die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen. Überlegene Modelle bilden den Wettbewerbsvorteil der Zukunft.

Wie oft werden Modelle hinterfragt?

Laut Aussagen von Executive-MBA Studierenden werden einmal getroffene Entscheidungen zu Modellen eher selten hinterfragt. Und das, obwohl die Notwendigkeit kontinuierlich zunimmt, aktuelle Modelle auf Angemessenheit, Nützlichkeit und Gefahren hinterfragen zu können. Mit Modellkompetenz ist nicht eine Einschätzung gemeint, wie «das Modell ist auf unsere Unternehmung nicht anwendbar», sondern die Kompetenz, die Nützlichkeit eines Modells zu maximieren bei gleichzeitiger Ausbalancierung von Gefahren durch dessen Anwendung. Das ist wichtig, da die potenziellen Gefahren von Modellen meist nicht erkannt werden. Oft fehlt den Anwendern das Bewusstsein zu den Grundannahmen eines Modells. Dieses sollte durch ein Hochschulstudium geschaffen werden. Aktuell sind die Studien eher angefüllt «mit Modellen» – «über Modelle» wird zu wenig thematisiert und vermittelt.

Führungskräfte mit Modellkompetenz sind überlebenswichtig für Unternehmen

Das Modell «Die Erde ist eine Scheibe» unterstellte eine Gefahr («Absturz in die Tiefe am Rand der Scheibe»), die es in der Realität gar nicht gab. Dies hinderte die Kapitäne daran, eine kürzere Seestrecke zwischen zwei Punkten zu wählen, wenn das Schiff dabei gefährlich nahe an den Rand der Welt kommen würde. Das Modell beschränkte somit die mögliche Leistung der Kapitäne. Übertragen wir nun diese Einsicht auf die Modelle in der Betriebswirtschaft: Statische Modelle nehmen an, dass durch den Zeitverlauf keine Gefahren entstehen können. Allerdings bestätigen erfahrene Führungskräfte, dass die eigentlichen Gefahren im Unternehmensalltag insbesondere aus dynamischen Entwicklungen stammen.

Berner Fachhochschule https://www.bfh.ch

Info: Dynamische Herausforderungen in einer globalisierten Wirtschaft nehmen stark zu. Paradoxerweise werden dynamische Modelle jedoch am seltensten unterrichtet. Die Forschungsgruppe «Strategy und Simulation Lab» der Berner Fachhochschule Wirtschaft leistet bereits einen innovativen Beitrag zur Sensibilisierung. In Lehrveranstaltungen werden dynamische Modelle entwickelt und angewendet, um Modell­denken zu fördern und Modellkompetenz aufzubauen.

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