Interview mit Axel Förster

In der Montagehalle in Steffisburg wird fleissig geschraubt und getestet. Es herrscht allgemein eine lockere Stimmung, etwas gewürzt mit bernischer Behäbigkeit. Nicht ohne Stolz erklärt ein junger Mitarbeiter dem Reporter spontan die Funktionsweise einer Maschine, die demnächst ausgeliefert werden soll. Sie wird dereinst Kartoffelchips in speziell geformte Becher abfüllen. Es läuft also einiges auf dem Werkplatz Schweiz.

Interview mit Axel Förster

«Wir haben noch unternehmerische Freiheit, obwohl das ohne Not zunehmend eingeschränkt wird.» – Axel Förster, CEO Rychiger AG, Abfüllanlagen für Kaffeekapseln

Herr Förster, es grassiert der starke Franken. Als exportorientiertes Unternehmen sind Sie sicherlich davon betroffen. Ist einem da noch nach Feiern zumute?

Axel Förster: Die Europroblematik – ja, die hat über Nacht eingeschenkt. 20 Prozent unserer Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren ist unangenehm. Gut, das hatten wir ja schon einmal erlebt, nur eben nicht über Nacht. Da macht man sich schon Sorgen. Vor allem die Buchverluste und die realisierten Verluste auslaufender Projekte – verkauft in Euro und aufgebaut in Schweizer Franken – das kann man nicht mehr retten. Wir gehen zu 95 Prozent in den Export, und bei den 5 Prozent, die wir lokal verkaufen, bieten natürlich die Wettbewerber 20 Prozent günstiger an. Das ist brachial. Aber wir müssen nach vorne schauen und handeln.

Welche konkreten Massnahmen haben Sie denn getroffen – neben dem Verzicht auf Marge?

Als Erstes haben wir die Stundenanzahl von 40 auf 42 erhöht. Das hat bereits 5 Prozent Kostenvorteil auf die Löhne gebracht. Wir haben ferner ein Sparprogramm aufgesetzt, dabei aber den Mitarbeitenden kommuniziert, dass wir in den nächsten sechs Monaten keine betriebsbedingten Kündigungen aussprechen werden. Damit kaufen wir uns jene Zeit, die wir benötigen, um die Situation in Ruhe beurteilen zu können. Für uns ganz wichtig ist, dass wir alle Materialien zu den gleich günstigen Konditionen einkaufen können wie unsere europäischen Wettbewerber aus Süddeutschland oder Norditalien.

Sie beliefern die Nahrungsmittel-, Healthcare- und Pet-Food-Branche. Welche davon erweist sich als besonders anspruchsvoll?

Die Healthcare-Leute sind vor allem hinsichtlich Validierung anspruchsvoll, dafür wollen sie nicht immer das letzte Quäntchen aus einer Maschine herausholen. Die Food-Leute hingegen wollen hochproduktive Anlagen und deren Leistung bis aufs Letzte ausreizen. Anspruchsvoller geworden sind sie hinsichtlich Hygiene und Arbeitssicherheit. Jede Branche hat ihre eigenen Ansprüche. Diese muss man als Anlagenbauer verstehen.

Sie stellen ja auch jene Maschinen her, auf welchen die Kaffeekapseln abgefüllt werden. Wie hat der Boom um Nespresso und verwandte Produkte Ihr Geschäft verändert?

Für uns ist das die Erfolgswelle, auf der wir im Moment reiten. Die Kaffeekapsel-Geschichte hat etwa mit der Jahrtausendwende angefangen. Nespresso haben wir aber schon lange beliefert – es war zu Beginn einfach noch keine Erfolgsgeschichte. Seit etwa 2000 boomt unser Markt. Es werden heute jedes Jahr schätzungsweise 30 bis 40 Milliarden Kapseln konsumiert. Das ist viel.

Und Tendenz steigend, wenn man bedenkt, dass neue Märkte erst dabei sind, den Kaffee für sich zu entdecken?

Das ist unser Hauptbusiness im Moment, ja.

Und in anderen Bereichen stagniert es?

Das Business wächst zumindest nicht mehr so stark, vielleicht noch mit 1 bis 7 Prozent, je nach Kategorie. Pet Food wiederum ist für uns ein Geschäftsfeld, das laufend Umsatz bringt, aber davon allein könnten wir nie überleben.

Worin bestehen denn die eigentlichen Markttreiber?

Im Bereich Healthcare ist es die Demografie, die eine wichtige Rolle spielt. Besonders merken wir das beispielsweise bei den Diagnostica für Diabetiker, die auch in einer Art Portionenpackungen erhältlich sind. Durch die höhere Lebenserwartung steigen die Zahlen der Diabetiker und damit der Bedarf an solchen Anwendungen.

Inwiefern ist die Technologie ein Markttreiber? D.h. schaffen Sie mit Innovationen selbst neue Märkte?

Durch angewandte Forschung versuchen wir, schon vorhandene Dinge sinnvoller einzusetzen und für unsere Zwecke hinzubiegen. Unseren Schwerpunkt legen wir darauf, die Maschinen noch schneller, noch sicherer und noch günstiger zu machen. Und das Thema Hygiene hat in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Zu nennen ist ferner das TPM, Total Productive Maintenance: Die Maschinen sollen immer einfacher zu bedienen sein. Das sind alles Dinge, wo wir als Maschinenbauer Trends und höhere Standards setzen können.

Sie produzieren ausschliesslich in der Schweiz. Was spricht alles für den Produktionsstandort Steffisburg? Trotz hoher Lohnkosten und der aktuellen Frankenstärke?

Ganz klar das regulatorische Umfeld – noch.

Weshalb «noch»?

Wir haben einen hochflexiblen Arbeitsmarkt, topmotivierte Leute mit einer hohen Identifikation mit unserem Unternehmen. Wir haben keine Probleme mit Gewerkschaften. Wir haben noch unternehmerische Freiheit, obwohl das ohne Not zunehmend eingeschränkt wird. Thun ist der grösste Maschinenbaustandort in der Deutschschweiz, und wir kriegen hier die Fachleute, die wir brauchen. Das ist nicht zu unterschätzen.

Sie sind gleichzeitig Geschäftsführer und Verwaltungsratspräsident der Firma. Was ist Ihre persönliche Faszination an dieser Doppelfunktion?

Die Doppelfunktion ist für ein KMU unserer Grösse eher üblich, und eine tolle Aufgabe. Ich bin sozusagen «Mädchen für alles» und in allen Disziplinen drin. Aber ich lasse meinen Leuten sehr viele Freiheiten und versuche, sie auch etwas alleine machen zu lassen. Aber von allen habe ich wahrscheinlich den komplettesten Job. Das ist sehr spannend.

Wie sieht das arbeitsökonomisch aus? Bringen Sie wirklich alles unter einen Hut?

Manchmal eher schlecht …

Wo holen Sie sich den nötigen Ausgleich?

Sport ist mir sehr wichtig. Wenn über Mittag kein Kunde zu Besuch ist, mache ich lieber Sport, als irgendwo essen zu gehen. Sehr wichtig sind mir auch meine Kinder, meine Familie.

In welche Richtung wollen Sie die Rychiger AG weiterentwickeln?

Sicher geht es darum, unsere Position im Kaffeekapsel-Markt zu halten, zu festigen und, wenn es geht, auch zu erweitern in die vor- und nachgelagerten Prozesse. Gleichzeitig müssen wir ein zweites solides Standbein aufbauen im Bereich Healthcare.

Wie schwer ist es, da als Newcomer in diesen Markt eindringen zu können?

Das ist nicht einfach. Die Leute wollen Referenzen sehen. Wenn Sie keine solchen nachweisen können, wird es schwierig. Aber wenn man mal drin ist, ist es schwer, wieder rauszufliegen. Wir konzentrieren uns deshalb auf ein paar wenige Segmente, die wir intensiv bearbeiten. Das Ziel besteht darin, in diesen Segmenten zu Referenzen zu kommen, um darüber unseren Kompetenznachweis erbringen zu können.

Und von welchen Segmenten ist da genau die Rede?

Bei uns sind es vor allem die Diagnostika und die Medical Devices. Zudem halten wir die Augen offen nach Unternehmen, die uns ergänzen können. Akquisitionen sind also durchaus denkbar.

Gibt der Schweizer Markt dieses Potenzial her?

Es gibt schon Potenzial hier, aber es ist begrenzt. Im Bereich Maschinenbau sind vor allem im Raum Norditalien und in Süddeutschland Übernahmekandidaten zu suchen. Aber gegen eine Schweizer Firma würde natürlich nichts sprechen.

Hingegen könnten Sie mit einem Partner im Euroraum sich günstigere Produktionsstandorte erschliessen?

Es gibt Pläne, im Euroraum eine Niederlassung zu gründen, allerdings zu einem anderen Zweck: Wir wollen dort kleine und einfache Maschinen bauen, was wir hier in der Schweiz nicht können. Nicht, weil es hier zu teuer wäre, sondern weil wir zu aufwendig denken. Hier bauen wir «Blue Chip»-Technologie für die Grossen, wie Nestlé. Denken wir aber an kleine Kaffeeröstereien, dann brauchen sie vieles an unseren Anlagen gar nicht. Deshalb brauchen wir woanders eine kleine Konstruktionsabteilung, um kleine und einfache Maschinen zu entwerfen. Dafür ist Euroland prädestiniert; aber wir haben nicht das Ziel, die Produktion zu verlagern, sondern wollen ein neues Geschäftsfeld erschliessen.

Abschliessend nochmals zurück zum Preis: Wie beurteilen Sie den Wert, die Nachhaltigkeit eines Awards? Nur etwas fürs Ego?

Der Wert kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Es geht um die Leute, die stolz darauf sind, Erster geworden zu sein. Und nicht zu unterschätzen ist die mediale Präsenz. Man wird als Firma besser wahrgenommen in der Öffentlichkeit. Was wir mit dem Preis geschafft haben, schaffen wir auch unseren Kunden gegenüber. Wir bringen Begeisterung mit. Ich nenne das den «Rychiger-Virus». Den spürt man, wenn man durch die Halle geht. Und dann sind es irrsinnig schöne Anlagen, die wir bauen. Manchmal 20 bis 25 Meter lang, und es steckt sehr viel Technologie drin. Die Mitarbeitenden sind stolz darauf, solche Maschinen zu bauen. Das spürt man – und das erfasst auch viele unserer Kunden.

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