Generationenmix statt Ausgrenzung: Eine Chance für die KMU

Bei einigen Managern und Personalchefs geistert immer noch die fixe Idee herum, dass ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – manchmal bereits vom 45. Lebensjahr an – den Ansprüchen der heutigen Berufswelt nicht mehr genügen würden. Höchste Zeit für ein Umdenken!

Der Generationenmix in Teams bricht verkrustete Strukturen auf. (Bild: sepy – Fotolia.com)Der Generationenmix in Teams bricht verkrustete Strukturen auf. (Bild: sepy – Fotolia.com)

Die ältere Generation sei zu wenig dynamisch, zu wenig flexibel, zu wenig leistungsfähig und zu teuer. Die Reihe abwertender Eigenschaften, die mit dem fortschreitenden Lebensalter verbunden werden, lässt sich mühelos erweitern und gipfelt nicht selten in der fest verankerten Vorstellung, dass ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer «verkrustet» seien, nur noch über eine beschränkte Lernfähigkeit und eine sehr bescheidene Lernbereitschaft verfügten! Somit lohne es sich nicht mehr, sie mit neuen Herausforderungen zu konfrontieren. Dabei ist eine ausgewogene altersmässige Durchmischung der Generationen ein wichtiger Faktor einer erfolgreichen Unternehmensphilosophie: Die älteren und mittleren Jahrgänge verfügen über beträchtliches Potenzial an Berufs- und Lebenserfahrung, währenddem die Junioren aktuelles Wissen, Schwung, Dynamik sowie Innovationskraft in die Unternehmen bringen. Hinzu kommt, dass ein ausgewogener Generationenmix wichtig für die Homogenität und das Betriebsklima einer Arbeitsgemeinschaft ist. Es kann also nicht mehr darum gehen, Frühpensionierungen zu fördern, sondern erfahrene Fachkräfte und Spezialisten in den Betrieben zu halten – eine Überlebensfrage für viele KMU, wird doch der Mangel an gut ausgebildeten Fachkräften zunehmend akzentuierter.

Biologisches Alter nicht entscheidend für Leistungsfähigkeit

Wie die Ergebnisse einer umfassenden gerontologischen Forschung nachweisen, ist das biologische Alter nur einer unter vielen Einflussfaktoren, welche die individuelle Entwicklung einer Person prägen. Ihre Leistungsfähigkeit ist in weit grösserem Ausmass durch die Tätigkeiten, Funktionen und Ansprüche bestimmt, denen sie in ihrem Lebenslauf begegnet. Diese aufschlussreichen Ausführungen stammen von Werner R. Müller, emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre, Organisation und Personalführung an der Universität Basel. Er fügt bei, dass der Kompetenzerwerb unabhängig von biologischen Abbauphänomenen im Alter verläuft. Entsprechend sollte sich die Personalpolitik nicht auf Altersdefizite ausrichten, sondern auf die Möglichkeiten der menschlichen Entwicklung. Es gilt ein Arbeitsumfeld zu schaffen, das alle Mitarbeitenden über die Dauer ihrer Arbeitsbiografie herausfordert.

Das Potenzial der reiferen Generation besser nutzen

Es genügt also nicht mehr, den «Wohltäter» zu spielen und hin und wieder einem Senior eine Chance zu geben, sich nützlich zu machen. Vielmehr gilt es, sich darüber klar zu werden, welche Vorteile sich für die Unternehmen ergeben können, wenn sie das Potenzial der reiferen Generation besser nutzen als bisher. Dies bedeutet in denjenigen Chefetagen ein Umdenken, wo das Alter primär als Defizit und nicht als Chance betrachtet wird. Dabei gibt es eine Reihe von Qualifikationen, die spezifisch für die Älteren sind (ohne diese Fähigkeiten den jüngeren Mitarbeitenden abzusprechen):

  • Fundierte Lebens- und Berufserfahrung
  • Experten-Wissen: angeeignet durch langjährige Berufspraxis
  • Abgewogene Urteilsfähigkeit
  • Hohe Zuverlässigkeit, grosses Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein
  • Ausgeprägte Problemlösungskompetenz
  • Sicherheit/Stabilität durch Berechenbarkeit der beruflichen Karriere
  • Loyalität, Treue, Fleiss und Disziplin.

Nicht zuletzt werden auch die Kunden älter und legen oft grossen Wert auf eine langjährige geschäftliche Beziehung, vorzugsweise eine Bezugsperson einer ähnlichen Altersgruppe.

Selbstverantwortung der älteren Jahrgänge

Im Zuge des stetigen Wandels gewinnt die sogenannte Employability, das heisst die Arbeitsmarktfitness jedes und jeder einzelnen Mitarbeitenden an Bedeutung. D.h. auch erfahrene Senioren müssen bereit sein, Neues zu lernen und die heutigen zum Teil rasanten Veränderungen aktiv anzugehen. Begriffe wie geistige und geografische Mobilität, Lifelong Learning und Selbstentwicklung sind auch für sie keine Fremdwörter, sondern Bestandteil ihrer eigenen Arbeitsmarktfitness. Geschäftsführer und HR-Verantwortliche sind prädestiniert, als «Employability-Coach» zu wirken, indem sie dafür sorgen, dass sowohl die fachspezifischen als auch die sozialen Kompetenzen aller Altersgruppen gefördert werden.

Von der Philosophie zur Strategie

Die Unternehmensphilosophie ist das eine, die Selbstverantwortung der einzelnen Mitarbeitenden das andere. Nun gilt es, daraus eine Strategie zu entwickeln, die etwa wie folgt aussehen kann:

  • Weiterbildung für alle Altersgruppen
  • Betriebliches Gesundheitsmanagement
  • Bewusst gestaltete Generationenpolitik bei der Personalplanung und -rekrutierung
  • Wissenstransfer zwischen älteren und jüngeren Mitarbeitenden
  • Betreuung der älter werdenden Kundschaft durch Personal der gleichen Generation

Dies sind nur einige Punkte. Wichtiger als deren Fixierung in einem Hochglanzpapier ist die Verankerung in den Köpfen der Unternehmensleitungen sowie deren Umsetzung in eine fortschrittliche Personalpolitik. Wenn diese nachhaltigen Charakter haben soll, kann folgende Checkliste hilfreich sein; sie wurde in der Praxis in etlichen Unternehmen  bereits mit Erfolg angewendet. Sicher sind Ihnen einige der darin enthaltenen Massnahmen bereits bekannt.

Checkliste für eine generationengerechte Personalpolitik

  • Zuerst: Analyse der Altersstruktur durchführen: Wann stehen Pensionierungen an?
  • Künftigen Personalbedarf den vorhandenen Ressourcen gegenüberstellen
  • Chancengleichheit für jung und alt: Massgebend für die Stellenbesetzung ist das Anforderungsprofil, nicht das Alter
  • Wenn nicht absolut zwingend: Keine Alterslimiten in Inseraten
  • Aufbau eines Generationenmixes: Die Jungen als aktuelle Wissensträger, die Älteren als Garant für Experten-Knowhow
  • Grundsätzlich keine Frühpensionierungen
  • Flexible Arbeitszeit- und Pensionierungsmodelle anbieten
  • Anstelle von luxuriösen Pensionierungs-Vorbereitungsseminarien und dergleichen: Investition in gezielte Weiterbildung für ältere Arbeitnehmer
  • Arbeitsgestaltung der höheren Lebenserwartung anpassen: Vom 50plus- zum 60plus-Modell: Bogenkarrieren, Tandems, Mentoring und andere

Übrigens: Rom wurde auch nicht in einem Tag erbaut: So ist es möglich, die aufgelisteten Punkte nach dem Baukasten-Prinzip schrittweise umzusetzen – entsprechend der inneren Bereitschaft und den organisatorischen Voraussetzungen in Ihrem Unternehmen.

Fazit: Die Arbeit zwischen den Generationen muss eine neue Gewichtung und eine neue Qualität bekommen.

Von Alex Müller. Der Autor ist ehemaliger Personalleiter der Psych. Universitätsklinik und heute als HR-Autor für Tages- und Fachzeitungen tätig. Durch zeitweilige Tätigkeit als Mentor und Berater für Neuorientierungen hält er sich auch über neue Entwicklungen im HR- und Führungsbereich auf dem Laufenden.

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