Ist Active Sourcing mehr als nur ein Trend?
Es ist das wohl prominenteste Recruiting-Buzzwort der letzten Zeit: Active Sourcing. Doch was steckt dahinter? Was bringt es? Und wer sollte Active Sourcing betreiben?
Gute Fachkräfte zu finden, ist heutzutage nicht leicht. In einigen Branchen ist der Markt wie leergefegt. Manchen droht sogar ein regelrechter Fachkräftemangel. Wer wettbewerbsfähig bleiben möchte, kommt nicht umhin, Kandidaten proaktiv anzusprechen. Laut einer Recruiting-Studie der Job-Vermittlungsplattform Monster wird heute jede zehnte Stelle über Active Sourcing besetzt. Wie diese Rekrutierungs-Methode funktioniert, welche Vorteile sie bietet und was es zu beachten gibt, erläutert dieser Artikel.
Das Konzept: potentielle Kandidaten aktiv ansprechen
Active Sourcing stellt das gängige Recruiting-Modell auf den Kopf: Nicht der Jobsuchende bewirbt sich bei einem Unternehmen, sondern der Arbeitgeber wirbt aktiv um qualifizierte Kandidaten. Dabei ist dieser Ansatz nicht neu. Schon lange bevor es die digitalen Medien und sozialen Netzwerken gab, informierten sich Firmen über Hochschulabsolventen und identifizierten über Headhunter potenzielle Mitarbeiter.
Die neuen Medien haben die Möglichkeiten der aktiven Personalakquise vervielfacht. Offline wurde Online ergänzt. Inzwischen gibt es eine Vielzahl an Kanälen, über die Unternehmen selbst aktiv nach passenden Kandidaten suchen, sie gezielt ansprechen und ein persönliches Verhältnis zu den potenziellen Mitarbeitern aufbauen. Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft nutzen über die Hälfte (52 Prozent) der befragten Unternehmen Active Sourcing, zur Anwerbung von gesuchten Fachkräften. Bei KMU ist Active Sourcing mit 49 Prozent Nutzungsquote sogar der zweithäufigste Recruiting-Weg (1). Statt nur Stellenanzeigen zu schalten und auf den Eingang von Bewerbungen zu warten, gehen Personalverantwortliche gezielt auf geeignete Kandidaten zu, um diese für das Unternehmen zu gewinnen.
Der „Active Sourcing“-Werkzeugkasten
Active Sourcing findet grundsätzlich in zwei Phasen statt. In der ersten Phase geht es vor allem um die gezielte Kandidatensuche, indem Profile mit geeigneten Qualifikationen zusammengetragen werden. Sind geeignete Kandidaten identifiziert, erfolgt in der zweiten Phase die Kontaktaufnahme mit dem Ziel, das Interesse der Kandidatin oder des Kandidaten für die zu besetzende Stelle zu wecken. Die bevorzugten Kanäle und Methoden variieren dabei je nach Unternehmensgröße, aber auch nach Branche.
Persönliche Netzwerke
Die persönlichen Netzwerke sind oftmals ein erster Ansatz, um mit Active Sourcing zu beginnen. Jedes Unternehmen hat Kontakt zu potenziellen Mitarbeitern. Es lohnt sich diese in sogenannten Talent Pools zusammenzufassen. Kandidaten-Datenbanken eignen sich ideal für Active Sourcing. Der Vorteil: Man kennt sich bereits. Talent Pools enthalten beispielsweise die Profile von ehemaligen Praktikanten, Werksstudenten oder auch Bewerbern, die bei der Vergabe einer vorherigen Stelle nicht zum Zuge kamen. Doch selbst ein gut gefüllter Talent Pool ist nicht unerschöpflich.
Daher sind auch die direkten Kontakte von Mitarbeitern eine wertvolle Quelle für Active Sourcing. Beim so genannten Referral Sourcing geht es darum, ähnlich hoch qualifizierte Kontakte für das eigene Unternehmen zu akquirieren. Dies kann zudem von Mitarbeiter-werben-Mitarbeiter-Programme unterstützt werden.
Persönlicher Kontakt
Der persönliche Kontakt im Active Sourcing benötigt viel Zeit und Ressourcen, führt aber häufig zu vielversprechenden Vertragsabschlüssen. In Nicht-Pandemiezeiten zählen für Konzerne und große Unternehmen Karriere-Events für Studenten sowie Personalmessen daher zu den wichtigsten Active Sourcing-Kanälen. Sympathie für das Unternehmen lässt sich am besten durch den persönlichen Kontakt und eine gezielte Kommunikation aufbauen. Die Besucher solcher Veranstaltungen sind zudem an beruflichen Themen interessiert und meistens auf der Suche nach einem Job. Recruiter können in persönlichen Gesprächen rasch die Kompetenzen und Interessen der Menschen herausfinden und Beziehungen herstellen.
Ansprache im Internet
Darüber hinaus ist im mobilen Zeitalter die direkte Ansprache im Internet unverzichtbar. Für die aktive Kandidatensuche nutzen Unternehmen verbreitet die Social-Media-Karrierenetzwerke Xing und Linkedin. Denn hier treffen sie auf besonders viele potenzielle Mitarbeiter. Die Businessnetzwerke bieten die Möglichkeit, Nutzerprofile nach Position, Standort, Branche oder bestimmten Qualifikationen zu filtern. Während viele Personaler noch manuell nach passenden Talenten suchen, lässt sich Active Sourcing auch durch eine HR-Software automatisieren. Noch ist der Automatisierungsgrad gering, Tendenz steigend.
Eine weitere Möglichkeit für die Suche nach passenden Kandidaten bietet die Durchforstung von Lebenslaufdatenbanken wie z. B. StepStone, Monster oder Indeed. Auch eine offene Suche über Suchmaschinen wie Google kann hilfreich sein. Abhängig davon, welche Fachkräfte ein Arbeitgeber sucht, eignen sich auch Facebook, die Hashtag-Suche auf Twitter oder für die Gewinnung junger Menschen die Plattformen Snapchat oder TikTok dazu, potenzielle Mitarbeiter zu kontaktieren. Auch Messenger-Kanäle wie Slack oder WhatsApp können eine Rolle bei der aktiven Personalsuche spielen.
Vor- und Nachteile von Active Sourcing
Das sind die Vorteile:
- Die aktive Personalsuche hat den gesamten Markt im Blick – Mitarbeiter, die auf der Suche sind, und Mitarbeiter, die in Zukunft auf Suche sein könnten. Sie ermöglicht es, Wunschkandidaten direkt anzusprechen.
- Sie bindet potenzielle Mitarbeiter und rückt das Unternehmen langfristig in den Mittelpunkt des Interesses. Das Unternehmen kann somit freie Stellen schneller neu besetzen und auf personelle Engpässe sofort reagieren.
- Active Sourcing reduziert mittelfristig den Zeit- und Kostenaufwand des Recruitings.
Das sind die Nachteile:
- Um die richtigen Active-Sourcing-Kanäle für die entsprechende Zielgruppe ausfindig zu machen, braucht es zunächst jede Menge Zeit und Recherche.
- Für eine möglichst objektive Vorauswahl und die persönliche Ansprache sollten Active Sourcer geschult und weitergebildet sein.
- Kandidaten können von Active Sourcing auch genervt sein, wenn der persönliche Bezug und eine individuelle Ansprache fehlen, der zu vermittelnde Job nicht zu den Qualifikationen des Kandidaten passt oder sie zu häufig kontaktiert werden.
Wer als Recruiter Talente überzeugen will, muss sich gut vorbereiten und den Kandidaten individuell ansprechen. Das beginnt mit der richtigen Anrede und dem richtigen Namen, aber auch der Bereitstellung aller notwendigen und hilfreichen Informationen. Personaler sollten ein echtes Interesse signalisieren, authentisch sein und falls der Kandidat sich nicht zurückmeldet, zeitnah nachfassen. Andernfalls springen potenzielle Mitarbeiter ab und behalten das Unternehmen in schlechter Erinnerung.
Für wen lohnt sich Active Sourcing?
Wer passive Kandidaten, die aktuell nicht auf der Suche nach einem Job sind, erreichen möchte, sollte sein Recruiting um Active Sourcing-Aktivitäten ergänzen. Die aktive Personalsuche bietet die Möglichkeit, qualifiziertes und talentiertes Personal frühzeitig zu identifizieren und anzusprechen. Insbesondere, wenn eine Stelle schwer zu besetzen ist, ist es ratsam, mit Active Sourcing nach einem geeigneten Kandidaten zu suchen. Damit erhöhen die Firmen nicht nur die Anzahl der Bewerber, sondern steigern auch die Qualität.
Zusammenfassend: Active Sourcing kann für Unternehmen eine wertvolle Bereicherung der Recruiting-Strategie sein. Es ist eine effiziente Methode, die die klassische Personalsuche ideal ergänzt. Dabei ändern sich die Voraussetzungen im Active Sourcing ständig. Daher gibt es auch kein allgemeingültiges Vorgehen in Hinblick auf die Gestaltung eines Active Sourcing. Ganz gleich, welche Kanäle und Methoden Personaler wählen, um mit einem Kandidaten in Kontakt zu treten, entscheidend ist die individuelle und persönliche Ansprache. Doch auch hier ist Vorsicht geboten! Bewegt man sich noch im rechtlichen Rahmen, was beispielsweise das Wettbewerbsrecht und den Datenschutz betrifft? Beachten Sie daher immer die Datenschutzrichtlinien und meiden Sie private Netzwerke.
(1) Stippler, Sibylle; Burstedde, Alexander; Hering, Annina T.; Jansen,Anika; Pierenkemper, Sarah (2019) : Wie Unternehmen trotz Fachkräftemangel Mitarbeiterfinden, KOFA-Studie, No. 1/2019, Institut der deutschen Wirtschaft (IW), KompetenzzentrumFachkräftesicherung (KOFA), Köln, S. 24.
Anm. d. Red.: In einem früheren Artikel verwiesen wir auf ein White Paper von Careerplus, das wichtige Punkte von Active Sourcing zusammenstellt.
Autor:
Matthias Höfer ist Geschäftsführer der CLEVIS GmbH. Seit mehr als 10 Jahren berät er Unternehmen im DACH-Raum bei Fragen der Digitalisierung von HR, der HR Strategie und Transformation. www.clevis.de