Fachkräftebedarf sinkt wegen Corona-Krise

Seit Ausbruch der Corona-Krise ist der Fachkräftebedarf schweizweit gesunken. Dennoch besteht in einigen Berufen weiterhin ein Fachkräftemangel. Dies beispielsweise in den Bereichen Ingenieurwesen, Technik, Humanmedizin und Pharmazie, Treuhand sowie Informatik. In Berufen mit einem Fachkräfteüberangebot verschärft sich die Lage für Stellensuchende hingegen weiter.

Die Corona-Krise schlägt sich auch beim Fachkräftebedarf nieder: Der Fachkräftemangel Index sinkt schweizweit um 17 Prozent. (Grafik: Spring Professional)

Zwischen 2016, als der Fachkräftemangel im Rahmen des Fachkräftemangel Index Schweiz zum ersten Mal gemessen wurde, und 2019 hat der Fachkräftemangel jährlich zugenommen. Im Jahr 2020 ist der Index erstmals gesunken, und zwar um 17%. Dies zeigt der Fachkräftemangel Index der Adecco Gruppe Schweiz und des Stellenmarkt-Monitors Schweiz der Universität Zürich. COVID-19 hat die Lage auf dem Schweizer Arbeitsmarkt sehr schnell verändert. In den meisten Berufen sinkt die Zahl der offenen Stellen, während die Zahl der Stellensuchenden steigt. Dennoch besteht in diversen Berufen nach wie vor ein Fachkräftemangel. „Die erste Welle der Covid-19 Pandemie verunsicherte die Unternehmen. Sie stellten nur noch zögerlich oder zeitweise gar kein neues Personal ein. In der zweiten Welle können sie dagegen auf ihren Erfahrungen aufbauen. Sie rekrutieren nun trotz den einschränkenden Massnahmen wieder vermehrt Personal“, kommentiert Monica Dell’Anna, CEO der Adecco Gruppe Schweiz.

Reisebeschränkungen lässt Mobilität von Fachkräften sinken

Nicht überall sinkt der Fachkräftebedarf. Luca Semeraro, Head Professional Recruitment, erläutert: „Am Fachkräftemangel in Berufen wie dem Ingenieurwesen, der Informatik, der Technik oder der Medizin hat die Corona-Krise wenig geändert. Wir erfahren täglich, wie intensiv Unternehmen nach Spezialisten und Spezialistinnen in diesen Bereichen suchen. Es ist teilweise sehr schwierig, geeignetes Personal zu rekrutieren. Beispielsweise hat die regionale Mobilität der Fachkräfte aufgrund der Verunsicherung durch Reisebeschränkungen abgenommen. Aber auch in Berufen, die im Allgemeinen nicht von einem Fachkräftemangel betroffen sind, fehlen in einigen Bereichen viele Fachkräfte.“ Corinne Scheiber, verantwortlich für Adecco Medical, präzisiert: „Gut ausgebildete Pflegefachkräfte, insbesondere solche mit Spezialisierung Intensivpflege, sind aktuell sehr gesucht.“

In Berufen, wo das Fachkräfteüberangebot bereits 2019 besonders gross war, spitzt sich die Lage für Stellensuchende durch die Corona-Krise nochmals deutlich zu. Immer mehr Stellensuchende treffen auf immer weniger Vakanzen. „Die Arbeitslosenquote ist momentan hoch. In kundenorientierten Dienstleistungsberufen wie dem Gastgewerbe oder dem Verkauf hat sich die Lage im Vergleich zum Vorjahr besonders zugespitzt. Für Stellensuchende ist es in diesen Berufen momentan schwierig, wieder eine Arbeit zu finden. Denn die Zahl der Vakanzen hat abgenommen und die Konkurrenz durch die steigende Zahl weiterer Stellensuchender ist gross“, meint Helen Buchs vom Stellenmarktmonitor Schweiz der Universität Zürich.

Fachkräftemangel trotz Corona

Besonders hoch bleibt der Fachkräftebedarf in den Berufen der Humanmedizin und Pharmazie. Sie verzeichnen 2020 einen unverändert hohen Fachkräftemangel. Diese Berufe konnten vor dem «Lockdown» im März 2020 einen grossen Zuwachs an Vakanzen verzeichnen und danach dieses Niveau halten. So gibt es 2020 in diesen Berufen zwar mehr Stellensuchende als noch 2019, aber auch mehr offene Stellen. Dazu meint Corinne Scheiber: „Ärzte und Ärztinnen sind immer noch stark gesucht. Die Bevölkerung wird unter anderem immer älter und es braucht deshalb unabhängig von wirtschaftlichen Krisen genügend medizinisches Personal. Wir beobachten bei Adecco Medical beispielsweise eine Zunahme der Anfragen in den Bereichen Geriatrie und Gerontopsychiatrie sowie in der Notfallmedizin.“

Die Digitalisierung führt dazu, dass auf dem Arbeitsmarkt immer mehr Informationstechnologien eingesetzt und deshalb Informatikkenntnisse benötigt werden. Dies spiegelt sich im immer noch grossen Bedarf an Fachkräften in den Informatikberufen wider, wo trotz Corona-Einbruch ein Fachkräftemangel herrscht. Semeraro kommentiert: „Die Resultate des Fachkräftemangel Index Schweiz 2020 unterstreichen die Einschätzung des Verbands ICT Berufsbildung Schweiz: Die Zahl der ICT-Jobs ist deutlich höher als die Zahl der entsprechenden Arbeitslosen. In der Informatik ist der Wandel rasant. Betriebe suchen immer wieder ganz intensiv nach neuen Qualifikationen. Die Stellensuchenden hinken dabei oft einen kleinen Schritt hinterher.“

Fachkräftebedarf im Dienstleistungssektor stark gesunken

Es fällt auf, dass ein grosses Überangebot an Fachkräften in diversen Berufen mit eher tiefen Qualifikationsanforderungen im Dienstleistungsbereich besteht. Im Vergleich zum Jahr 2019 hat die Zahl der offenen Stellen weiter ab- und die Arbeitslosigkeit weiter zugenommen. Die Corona-Krise trifft diese Berufe deshalb besonders hart. Erwartungsgemäss steigt auch die Zahl der Stellensuchenden in den Berufen des Gastgewerbes, während hier gleichzeitig weniger neues Personal gesucht wird.

Das grösste Überangebot an Fachkräften verzeichnen 2020 die Berufe des kaufmännischen Bereichs. Diese Berufe haben besonders unter der Corona-Krise gelitten. Die Zahl der Vakanzen hat nämlich deutlich abgenommen. Semeraro meint dazu: „Die Corona-Krise hat die Automatisierungs- und Digitalisierungsprozesse in den kaufmännischen und administrativen Berufen nochmals angekurbelt. Zudem werden Neurekrutierungen hier in Notlagen gestrichen, weil Stellen des kaufmännischen Bereichs meist nicht unmittelbar zu Einnahmen führen. Aber auch Outsourcing und allgemeines Herunterfahren der Geschäftsbeziehungen dürften für das Überangebot eine Rolle spielen.“

Auch in den Berufen der Reinigung, Hygiene und Körperpflege ist das Fachkräfteüberangebot sehr ausgeprägt. Im Gegensatz zu anderen Berufen am unteren Ende des Rankings hat sich das Überangebot durch die Corona-Krise jedoch nicht stark verändert.

Deutschschweiz: Fachkräftemangel Index sinkt um -21%

Zusammenfassend: In der Deutschschweiz sinkt der Fachkräftemangel Index Schweiz stärker als in der französisch- und italienischsprachigen Schweiz. Dennoch liegt der Deutschschweizer Fachkräftemangel-Index über dem gesamtschweizerischen Durchschnitt. Insbesondere im Ingenieurwesen ist der Fachkräftebedarf bei Betrieben der Deutschschweiz nach wie vor hoch, denn die Zahl der offenen Stellen ist hier nur leicht gesunken. Die Ingenieursberufe belegen den ersten Platz des Rankings. Kaufmännische und administrative Berufe verzeichnen 2020 gleichzeitig weniger Vakanzen und mehr Stellensuchende als im Vorjahr. Weil sie nun gemessen an der zahlenmässigen Bedeutung des Berufs das grösste Fachkräfteüberangebot aufweisen, belegen sie neu den letzten Platz des Rankings.

Quelle: Spring Professionals (ein Unternehmen der Adecco-Gruppe)

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