Outplacement-Studie zeigt: Auch in der Schweiz nimmt „Hire & Fire“-Kultur zu

Die Zahlen der jährlichen von Rundstedt Outplacement-Statistik zeigen auch 2017 wieder ein paar sehr interessante Ergebnisse. Einerseits unterstreichen die neuen Daten, dass sich wichtige Trends aus dem Vorjahr bestätigten und weiterhin anhalten. Andererseits lassen einige neue Erkenntnisse aufhorchen.

Die neue Outplacement-Statistik von von Rundstedt zeigt Überraschendes. Etwa wird Mitarbeitenden Ü50 weniger häufig gekündigt als angenommen. (Bild: Pauline / pixelio.de)

Jährlich präsentiert von Rundstedt, ein führender Outplacement-Anbieter in Deutschland, Österreich und der Schweiz, seine Outplacement-Statistik. Outplacement ist eine Dienstleistung, welche ein Unternehmen bei Kündigungen im Sinne der sozialen Verantwortung den Betroffenen anbietet. Der jährlich veröffentlichte Outplacement-Barometer betrifft die gesamte Schweiz und basiert auf den Informationen von 1370 von einer Kündigung betroffenen Mitarbeitern und von 201 Unternehmen aus verschiedenen Branchen, welche 2017 in der Schweiz Kündigungen aussprechen mussten. Er ergibt somit ein interessantes Stimmungsbild des gesamtschweizerischen Arbeitsmarktes 2017. Die aktuelle Ausgabe zeigt einige Erkenntnisse, die positiv überraschen, aber auch solche, die nachdenklich stimmen.

Outplacement von Ü50: «Ältere Mitarbeiter sind weiterhin eine Risikogruppe, aber keine Problemgruppe»

Heute werden in der Schweiz Mitarbeitende, die älter als 5ojährig sind, als grösste Problemgruppe gehandelt, zum Teil mit viel Rauch und Polemik. Die Zahlen von von Rundstedt zeichnen aber ein anderes Bild. Der Anteil der Mitarbeitenden Ü50 unter den Gekündigten liegt 2017 bei 31%, was wie im Vorjahr (2016: 27%) in etwa der Referenzgrösse des Ü50-Anteils an der Erwerbsbevölkerung von 30.5% entspricht. Bei der Suchdauer stellen die Studienautoren weiterhin einen grossen Unterschied zwischen «schwierigen Profilen» (11 Mte) und «einfachen Profilen» (4.5 Mte) fest. Dies betrifft Betroffene mit einer tiefen Marktfähigkeit. Dies sind aber nicht in erster Linie älter als 50 Jahre. Bei der Betrachtung der Suchdauer nach Altersgruppen lässt sich ferner feststellen, dass die Suchdauer der Ü50 mit 7.9 Monaten (2016: 8.3 Mte) nicht mehr so stark über dem Referenzdurchschnitt aller Altersgruppen von 6.3 Monaten liegt. Die Daten zeigen in der Ü50-Gruppe ausserdem eine sehr grosse Varianz, d.h. es gibt über 50-Jährige mit kurzer Suchdauer, und solche mit hoher Suchdauer bis z.T. über 12 Monate. Demgegenüber hat sich die Suchdauer der Altersgruppe 30-40 Jährigen auf 6.5 Monate (2016: 6.2 Mte) erhöht und liegt somit nicht mehr so viel unter den Ü50.

Aus diesen Ergebnissen leitet die Studie ab, dass die Schwierigkeiten auf dem Arbeitsmarkt nicht primär durch das Alter geprägt sind, sondern vielmehr durch die Marktfähigkeit eines Betroffenen. Der aktuelle Strukturwandel in verschiedenen Branchen und Funktionsbereichen betreffe fast alle Altersgruppen, nicht nur diejenige der Ü50, heisst es dazu. Die Ü50 seien zwar nach wie vor eine der Risikogruppen, weil sie relativ stärker durch die alte Marktstruktur geprägt sind. Trotzdem stellen sie keine Problemgruppe dar. Das zeigt die grosse Anzahl Ü50, die rasch und problemlos eine neue Stelle finden. Festzustellen sei vielmehr eine altersunabhängige Polarisierung zwischen marktfähigen und «schwierigen» Profilen. Alter ist nur einer der relevanten Faktoren, welche die Marktfähigkeit beeinflussen.

Zero Gap: «Arbeitgeber lassen kaum Mobilität zwischen Branchen und Funktionen zu»

Schon in der letztjährigen Studie wurde darauf hingewiesen, dass Arbeitgeber bei der Suche und Auswahl keine Profilabweichungen zum Anforderungsprofil zulassen. Sie suchen nach dem 100% passenden Profil und schöpfen dazu das ganze Potenzial des globalen Arbeitsmarkts aus. So entsteht ein strukturelles Arbeitsmarktproblem, bei dem gleichzeitig Fachkräftemangel und eine qualifizierte Arbeitslosigkeit herrscht. Eine Folge daraus ist, dass es Betroffene trotz nachweislichem Potenzial schwer haben, in eine neue Branche oder eine neue Funktion zu wechseln, wenn sie diese Erfahrung nicht vorweisen können. Nachdem die Branchenmobilität 2016 auf 16% (2015: 32%) gesunken ist, hat sie sich 2017 mit 21% wieder etwas erholt, liegt aber weiterhin markant unter dem Wert aus dem Jahr 2015. Auch die funktionale Mobilität liegt 2017 mit 23% zwar leicht über dem Vorjahreswert (2016: 21%) aber nach wie auf einem sehr tiefen Niveau. Die leichten Erhöhungen im 2017 sind auf spezielle Massahmen bei von Rundstedt zurückzuführen, die Betroffenen bei der Mobilität zu unterstützen.

Dies führt zum Fazit, dass Zero Gap nach wie vor ein starker Trend und ein Phänomen im Schweizer Arbeitsmarkt darstellt, das den Betroffenen Mühe bereitet. Vor dem Hintergrund der zunehmenden volkswirtschaftlichen Herausforderungen des Digitalisierungszeitalters ist dieser Trend besorgniserregend.

In diesen Branchen wurden 2017 die meisten Kündigungen ausgesprochen (Branchenzugehörigkeit der Betroffenen in Prozent; Quelle: von Rundstedt)

Abbautendenz bei internationalen Headquarters: «Qualifizierte Stabsfunktionen werden vermehrt ins Ausland verlagert»

Ein weiterer Befund der Outplacement-Studie: Kündigungen sind 2017 häufiger auf explizite Personalabbaumassnahmen zurückzuführen als noch in den Vorjahren. So war 2017 bei 26% der Kündigungen eine Reduktion des Personalbestandes die Kündigungsursache (2016: 15%). Dazu kommt, dass 2017 mit 33% vermehrt Stabsfunktionen und Management Supportfunktionen von Kündigungen betroffen waren als noch in den beiden Vorjahren (2015: 24%; 2016: 31%). Diese zwei Entwicklungen können dadurch begründet werden, dass 2017 bei vielen Hauptsitzen von in der Schweiz ansässigen globalen Unternehmen Personal abgebaut wurde. Dies betrifft sowohl Hauptsitze von Schweizer Konzernen als auch EMEA-Headquarters von ausländischen Konzernen. Zu beobachten sie, so die Studie, dass einerseits gezielt und systematisch hochqualifizierte Stabsstellen, welche ortsungebunden sind, ins Ausland verlagert werden. Nach dem Produktionsstandort Schweiz gerät also auch der Headquarterstandort Schweiz zunehmend unter Druck. Andererseits ist festzustellen, dass bei Headquarters die schnelllebige «Hire & Fire»-Kultur zunehmend Fuss fasst und die Personalfluktuation merklich erhöht.

Diese Funktionen erhielten 2017 am häufigsten den „Blauen Brief“ (Quelle: von Rundstedt)
Die wichtigsten Kündigungsgründe 2017. (Quelle: von Rundstedt)

Positive Salärentwicklung im hochqualifizierten Sektor: «Entgegen vieler Berichte findet in der Schweiz keine Salärkorrektur statt»

Arbeitgeber und Wirtschaftsverbände beklagen sich häufig, dass die hohen Lohnkosten des Standorts Schweiz zu einem zunehmenden Wettbewerbsnachteil werden. Dies wird scheinbar durch eine schleichende Abwanderung von hochqualifizierten Stabsstellen ins Ausland korrigiert. Es scheint sich im Gegensatz dazu aber nicht wirklich auf die Lohnentwicklung in der Schweiz auszuwirken. So ist 2017 der Wiedereinstiegslohn eines Stellenlosen nach einer Kündigung im Durchschnitt 6% tiefer ausgefallen als der vorherige Lohn (2016: 8%). Gleichzeitig erzielten Neueingestellte, welche direkt von einem anderen Arbeitgeber abgeworben wurden, im Durchschnitt wie schon im Vorjahr einen um 10% höheren Startlohn als beim vorherigen Arbeitgeber. In der Summe führt dies zu einem Lohnanstieg von rund 2%. Daraus lässt sich ableiten, dass sich der Lohndruck in der Schweiz zumindest im hochqualifizierten Sektor nicht auf die Lohnentwicklung auswirkt, sondern eher über eine schleichende, aber gezielte Auslagerung von hochqualifizierten Stabsstellen korrigiert wird.

Quelle: von Rundstedt

 

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