Kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung im beruflichen Umfeld

Das Lernen beginnt mit der Geburt und endet mit dem Tod. Leben bedeutet lebenslanges Lernen.

Kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung im beruflichen UmfeldDer Mensch ist von Natur aus neugierig, er will sich entwickeln und ein autonomes Leben führen. Gerade bei kleinen Kindern, etwa bis zum siebten Lebensjahr, ist diese sprühende Entdeckerfreude gut zu beobachten. Schaut man sich die Begeisterung fürs Lernen bei den 7- bis 14-Jährigen genauer an, zeigt sich leider, dass bereits kurz nach der Einschulung oft schon etwas mächtig schiefläuft. Die Schule ist dann zwar noch ein guter Ort für die Pflege sozialer Kontakte und den Austausch untereinander – das Klassenzimmer wird leider vielfach zum kollektiven Feindbild. Das spricht nicht gerade für das Schweizer Bildungssystem. Andererseits erreichte die Schweiz in der PISA-Studie 2012 gemäss EDK-Communiqué ein «hervorragendes Ergebnis». Kein anderes europäisches Land erreichte einen signifikant höheren Mittelwert als die Eidgenossenschaft. Mit diesen zwei Seiten der Medaille – Lernlust oder Lernfrust – sind wir auch schon beim Kernthema: dem Bildungscontrolling und der kompetenzorientierten Aus- und Weiterbildung im beruflichen Umfeld.

Lernen im Wandel der Zeit

Die Generation unserer Eltern hat einen Beruf erlernt und diesen bis zum Rentenalter ausgeübt: «Schuster, bleib bei deinen Leisten», hiess es. Das hat sich grundlegend geändert. Stetig kürzere Entwicklungs- und Wissenszyklen, schnellere technologische Sprünge und Innovationen sowie die Tendenz zur Spezialisierung verändern unsere Arbeitswelt nachhaltig. Die rasanten Umbrüche sind Gründe dafür, dass die fachlichen Erfahrungen, die sich der Einzelne in seinem beruflichen Umfeld aneignet, eine stetig kürzere Halbwertszeit haben. Spätestens seit der Jahrtausendwende ist für jede Fach- und Führungskraft die Bereitschaft zum «lebenslangen Lernen» ein Muss geworden, um «am Ball zu bleiben» und langfristig auf dem Arbeitsmarkt bestehen zu können.

Nur mehr ein Bruchteil der heute Vierzigjährigen ist in ihren erlernten Berufen tätig, neue Arbeitsfelder kommen hinzu und vertraute verschwinden. Die Fähigkeit, mit Wandel umzugehen, wird zunehmend wesentlicher für die Bewältigung des Alltags. Um darauf vorzubereiten, müssen Führungskräfte und Personalentwickler Expertinnen und Experten für moderne Lernstrategien und für den Wandel werden.

Lustvoll lernen im beruflichen Umfeld

Folgende sechs Voraussetzungen stehen für ein effektives und lustvolles Lernen im beruflichen Umfeld:

  1. Der Lerninhalt soll einem echten Bedürfnis entsprechen, und zwar sowohl für den Betrieb als auch für die Lernende und den Lernenden.
  2. Es soll nur das erlernt werden, was auch zeitnah in der Berufspraxis umgesetzt werden kann (Lernen auf Vorrat ist obsolet).
  3. Es sollen Lernangebote und nicht ultimative Wahrheiten vermittelt werden. Das ist deshalb wichtig, damit der Seminarteilnehmer das Neuerlernte mit seinen bisherigen Erfahrungen selbstbestimmt und nahtlos verknüpfen kann.
  4. Bereits vor dem Beginn der Weiterbildung sollen neue Verantwortungs- und Arbeitsbereiche besprochen und die Arbeitsplatzbeschreibung angepasst werden.
  5. Die Mitarbeiter/innen wünschen sich strukturiertes und zeitnahes Feedback, um sich zu orientieren und sich weiterzuentwickeln. Auch mit negativem Feedback können Arbeitskräfte gut umgehen, sofern der Feedbackgeber gleich noch Anregungen für Optimierungen gibt.
  6. Die Firmenstrategie soll hierarchieübergreifend transparent sein. Die Menschen wollen in die unternehmerischen Zukunftspläne eingeweiht werden und sie dann aktiv mitgestalten. Idealerweise werden den Mitarbeitern von der Führungskraft persönliche Perspektiven aufgezeigt und gemeinsam verhandelt, die der Firmenstrategie entsprechen. So fühlt sich der Einzelne als Teil des Ganzen.

Wenn nur einige dieser Punkte berücksichtigt werden, sind lustvolles Lernen und die erfolgreiche Integration der neuen Kenntnisse in den Berufsalltag gegeben.

Kompetenzorientiertes Lernen

Wenn wir Menschen bei der Arbeit zuschauen, können wir ihr konkretes Verhalten und das Umsetzen ihrer Kompetenzen beobachten: Wir sehen sie beim Schweissen von zwei Stahlträgern, beim Erstellen einer Offerte, beim Gestalten einer Grafik oder beim Konfliktgespräch mit Dritten. Was wir sehen, ist der Output ihrer Performance und ihrer konkreten Leistung. Was sich im Innern der Menschen dabei abspielt, bleibt verborgen: Warum eine Leistung genau in dieser Qualität erbracht wird, ist der Beobachtung nicht zugänglich. Damit ein Mensch sein ganzes Potenzial hervorbringen kann, sollen zwei Bedingungen erfüllt sein:

  1. Er hat Zugang zu seinem gesammelten Wissen und Können, und
  2. er hat die innere Bereitschaft, sein Potenzial für die gestellte Aufgabe aktiv zu nutzen.

Bildungscontrolling in Unternehmen

Robert Watermann, ein amerikanischer Unternehmensberater, hat Bildungscontrolling auf folgende Formel reduziert:

  • «Geben Sie Ihren Mitarbeitenden Arbeit, bei der sie ihre Fähigkeiten voll ausschöpfen müssen.
  • Geben Sie ihnen alle notwendigen Informationen und Schulungen dazu.
  • Erläutern Sie ihnen klipp und klar, was es zu erreichen gibt. … Und dann – lassen Sie sie in Ruhe!»

Folgende Schritte haben sich für ein modernes Bildungscontrolling in Unternehmen bewährt:

  1. Regelmässige Ermittlung des Weiterbildungsbedarfs und der gewünschten zusätzlichen Kompetenzen, z.B. bei den Jahresgesprächen.
  2. Neue Verantwortungsbereiche und Arbeitsfelder definieren, in denen der Mitarbeiter die gelernten Kompetenzen nach Abschluss der Weiterbildung direkt einsetzen kann.
  3. Zeitaufwand für die Weiterbildungsmassnahme sowie den Transfer in den Alltag einschätzen und gegebenenfalls sein Arbeitspensum temporär reduzieren.
  4. Geeignete Weiterbildungsangebote suchen, die dem Bedarf entsprechen.
  5. Vertrag mit dem Mitarbeiter abschliessen.
  6. Weiterbildung absolvieren.
  7. Abschlussbesprechung und dem Mitarbeiter den erweiterten oder neuen Verantwortungsbereich übergeben.

Bildung misst sich an der Zukunft – nicht an der Vergangenheit

Ein intelligentes Bildungscontrolling orientiert sich immer an der Zukunft und richtet das Augenmerk darauf, was nach der Weiterbildung im Berufsalltag anders oder effizienter geworden ist.

Viele Unternehmen orientieren sich dagegen immer noch an der Vergangenheit. Sie schauen auf die Defizite der Arbeits- oder Führungskraft und wundern sich nach der Weiterbildungsmassnahme, dass sich wenig oder nichts geändert hat. Die Antwort liegt auf der Hand: Chef und Mitarbeiter konzentrieren sich bei der Auswahl des Weiterbildungsangebots auf die bisherigen Fehlleistungen. So muss oft «neues Wissen» aufgebaut werden. Besser wäre es, sich auf die vorhandenen und erhaltenswerten Kompetenzen zu fokussieren und die neu gelernten Kenntnisse dort zu integrieren. Um sich an den Ressourcen und weniger an den Defiziten zu orientieren, könnte mit folgenden Fragen gearbeitet werden:

  • Was gelang mir bisher gut mit meinen aktuellen Kompetenzen?
  • Welche zusätzlichen Kompetenzen wären für meine jetzige und zukünftige Aufgabe unterstützend, damit ich meine Arbeit effizienter und effektiver durchführen kann?
  • Welchen Nutzen bzw. Gewinn hätten mein Bereich, mein Unternehmen und ich, wenn ich diese Kompetenzen erwerben würde?
  • Wie viele Ressourcen (Zeit und Geld) sind mein Unternehmen und ich bereit zu investieren, damit ich diese Kompetenzen erwerben kann?
  • Wovon sollte man mich temporär im Betrieb entlasten, damit ich die benötigten Ressourcen aufbringe, um diese Kompetenzen zu erwerben?
  • Wovon muss ich mich vorübergehend entlasten (z.B. soziale Kontakte, Hobbys), damit ich die benötigten Ressourcen aufbringe, um diese Kompetenzen zu erwerben?

Aus der Sicht des Mitarbeiters könnte der Wunsch nach einem nachhaltigen, kompetenzorientierten Weiterbildungsangebot folgendermassen ausgedrückt werden: «Zeige mir die Ziele, die ich erreichen soll, begleite mich auf dem Weg dorthin, spiegle mir zurück, wo ich in meinem Lernprozess stehe, und halte auch aus, wenn ich mal Nebenwege benutze. Lass mich meine Entscheidungen selber treffen, teile mir aber auch mit, welche Konsequenzen meine Entscheidungen für mich haben können» (angelehnt an: Bönsch, Kohnen, Möllers et al., 2010, S. 44).

Nicht auf Defizite schauen

Ein modernes Bildungscontrolling mit dem Fokus auf kompetenzorientierte Aus- und Weiterbildung schaut nicht auf die Defizite, sondern auf die bereits bestehenden Kompetenzen und knüpft dort an. Je näher die neu zu erlernende Kenntnis an der Schnittstelle zwischen Wissen und Nichtwissen angesiedelt wird, desto besser kann sie vom Teilnehmer in seinen Berufsalltag integriert werden und es besteht keine Gefahr einer Über- oder Unterforderung. Mit diesem Vorgehen werden die Bildungsbudgets optimal eingesetzt mit maximalem Output für den Mitarbeiter und das Unternehmen.

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