Smart Working in der Schweiz: Neun Erkenntnisse nach einem Jahr Pandemie

Seit einem Jahr grassiert die Pandemie auch bei uns. Für viele Unternehmen bedeutete dies eine neue Realität: Sie mussten ihre Mitarbeitenden von zu Hause aus beschäftigen. Gleichzeitig mussten die Unternehmensprozesse weiter funktionieren. Bedeutet dies nun den Durchbruch für Smart Working? Eine Studie des Outplacement-Dienstleisters von Rundstedt hat einige Erkenntnisse zusammengetragen.

Nach einem Jahr Pandemie spricht alles von Smart Working: Doch mit Homeoffice allein wird man in Zukunft nicht „smarter“ arbeiten. (Bild: Unsplash.com)

Der Outplacement-Dienstleister von Rundstedt hat zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 unter der Leitung von Prof. Dr. Andrea Martone (Director Research & Studies bei von Rundstedt) eine grosse Studie zum Thema Smart Working in der Schweiz durchgeführt. Dabei wurde auch eine grosse Umfrage lanciert.

Pandemie als Treiber für moderne Arbeitsformen?

Studie und Umfrage verfolgen das Ziel, ein Jahr nach dem Ausruf des ersten Lockdowns mit Homeoffice-Pflicht für viele Arbeitnehmende die Erfahrungen und Auswirkungen der Homeoffice-Arbeit auf die Arbeitskultur und die betrieblichen Strukturen und Prozesse zu untersuchen. Führt der erzwungene Homeoffice Schritt in der Schweiz endlich zu der neuen Arbeitskultur, wie sie von Work 4.0 und Future Work schon lange prophezeit wird? Sind wir auf dem Weg zu Smart Working, oder machen wir einfach Telearbeit von zu Hause aus? Nutzen Schweizer Unternehmen diese Chance, prinzipiell und dauerhaft auf eine Arbeitskultur mit grösserer Flexibilität und Autonomie bei der Wahl von Arbeitsraum, -zeit und -mittel umzustellen? Führt der Pandemieschock schlussendlich zu einem Kulturwandel in Schweizer Unternehmen? Was sind die ersten Erfahrungen mit Smart Working? Führt Smart Working wirklich zu mehr Produktivität, Effizienz, Qualität und besseren Ergebnissen? Sind sich Schweizer Unternehmen bewusst, dass es dazu mehr braucht als Home Office und Telearbeit?

Smart Working: 9 Erkenntnisse

An der Umfrage haben 534 HR Manager und Führungskräfte von Unternehmen unterschiedlicher Branchen, Sprachregionen und Unternehmensgrössen teilgenommen. Aus den Antworten lassen sich neun Erkenntnisse ableiten:

  1. Vor allem Telearbeit, aber kaum Smart Working: Die grosse Mehrheit der befragten Unternehmen haben nicht Smart Working, sondern Telearbeit eingeführt. Sie arbeiten noch immer in den gleichen Strukturen, Prozessen und Methoden und haben lediglich die gleichen Arbeitsabläufe, die bisher im Büro stattfanden, an einen entfernten Ort (ins Homeoffice) verlegt. Damit verpassen in den Augen der Studienautoren viele Unternehmen eine grosse Chance.
  2. Covid als unfreiwilliger Beschleuniger von Smart Working: Für 77.4% der Unternehmen war Covid der hauptsächliche Grund für die Homeoffice-Praxis und Smart Working. Die meisten Unternehmen hätten bis heute nicht freiwillig auf Remote Working umgestellt. Smart Working ist aktuell also keine Wahl, sondern reine Notwendigkeit. Das erklärt auch, dass moderne Arbeitsformen betrieblich und kulturell noch nicht wirklich verankert sind.
  3. Zu viel Remote Working: Experten sehen die optimale und gesunde Remote Zeit bei 2 Tagen pro Woche. Aufgrund von Covid haben in der Schweiz über 60% aller Unternehmen diese Marke überschritten. 46% der Unternehmen schickten ihre Mitarbeitenden sogar 60-100% ins Homeoffice, und zwar im letzten Jahr, vor der Homeoffice-Pflicht. Das sei kein gesundes Mass und alarmierend, so die Studie. Mögliche Konsequenzen sind Demotivation, Koordinationsprobleme, abnehmende Beziehungsqualität und gefährdete Work-Life-Balance.
  4. Positive Auswirkung auf Effizienz und Qualität: Häufig wird befürchtet, dass sich die erschwerte Führung und Koordination und opportunistisches Verhalten der Mitarbeitenden negativ auf Produktivität und Effizienz auswirken. Das Gegenteil sei der Fall, stellt die Studie fest: Über 75% sehen keine Effizienzeinbusse. Rund 37% sehen sogar eine klare Steigerung der Produktivität. Ein ähnliches Bild ist bei der Qualität zu sehen. Rund 80% stellen keine Qualitätseinbussen fest, und 22% glauben sogar eine Zunahme der Qualität zu beobachten.
  5. Negativer Einfluss auf Team- und Mitarbeitermotivation: Wenig überraschend scheinen Team- und Mitarbeitermotivation unter Smart Working zu leiden. Die Zusammenarbeitsqualität ist zwar unverändert. Rund ein Drittel der Unternehmen berichtet aber von einer Abnahme von Zusammenarbeit und Teamarbeit. 69% der Unternehmen sehen eine Verschlechterung der sozialen Beziehungen unter den Mitarbeitenden. Und fast die Hälfte aller Unternehmen beobachten, dass sich die Identifikation der Mitarbeitenden mit dem Unternehmen verschlechtert hat. Vor diesem Hintergrund tun Unternehmen gut daran, gezielte Massnahmen zur Einbindung und Bindung der Schlüsselpersonen zu lancieren.
  6. Jüngere mit höherer Bereitschaft; Ältere mit mehr Fähigkeiten: Es erstaunt nicht, dass jüngere Mitarbeitende schneller und eher dazu bereit sind, zum Smart Working zu wechseln und mehr Flexibilität und Autonomie anzunehmen. Sie sind sich die virtuelle Kommunikation auch mehr gewohnt als Ältere. Schaut man sich aber die Fähigkeit zu Smart Working an, wären es eigentlich eher die älteren Mitarbeitenden, die mit ihrer Erfahrung im Arbeitsleben und in Organisationen die besseren Voraussetzungen mitbringen als die Jüngeren. Smart Working braucht ein gutes Verständnis vom organisationalen Kontext. Bei der Einführung von Smart Working bei jüngeren Mitarbeitenden sollte dies nicht unterschätzt werden. Bereitschaft und Fähigkeit gehen hier auseinander.
  7. Smart Working bleibt auch in Zukunft: Obwohl in den meisten Unternehmen Smart Working und Remote Working durch Covid mehr oder weniger unfreiwillig eingeführt wurde, glauben nur 6% der Unternehmen daran, dass diese neue Arbeitsform wieder verschwinden wird. Die überwältigende Mehrheit von 69% glaubt, dass Smart Working als Arbeitsmodell und -kultur nachhaltig bestehen bleibt, in ihrer Intensität und Ausprägung aber leicht zurückgehen wird, sich also in einem gesunden Mittelmass einpendeln wird. Weitere 15% glauben sogar, dass sich diese veränderte Form des Arbeitens noch weiter steigern, ausbreiten und intensivieren wird.
  8. Zu wenig Unterstützung für die Mitarbeitenden: Dieser Wandel der Arbeitskultur und des Zusammenarbeitsmodells ist für viele Mitarbeitende nicht einfach. Die Unterstützung der Arbeitgeber beschränkt sich aber bei den meisten Unternehmen primär auf die Zurverfügungstellung der technologischen Mittel und Infrastrukturen (Laptop, Drucker, Lizenzen). Bei der weiterführenden finanziellen Unterstützung (z.B. Büroinfrastrukturen und Arbeitsumgebung im Homeoffice) sind die meisten Arbeitgeber sehr zurückhaltend. Auch bei der persönlichen und individuellen Unterstützung (Training 40%, Coaching 19%) wird zu wenig gemacht. Nur bei der Flexibilisierung der Arbeitszeit bietet eine Mehrheit der Arbeitgeber (76%) Hand.
  9. Meinungen im Management gehen weit auseinander: Im Management herrscht definitiv Uneinigkeit darüber, ob Smart Working erfolgreich, wünschenswert, nachhaltig und sinnvoll ist. Verschiedene Parameter weisen auf einen Dissens hin. So denkt die eine Hälfte der Manager, dass Smart Working zu mehr Verwirrung und Unklarheit im Arbeitsumfeld führt, die andere Hälfte sieht das nicht so. Wahrscheinlich die gleiche Hälfte der Manager sieht durch Smart Working einen Kontrollverlust über die Mitarbeitenden, die andere Hälfte sieht das wiederum nicht so. Einen spannenden Befund ortet die Studie auch im Selbstzweifel der Manager: über die Hälfte der Manager glaubt, dass Führungskräfte und Manager mehr Mühe mit der Umstellung auf Smart Working haben als die Mitarbeitenden. Diese Zahlen zeigen auf, dass sich ein grosser Teil der Führungskräfte in einem Dilemma fühlen.

Strategien für die Zukunft

Die Erkenntnisse der Studie hat von Rundstedt in einem White Paper zusammengetragen. Darin werden auch Strategien für die Zukunft skizziert. Denn unbestritten wird nach der Pandemie die Arbeitswelt eine andere sein als zuvor. Deshalb braucht es auf verschiedenen Ebenen Veränderungen: Bei der Führung, bei der Messung von Produktivitäts-Indikatoren, bei Unternehmensstrukturen, bei der Ausbildung sowie bei der Arbeitsmobilität. So wird etwa die Führung sich mehr auf die Beziehungsebene verlagern und weniger auf Prozesse fokussieren müssen. Als Messkriterien werden KPI durch OKR (Objectives on Key Results) abgelöst werden. Unternehmensstrukturen werden flexibler werden müssen und anstelle von Hierarchien auf Teams basieren. Das bedeutet mehr Autonomie für Mitarbeitende, die dazu entsprechend anders ausgebildet sein müssen. Personalentwicklung erhält dabei einen höheren Stellenwert und dürfte zu einer erhöhten Nachfrage nach entsprechenden Dienstleistungen führen.

Quelle: von Rundstedt

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