Mehr Kündigungen durch Strukturwandel – Ü50 unter Druck
Die Zahlen der jährlichen von Rundstedt Outplacement-Statistik zeigen auch 2018 wieder ein paar sehr interessante Ergebnisse. Dieser Barometer betrifft die gesamte Schweiz und basiert auf den Informationen von 1’450 von einer Kündigung betroffenen Mitarbeitern und von 182 Unternehmen aus verschiedenen Branchen, welche 2018 in der Schweiz Kündigungen aussprechen mussten. Eine Erkenntnis: Kündigungen aufgrund von Strukturwandel nehmen zu.
Die Outplacement-Beratung von Rundstedt wurde 1985 gegründet und ist heute ein führender Outplacement-Anbieter in Deutschland, Österreich und der Schweiz. von Rundstedt arbeitet im Falle von Personalabbau und Kündigungen mit Unternehmen aller Branchen zusammen und unterstützt die von Kündigungen betroffenen Mitarbeiter bei der beruflichen Neuorientierung. Das Unternehmen veröffentlicht regelmässig einen Arbeitsmarkt-Barometer gestützt auf Erkenntnissen aktueller Outplacement-Beratungen. Die kürzlich im Januar 2019 veröffentlichte Statistik zeigt ein interessantes Stimmungsbild des gesamtschweizerischen Arbeitsmarktes 2018. Die wichtigsten Erkenntnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen:
«Weniger Konjunkturdruck, dafür mehr Kündigungen durch Strukturwandel»
Verschiedene Daten weisen darauf hin, dass die Kündigungen 2018 insgesamt mehr durch strukturellen Druck als durch konjunkturelle Notwendigkeit geprägt waren. So ist vor allem in der Finanzbranche, welche sich in einem grossen Strukturwandel befindet, ein starker Zuwachs der Kündigungen zu beobachten, von 22% in 2017 auf 32% in 2018. In der Pharmabranche, welche durch die Projektnatur historisch einem grossen Strukturdruck ausgesetzt ist, bleibt gemäss von Rundstedt der Kündigungsrhythmus ebenfalls hoch (2017 bei 24%; 2018 bei 27%). Die klassische Industrie hingegen erlebte einen signifikanten Rückgang, welcher durch die konjunkturelle Erholung und die besseren volkswirtschaftlichen Bedingungen begründet werden kann. Nach einem Anteil von 29% in 2017, machen die Kündigungen in der Industrie 2018 noch lediglich 22% aus. Auch die Begründung der Entlassungen gehen in diese Richtung. So sind Personalabbaumassnahmen von 26% auf 20% stark zurückgegangen, während Restrukturierungskündigungen gleichzeitig zugenommen haben (von 40% auf 46%). Diese Entwicklung lässt sich auch bei den betroffenen Funktionen nachvollziehen. So ist es 2018 zu mehr Fluktuation bei Managern (Anstieg von 33% auf 36%) und Kadermitarbeitern (Anstieg von 21% auf 28%) gekommen, während bei Fachkräften relativ weniger Kündigungen ausgesprochen wurden. Nach 25% in 2017 sind es hier 2018 nur noch 17%. Auch dies weist auf einen stärkeren Strukturwandel hin, weniger auf einen konjunkturellen Druck.
Ü50: Weiterhin angespannte Situation
Nachdem in den letzten beiden Jahren die Ü50 verhältnismässig etwa gleich stark von Kündigungen betroffen waren wie andere Altersgruppen, hat es 2018 einen leichten Anstieg gegeben. So betrafen neu 34% der betrachteten Kündigungen ältere Arbeitskräfte Ü50. Diese Zahl ist leicht höher als der Referenzwert von 30%, welcher dem Anteil der Ü50 an der gesamten Erwerbsbevölkerung entspricht.
Bei der Stellensuche tun sich ältere Arbeitskräfte Ü50 nach wie vor schwerer als die jüngeren Kollegen. So weicht die durchschnittliche Suchdauer der Ü50 von 6.8 Monaten signifikant vom Gesamtdurchschnitt von 5.3 Monaten ab. Entscheidend ist hier aber, dass die statistische Varianz innerhalb der Gruppe Ü50 viel höher ist als in anderen Gruppen. Dies bedeutet, dass viele Ü50 sehr schnell wieder eine neue Stelle finden, viele aber auch sehr lange suchen müssen. Daraus lässt sich ableiten, dass es keine allgemeine Altersdiskriminierung im Markt gibt, sondern die Voraussetzungen individuell sehr unterschiedlich sind und durch andere Aspekte stark mitgeprägt werden.
Offene Stellen werden immer häufiger ausgeschrieben
Immer mehr Klienten der Outplacement-Beratung finden ihre neue Stelle aufgrund von Ausschreibungen und Online Stellenanzeigen auf dem offenen Stellenmarkt. 2018 haben 24% der Klienten von von Rundstedt eine offiziell ausgeschriebene Stelle erhalten (2017 nur 20%). Gleichzeitig gingen die Sucherfolge über den verdeckten Arbeitsmarkt von 52% auf 41% zurück. Der verdeckte Arbeitsmarkt bleibt damit zwar immer noch der mit Abstand erfolgreichste Suchkanal, trotzdem ist die Entwicklung klar und signifikant. Dies liegt primär daran, dass immer mehr Arbeitgeber die digitalen Möglichkeiten der Online Stellenausschreibung (Webpage, soziale Medien, Bewerbungsplattformen) nutzen und diese von Kosten und Aufwand her optimal bewirtschaftet werden können. Die neu eingeführte Stellenmeldepflicht (MEI Umsetzung) werde diesen Trend in Zukunft noch zusätzlich verstärken, glaubt von Rundstedt.
Trend zur Selbständigkeit
Die Zahlen bringen zum Ausdruck, dass Selbständigkeit für Menschen in einer beruflichen Neuorientierung eine immer häufigere Option wird. So haben sich 2018 neu 12% der von Rundstedt-Klienten für eine selbständige Tätigkeit entschieden und sich selber ein Geschäftsfeld aufgebaut. Dieser Anstieg sei enorm, so die Ansicht der Outplacement-Berater. Denn diese Selbständigkeitsquote lag 2017 lediglich bei 5%. Diese Entwicklung kann zwei Gründe haben: Erstens sei ein allgemeiner Trend zur Verkleinerung von Konzernstrukturen und zur zunehmenden Fragmentierung der Suppliermärkte festzustellen – also einmal mehr ein Strukturwandel. Sharing Economy, gig Economy und Freelancertrend gelten als treibende Kräfte hinter dieser Entwicklung. Zweitens gebe es aber auch einen pragmatischen Grund: So ist die Selbständigkeit gerade für ältere Arbeitskräfte mit schwierigem Profil und tieferer Beschäftigungsfähigkeit häufig die einzige Möglichkeit, sich im Arbeitsmarkt zu halten.
Zero Gap: Arbeitgeber können sich nach wie vor ein kompromissloses Rekrutierungsverhalten leisten
Zero Gap bedeutet, dass Arbeitgeber in der Rekrutierung kaum Abweichungstoleranz vom perfekten Wunschprofil zeigen und am perfekten Anforderungsprofil festhalten. So ist es für Klienten nach wie vor nicht leicht, in eine neue Branche oder eine neue Funktion zu wechseln. 2018 ist nur 25% der durch von Rundstedt beratenen Klienten ein Branchenwechsel gelungen, auch beim Funktionswechsel liegt der Wert bei 25%. Zero Gap stellt somit weiterhin ein Hindernis dar für Menschen, die sich aufgrund von Strukturveränderungen neu orientieren und positionieren müssen. Dies stellt viele Betroffene vor allem vor dem Hintergrund der Digitalisierung vor grosse Schwierigkeiten.
Erstmals sind Anzeichen der Bogenkarriere sichtbar
Über die Bogenkarriere wird in der Theorie schon lange geschrieben. Sie wird als wirksames Konzept zum Schutz der älteren Arbeitgeber Ü50 bezeichnet. Trotzdem scheint sie bislang grosse Mühe zu haben, in der Praxis zu funktionieren. Die Salärentwicklung von Outplacement-Klienten nach Altersgruppe zeigt nun aber erstmals eine interessante Entwicklung. So stellte von Rundstedt 2018 bei Ü50 bei kündigungsbedingten Stellenwechseln eine signifikante negative Salärentwicklung (-12%) fest bei gleichzeitiger positiver Salärentwicklung jüngerer Arbeitskräfte (+9%). Dies verdeutlicht einerseits den zunehmenden Druck auf die Gruppe der Ü50. Dies zeigt andererseits aber auch auf, dass die Lohnkostenhürde bei Ü50 offensichtlich mit Flexibilität auf beiden Seiten (Arbeitgeber und Arbeitnehmer) überwunden werden kann und der Markt auch über Lohnflexibilität zu funktionieren scheint. Das ist ein gutes Zeugnis für einen funktionierenden Arbeitsmarkt. Somit scheint das Konzept der Bogenkarriere langsam auch in der Praxis zu funktionieren.
Quelle: von Rundstedt