Offene Stellen: Zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie ist die Jahresbilanz negativ

Die schwache Konjunktur verschlechterte 2024 die Aussichten auf dem Schweizer Arbeitsmarkt. Die Anzahl offener Stellen ist im Vergleich zum Vorjahr um 10 Prozent gesunken – zum ersten Mal seit der Corona-Pandemie ist die Jahresbilanz damit negativ. Dies zeigt der Adecco Group Swiss Job Market Index, die wissenschaftlich fundierte Studie der Adecco Gruppe Schweiz und des Stellenmarkt-Monitors Schweiz der Universität Zürich.

Schwache Konjunktur prägt 2024 den Schweizer Arbeitsmarkt: 10 % weniger Stelleninserate, regionale Unterschiede und Branchenrückgänge. (Bild: Adecco Gruppe)

Die schwache europäische Konjunktur und der starke Franken bremsen die Schweizer Wirtschaft, was sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Im Jahr 2024 wurden insgesamt 10% weniger Stelleninserate veröffentlicht als 2023. Besonders deutlich zeigt sich der Rückgang im 4. Quartal 2024, in dem 13% weniger Inserate geschaltet wurden als im gleichen Zeitraum des Vorjahres.

„Die schwache Schweizer Konjunktur wirkt sich weiterhin auf den Arbeitsmarkt aus. Das Beschäftigungswachstum verlangsamte sich 2024 im Vergleich zu 2023, was zu einer leichten Zunahme der Arbeitslosigkeit führte. Gleichzeitig ging die Anzahl offener Stellen zurück. Diese liegt zwar noch über dem Vor-Corona-Niveau, nähert sich diesem aber zunehmend an – ein Zeichen für eine Normalisierung des Arbeitsmarktes. Wie sich die schwache Konjunktur 2025 auswirkt, bleibt abzuwarten“, sagt Marcel Keller, Country President Adecco Schweiz.

Nachfragerückgang nach Fachkräften zieht sich durch alle Berufsgruppen

Veränderung offene Stellen nach Berufsgruppe. (Bild: Adecco Gruppe)

Die verringerte Nachfrage nach Fachkräften sorgt für einen Rückgang der Stellenausschreibungen über alle Berufsgruppen hinweg.  Die Berufsgruppen MINT und Gesundheit verzeichneten 2024 das zweite Jahr in Folge einen Stellenrückgang. Mit -19 % im Vergleich zum Vorjahr fiel dieser deutlicher aus als 2023 (-3%). Haupttreiber waren erneut die sinkende Nachfrage nach Softwareentwicklern und -analytikern. Zusätzlich trugen 2024 auch Spezialisten für ICT, Datenbanken und Netzwerke, Gesundheitsberufe wie Ärzte und Pflegefachkräfte sowie Bau- und Umweltingenieure zum Rückgang bei.

Trotzdem lag die Zahl offener Stellen insgesamt noch über dem Niveau vor der Corona-Pandemie und über dem nationalen Durchschnitt. Bei Gesundheitsberufen, etwa Pflegefachkräften, erfolgte der Rückgang von einem schweizweit historisch hohen Niveau in 2023 und war weniger stark als bei ICT-Berufen. Dennoch bleibt die Zahl offener Stellen in dieser Gruppe unter der anderer Spitzenberufe.

Die Berufsgruppe Fachkräfte Büro und Verwaltung verzeichnete 2024 mit -17% erneut einen Rückgang bei den ausgeschriebenen Stellen – das zweite Jahr in Folge. Damit setzte sich der leicht negative Trend fort, der bereits vor der Corona-Pandemie sichtbar war. Betroffen waren alle Unterkategorien, darunter Fachkräfte in Finanz- und Rechnungswesen, Finanzdienstleistungen, Buchhaltung, Personalwesen sowie Büro- und Sekretariatskräfte und Bürokräfte im Kundenservice.

Auch in Technik, Wirtschaft und Dienstleistung rückläufig

Die folgenden drei Berufsgruppen verzeichneten einen moderaten Rückgang von -7% bis -8%. Darunter die Fachkräfte Technik mit einer Abnahme von -8%, zu denen unter anderem Elektrotechniker, Webmaster und Verfahrenstechniker zählen. Knapp dahinter folgt die Berufsgruppe Hochschulberufe Wirtschaft und Soziales mit einem Rückgang von -7%. Hierzu gehören beispielsweise Lehrpersonen, Anwälte oder Finanzanalysten. Ebenso verzeichnen die Fachkräfte Dienstleistung und Verkauf einen Rückgang der Stelleninserate von -7%. Diese Gruppe umfasst Berufe wie Fachkräfte Gesundheit und Pflege, Köche und Detailhandelsfachkräfte.

Die Berufsgruppen Führungskräfte und Fachkräfte Handwerk und Hilfskräfte erlebten mit -3% den geringsten Rückgang der Stelleninserate gegenüber dem Vorjahr. Zu den Führungskräften zählen Geschäftsführende, Personalleitende und Chief Financial Officers. Seit 2020 ist die Zahl der Stellenausschreibungen in diesen Positionen tendenziell zurückgegangen. Fachkräfte Handwerk und Hilfskräfte verzeichneten die zweithöchste Anzahl ausgeschriebener Stellen schweizweit. Zu dieser Berufsgruppe gehören handwerkliche Berufe wie Schreiner und Bäcker, sowie Poly-, Produktions-, und Maschinenmechaniker und -schlosser, sowie Bau- und Ausbaufachkräfte. Die Fachkräfte Handwerk und Hilfskräfte weisen trotz des Rückgangs ein schweizweit historisch hohes Niveau offener Stellen auf.

«Die Zahlen 2024 zeigen zwei zentrale Themen für den Schweizer Arbeitsmarkt: die internationale Konjunktur und den technologischen Wandel. Während Berufe im Dienstleistungs- und Verkaufsbereich von der starken Binnennachfrage profitieren und stabil bleiben, sinkt die Zahl offener Stellen in exportabhängigen Branchen wie der Uhren- und MEM-Industrie. Die geringere Nachfrage nach IT-Berufen wie Softwareentwickler könnte ein Hinweis auf langfristige Veränderungen durch den technologischen Wandel, insbesondere KI, sein», sagt Johanna Bolli-Kemper, Stellenmarkt-Monitor Schweiz.

 Automatisierungsbedingte Rückgänge bei Berufen mit vielen Routinetätigkeiten, z. B. im Büro- und Verwaltungsbereich, seien durch Studien gut belegt. Doch es bleibe offen, wie sich der technologische Wandel langfristig auf die Nachfrage nach IT-Berufen auswirkt. «Laut OECD hängt dies davon ab, ob diese Berufe durch neue Technologien ersetzt oder produktiver gemacht werden und wie viele neue Jobs dadurch insgesamt entstehen», so Bolli-Kemper.

Flächendeckender Rückgang der Stelleninserate 2024 mit regionalen Lichtblicken

Veränderung offene Stellen nach Region. (Bild: Adecco Gruppe)

Die negativen Entwicklungen auf dem Schweizer Arbeitsmarkt haben 2024 alle Grossregionen erfasst. Besonders betroffen ist Zürich mit einem Rückgang der Stelleninserate von -15%, dicht gefolgt vom Espace Mittelland mit -14%. Die Zentralschweiz und die Nordwestschweiz verzeichneten mit -9% etwas geringere Rückgänge. Am wenigsten betroffen sind die Ostschweiz (-3%) und die Südwestschweiz (-2%).

In der Zentralschweiz verzeichnen die Hochschulberufe Wirtschaft und Soziales mit -27% den stärksten Rückgang. In Zürich und im Espace Mittelland trifft es hingegen die Hochschulberufe MINT und Gesundheit besonders stark (Zürich: -26%; Espace Mittelland: -20%). In der Ostschweiz und der Nordwestschweiz verzeichnete die Berufsgruppe Fachkräfte Büro und Verwaltung die grösste Abnahme der Stelleninserate (Ostschweiz: -26%; Nordwestschweiz: -20%). In der Südwestschweiz, die den geringsten Rückgang aller Grossregionen aufweist, führen die Fachkräfte Dienstleistung und Verkauf sowie die Hochschulberufe MINT und Gesundheit mit einem Rückgang von jeweils -14% die negative Entwicklung an.

Trotz der negativen Gesamtlage gibt es auch Lichtblicke: Führungskräfte erleben in der Zentralschweiz (+29%) und der Südwestschweiz (+20%) einen deutlichen Anstieg der Stelleninserate, während in der Nordwestschweiz nur ein leichtes Plus von +1% verzeichnet wird. In der Ostschweiz legten die Inserate für Fachkräfte im Bereich Dienstleistung und Verkauf um +20% zu, und in der Nordwestschweiz wuchs die Nachfrage nach Technik-Fachkräften um +15%.

Die Ergebnisse zeigen zwar eine deutliche, aber regional und berufsgruppenspezifisch unterschiedliche Entwicklung des Schweizer Arbeitsmarkts.

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