Fachkräftemangel sorgt für Stress bei Unternehmen und Personalsuchenden

Der Fachkräftemangel in der Schweiz hat einen neuen Höchststand erreicht, was auf die sinkende Zahl der Stellensuchenden und die gestiegene Anzahl offener Stellen zurückzuführen ist. Bedeutet dies weniger Arbeit für die heimischen HR-Abteilungen? Keineswegs. Die grosse Mehrheit der Unternehmen hat zunehmend Schwierigkeiten bei der Besetzung offener Stellen. Als Folge davon sagen rund acht von zehn der Personalsuchenden, dass der Druck auf sie in diesem Jahr noch zugenommen habe. Das geht aus dem neuen Xing Arbeitsmarktreport 2024 hervor, für den das Marktforschungsinstitut Appinio 150 Recruiter in der deutschsprachigen Schweiz im Rahmen einer Online-Umfrage befragt hat.

Der Fachkräftemangel in der Schweiz hat einen neuen Höchststand erreicht, was auf die sinkende Zahl der Stellensuchenden und die gestiegene Anzahl offener Stellen zurückzuführen ist. (Bild: www.depositphotos.com)

Der Fach- und Arbeitskräftemangel in der Schweiz zeigt kaum Anzeichen für eine Entlastung und ist damit längst Alltag für Recruiter. Der Mangel an Fachkräften ist 2023 zum Vorjahr um weitere 24 % angestiegen und hat damit einen neuen Rekordwert erreicht. Die Personalbeschaffung bleibt daher für Unternehmen nach wie vor eine grosse Herausforderung (Universität Zürich, Fachkräftemangel-Index Schweiz).

Das hat Auswirkungen auf den Arbeitsalltag der Recruiter: Ganze 91 Prozent sagen, dass es seitens der Unternehmensführung hohe Erwartungen und Anforderungen an sie gebe, für 83 Prozent bedeutet der Fachkräftemangel einen höheren administrativen Aufwand. Als Konsequenz daraus fühlen sich Personalverantwortliche zunehmend unter Druck: 65 Prozent klagen über hohe emotionale Anspannung und Stress.

„Viel von dem Druck, den Unternehmen wegen des Fachkräftemangels spüren, wird an die HR-Verantwortlichen weitergegeben. Sie haben aber oft begrenzten Handlungsspielraum und wenig Mittel zur Verfügung, um ihm entgegenzuwirken“, sagt Sandra Bascha, Leitung Kommunikation Schweiz. „Unternehmensführungen müssen in enger Zusammenarbeit mit ihren Personalabteilungen die richtigen Rahmenbedingungen schaffen, um sich als attraktiver Arbeitgeber zu positionieren. Arbeitnehmer erwarten flexible Arbeitszeitregelungen, faire Entlohnung und eine gute Work-Life-Balance.“ 

KI als Schlüssel zur Entlastung

Gefragt nach den Tätigkeiten, mit denen Recruiter die meiste Zeit im Bewerbungs-Prozess verbringen, sagen mehr als 39 Prozent der Befragten, Onboarding-Prozesse und administrative Aufgaben für neue Mitarbeiter, ebenso die Recherche nach geeigneten Kandidaten und aktive Ansprache dieser (39 %) und die Organisation und Durchführung von Vorstellungsgesprächen (39 %). Auch das Screening von Bewerbungen und Lebensläufen nimmt einen grossen Zeitaspekt im Recruiting-Prozess ein (35 %) sowie die Auswertung von Feedback und Bewertung der Bewerber nach Interviews (26 %).

Recruiter wollen mehr Zeit für Bewerbungsprozesse und Active Sourcing. (Bild: www.xing.com)

Gleichzeitig wünscht sich fast die Hälfte der HR-Mitarbeiter mehr Zeit für die Organisation und Durchführung von Vorstellungsgesprächen (47%). Etwa 39 Prozent würden gerne mehr Energie in die Auswahl geeigneter Kandidaten aus den eingehenden Bewerbungen investieren. 36 Prozent möchten ihr Active Sourcing, also die proaktive Suche nach neuen Mitarbeitern, intensivieren. Der Aufbau und die Pflege von Talent-Pools stehen bei 35 % auf der Wunschliste.

Das verdeutlicht, dass der Einsatz von KI zur Entlastung im Recruiting-Prozess eine effektive Lösung sein kann, um Raum für die Aufgaben zu schaffen: „Künstliche Intelligenz kann für HR-Verantwortliche eine hilfreiche Unterstützung sein, um Prozesse zu automatisieren oder Stellenausschreibungen schneller zu erstellen“, sagt Sandra Bascha. „Gerade die administrativen Zeitfresser können so wirkungsvoll reduziert werden und schaffen Raum für die Kernkompetenzen von Recruitern.“

Bewerber stellen zunehmend höhere Ansprüche im Recruiting-Prozess

Der Fachkräftemangel macht den Recruiting-Prozess nicht nur schwieriger, sondern auch komplexer, da die Ansprüche der Bewerber deutlich gestiegen sind: 82 Prozent der HR-Verantwortlichen stimmen der Aussage voll und ganz bis eher zu, dass der Fachkräftemangel zu einer deutlich gestiegenen Unverbindlichkeit der Bewerber führt. Beispiele hierfür sind Ghosting, schlechte Erreichbarkeit, Absagen trotz Zusage und wenige Rückmeldungen von aktiv kontaktierten Kandidaten. 17 Prozent haben schon sehr häufig oder häufig Erfahrungen mit Ghosting gemacht, weitere 54 Prozent gelegentlich. Zusätzlich berichten 89 Prozent der Befragten von zunehmend höheren Erwartungen der Bewerber an Jobbedingungen, Unternehmenskultur und Benefits. Dazu gehören flexible Arbeitszeitgestaltung, attraktive Vergütung und Karriereentwicklung sowie Aufstiegschancen.

Für den Xing Arbeitsmarktreport befragte Appinio auch 500 Beschäftige in der Schweiz, wobei sich zeigte: Die meisten Kandidaten wünschen sich einen zügigen Bewerbungsprozess und Rückmeldung innerhalb von ein bis zwei Wochen. Für längere Responsezeiten sinkt die Zustimmung rapide. Für Bewerber sind fehlende Rückmeldungen (33 %), lange Wartezeiten (32 %) und unpersönliche Kommunikation, in Form von automatisierten Antworten und standardisierten Absagen (26 %), die grössten Nervfaktoren bei der Jobsuche – so entsteht zusätzlich Druck auf die Personaler.

Personalgewinnung steht im Fokus der Jahresplanung

Zurück zu den Recruitern: Welche Pläne haben sie noch für das verbleibende Jahr? Für die meisten Befragten ist das Finden neuer Mitarbeiter mittels Active Sourcing der relevanteste Punkt (39 %). Active Sourcing wird dabei von 88 Prozent als eher bis sehr wichtig bewertet. Für 35 Prozent steht das Führen von Bewerbungsgesprächen ganz oben auf der To Do-Liste. Das Ausschreiben von Stellen, als das Stellenbesetzen durch Passive Sourcing, stehen bei etwa jedem Vierten auf der Agenda (28 %).

Darüber hinaus gilt für 27 % die generelle Bekämpfung des Fachkräftemangels im Unternehmen als wichtigstes Thema, mit dem sich die HR-Verantwortlichen im kommenden Jahr verstärkt beschäftigen möchten. Die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz ist nur für 26 % der Befragten ein Aspekt, um den Herausforderungen des Fachkräftemangels besser begegnen zu können. „Die Transformation der Arbeitswelt braucht aber smartes Recruiting, eine neue Art der Jobsuche und flexible Arbeitsmodelle“, unterstreicht Sandra Bascha. „Recruiting ist ein Erfolgsfaktor. Die Verantwortung dafür darf nicht nur auf den Schultern der Personalabteilung liegen, sondern muss in der Unternehmensführung strategisch verankert sein.“

Quelle: www.xing.com

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