38% der Deutschschweizer wollen trotz Fachkräftemangel weniger arbeiten

Trotz Fachkräftemangel und demografischem Wandel sehen die meisten Beschäftigten in der Deutschschweiz keine Notwendigkeit für Mehrarbeit, obwohl unbesetzte Stellen spürbar sind. 44 % sind mit ihrer Arbeitszeit zufrieden, 38 % möchten weniger arbeiten, und 30 % wären für mehr Urlaub bereit, Gehaltseinbussen hinzunehmen. Das geht aus dem neuen Xing-Arbeitsmarktreport 2024 hervor, den das Marktforschungsinstitut Appinio im Auftrag des Jobs-Netzwerks unter 500 Beschäftigten in der Deutschschweiz durchgeführt hat.

(Bild: www.xing.com)

Der Arbeitsmarkt in der Schweiz beschäftigt sich aktuell mit mehreren Herausforderungen gleichzeitig: einer schwächelnden Konjunktur, dem demografischen Wandel, dem Fachkräftemangel und der KI, die sich auf viele dieser Bereiche auswirken kann. 

Rund 5,3 Millionen Erwerbstätige sind auf dem Schweizer Arbeitsmarkt in den verschiedensten Arbeitszeitmodellen beschäftigt. Gleichzeitig liegt die durchschnittliche wöchentliche Wochenarbeitszeit in der Schweiz bei 31,2 Stunden (2023) – und damit unter dem europäischen Durchschnitt (36,9 Stunden; Quelle: Statista). Eine ganze Generation, nämlich die der Babyboomer, verlässt den Arbeitsmarkt Richtung Rente. In Kombination sorgt das trotz Rezession für einen Arbeitsmarkt, auf dem viele Unternehmen Schwierigkeiten haben, ausreichend Arbeits- und Fachkräfte zu finden.

Mehrarbeit? Die Hälfte der Beschäftigten in der Schweiz ist mit den Arbeitsstunden zufrieden

Generationsübergreifend sehen mehr als die Hälfte der Arbeitnehmenden in der Schweiz (55 %) keine Notwendigkeit zur Mehrarbeit, um den wirtschaftlichen Abschwung entgegenzuwirken. 

Meinungsführend sind hier tendenziell die älteren Generationen Babyboomer und X, die schon länger im Arbeitsleben stehen: Sie sagen zu 73 % (Babyboomer) und zu 61 % (Generation X), dass Mehrarbeit nicht nötig sei. Die jüngeren Generationen, Millennials und die Gen Z, teilen diese Meinung tendenziell in einem geringeren Masse: Sie stimmen der Diskussion, dass es notwendig sei, mehr statt weniger zu arbeiten, um den Wohlstand zu erhalten, grösstenteils zu (Millennials 50 % und Gen Z 55 %). 

Diese Meinung schlägt sich jedoch nicht ganz auf die eigene Leistungsbereitschaft nieder. 45 Prozent der Gen Z ist mit der Arbeitsstundenanzahl so zufrieden, wie es ist. 40 Prozent würde gern weniger arbeiten, während sich 15 Prozent mehr Arbeitsstunden wünschen. 40 Prozent der Millennials würden tendenziell gerne weniger Stunden arbeiten – und sind damit prozentual fast gleichauf mit 39 Prozent der Millennials, die mit dem Umfang ihrer Arbeitsstunden zufrieden sind. Rund jeder fünfte befragte Millennial würde gerne mehr Stunden arbeiten (21 %). Generationsübergreifend sind mit 44 Prozent ein Grossteil der der Befragten mit ihrer Stundenanzahl zufrieden. 38 Prozent möchten ihre Arbeitszeit reduzieren.

„Die Tendenz zeigt eine Schere zwischen den Generationen: Während die überdurchschnittlich leistungsbereiten Babyboomer eher das Gefühl haben, ihren Teil getan zu haben, aber auch generell weniger Notwendigkeit für eine Anhebung der Arbeitszeit sehen, sind sich die Jüngeren eines drohenden Wohlstandverlustes bewusster. Während sie theoretisch anerkennen, dass Mehrarbeit hier als Gegenmittel greift, würden sie es tendenziell vorziehen, diese nicht selbst leisten zu müssen“, sagt Sandra Bascha, Leiterin der Kommunikation von Xing in der Schweiz. 

Dabei spüren viele Beschäftigte jetzt schon den Fachkräftemangel am eigenen Leib: 33 Prozent berichten, dass ihr Unternehmen Schwierigkeiten habe, passendes Personal zu finden, 23 Prozent nehmen eine erhöhte Arbeitsbelastung wahr. Spannend: Dem gegenüber stehen 24 Prozent der Befragten, die wenig bis keine Auswirkungen des Fachkräftemangels wahrnehmen. Schlechte Stimmung und Motivationsprobleme (18 %), ein erhöhtes Stresslevel und die Sorge um ein Burn-out (17 %) und eine erhöhte Übertragung von Verantwortung (15 %) sind die Auswirkungen des Fachkräftemangels, die die Befragten am häufigsten spüren.

Immerhin: Insgesamt 16 Prozent der Befragten würden gerne mehr arbeiten. Bei denen, die in Teilzeit oder in einem geringfügigen Verhältnis angestellt sind, erhöht sich der Anteil auf 26 Prozent (Teilzeitbeschäftigte) bzw. 33 Prozent (Geringfügig Angestellte). Besonders interessant ist hier: Die Hälfte der Arbeitnehmenden, die geringfügig angestellt sind, sind zufrieden mit ihrer Stundenanzahl (50 %). Auch die Hälfte der Teilzeitbeschäftigten stimmt dem zu: Sie sind zufrieden, so wie es ist (50 %). 

Für die meisten Beschäftigten würden nur finanzielle Anreize Mehrarbeit attraktiv machen

Aber auch diejenigen, die nicht notwendigerweise mehr arbeiten wollen, würden sich mit den richtigen Angeboten dazu bewegen lassen. Dabei stehen für die Befragten vor allem finanzielle Benefits im Fokus: Bonuszahlungen und Prämien (44 %), (deutlich) höheres Gehalt über die anteilige Stundenanzahl hinaus (39 %) und höheres Gehalt anteilig zur Stundenanzahl (37 %) sowie zusätzliche Urlaubstage (37 %) machen das Rennen. Für 28 Prozent der Befragten wären steuerliche Anreize ein Grund, die wöchentliche Arbeitszeit zu erhöhen. 

Für mehr Urlaubstage würden die Befragten auch auf einen Teil ihres Gehalts verzichten: 30 Prozent würden sich so mehr Freizeit erkaufen. 22 Prozent können sich vorstellen, für eine bessere Work-Life-Balance finanzielle Einbussen in Kauf zu nehmen. Auch mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten wäre für knapp jeden Fünften (16 %) ein Aspekt. Dem gegenüber stehen 30 Prozent, die unter keinen Aspekten dazu bereit wären, auf einen Teil ihres Gehaltes zu verzichten.

Ausgewogene Work-Life-Balance: Der Grossteil der Schweizer ist mit der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zufrieden

Gute Nachrichten: Insgesamt sind rund 89 Prozent mit der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf sehr zufrieden, zufrieden und eher zufrieden. Nur ein geringer Teil der Befragten, insgesamt 11 Prozent, gibt an, eher unzufrieden, unzufrieden und sehr unzufrieden zu sein. Fehlende flexible Arbeitszeiten (28 %), gesundheitliche Probleme und Stress (28 %) sowie wenig Zeit für Hobbies und Freizeitaktivitäten (27 %) werden als grösste Hürden hinsichtlich der Vereinbarkeit angegeben. Positiv ist: Mehr als ein Viertel der befragten Arbeitnehmer in der Schweiz (27 %) sehen hinsichtlich der Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben keine Hürden.

„Auch wenn der Grossteil der Befragten mit der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf zufrieden scheint, gibt es nach wie vor Herausforderungen“, sagt Sandra Bascha. „Unternehmen haben wirksame Mittel in der Hand, um den Fachkräftemangel abzufedern. Anreize für Mehrarbeit wie attraktive Vergütungen und Arbeitszeitmodelle mit möglichst viel Flexibilität zahlen auf die Zukunftsfähigkeit von Unternehmen ein. Hier ist ein Umdenken gefragt – und das besser heute als morgen.“

Quelle: www.xing.com

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